Umwelt | Klimaproteste

„Wir machen das nicht zum Spaß“

Die Aktion von Extinction Rebellion in Zusammenarbeit mit dem Naturmuseum hat viel Aufmerksamkeit erregt. David Hofmann und Nau berichten über ihre Bedeutung.
Extinction Rebellion
Foto: (Foto: salto.bz)
Am 8. Februar fand eine symbolische Aktion von Extinction Rebellion im Naturmuseum in Bozen statt, bei der die Aktivisten ein Aquariumfenster mit schwarzer Farbe bemalt haben. Es war ein Akt der Solidarität mit ähnlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams in Museen von Seiten der Letzten Generation, Just Stop Oil oder anderen Organisationen, wurde aber im Vorhinein mit Museumsdirektor David Gruber vereinbart. Die beiden Aktivisten David Hofmann und Nau sprechen im Interview über die Botschaft und die Motivation hinter der Aktion.
 
salto.bz: Worin bestand eure Aktion und welche Botschaft wollt ihr damit vermitteln?
 
David Hofmann: Wir haben das Glas eines Aquariums von Korallenriffen im Naturmuseum Südtirol schwarz angemalt, um zu symbolisieren, dass der Klimawandel und unter anderem die Verbrennung von Öl und Kohle die Korallen und die Biodiversität im Meer sowie an Land zerstören. Allerdings haben wir beim Anmalen vom Fenster mehrere Handabdrücke freigelassen, welche die Tatsache symbolisieren sollen, dass wir das Blatt bis zu einem bestimmten Grad immer noch wenden können. Wenn wir als Gesellschaft und vor allem die Politik aktiv wird, kann noch etwas verändert werden.
 
Wen wollt ihr mit der Aktion erreichen und was wollt ihr diesem Publikum sagen?
 
Nau: Einerseits möchten wir damit die Bevölkerung erreichen, um sie auf das Thema aufmerksam zu machen und sie aufzuwecken. Wir hoffen, dass sie dadurch verstehen, wie wichtig es ist und vielleicht auch selbst aktiv werden. Auf der anderen Seite möchten wir auch den Gemeinderat von Bozen und die Landesregierung ansprechen, denen wir drei konkrete Forderungen gestellt haben. Unsere erste Forderung lautet, dass die Wahrheit und die Eile über die Klima- und Ökologiekrise klar kommuniziert werden sollen.
 
 
Unsere erste Forderung lautet, dass die Wahrheit und die Eile über die Klima- und Ökologiekrise klar kommuniziert werden sollen.
 
 
Hofmann: Die zweite Forderung behandelt den Südtiroler Klimaplan. Südtirol hat nämlich bereits im Jahr 2011, noch unter Luis Durnwalder, einen Klimaplan erstellt, der über zehn Jahre lang gültig war. Dieser Klimaplan war aber ein totales Desaster, denn die Südtiroler Landesregierung hat ihren eigenen Plan nicht eingehalten. Jetzt gibt es einen neuen Klimaplan und es sieht bereits danach aus, als käme es zu einem neuen Desaster. Wir fordern nun, dass dies aufhört und die Regierung die nötigen Maßnahmen ergreift und mindestens ihre eigenen Pläne befolgt.
 
Nau: Die dritte Forderung wäre, dass Klima-BürgerInnen-Räte eingesetzt werden sollen, welche die Bevölkerung repräsentieren und auch deliberativ sein sollen, ihre Entscheidungen sollen also in der Politik umgesetzt werden. Diese Räte würden aus freien BürgerInnen bestehen, die von Fachkräften unterstützt werden.
 
 
 
Ihr sprecht mit dieser Aktion die Zerstörung von Korallenriffen an. Inwiefern besteht darin eine direkte Verbindung zu Südtirol?
 
Hofmann: Es gibt interessanterweise tatsächlich eine direkte Verbindung zwischen Südtirol und den Korallen – und zwar die Dolomiten. Ohne Korallen gäbe es keine Dolomiten. Der weiße Kalkstein ist ein Sediment aus prähistorischen Zeiten und das waren früher effektiv Korallen. So viel zur ästhetischen und direkten Verbindung. Der wichtige Punkt aber ist, dass wir in Südtirol uns auf dem Planeten befinden, so wie alle anderen Menschen auf der Erde auch. Wenn Korallen aussterben, bedeutet dies, dass ganze Ökosysteme wegfallen, denn Korallen bilden ein Ökosystem für Fische und andere Lebewesen im Meer. Diese sind wiederum Teil eines größeren Ökosystems, dem Ozean. Wenn dieses Ökosystem kippt, bedeutet das, der Ozean kann weniger Kohlendioxid aus der Atmosphäre absorbieren. Zum Beispiel weil dann weniger Plankton im Ozean vorhanden ist, welches Photosynthese betreibt. Wir Menschen gehen meist sehr leichtfertig und linear mit Dingen um und begreifen deshalb oft nicht, dass all diese Dinge zusammenhängen. Ökosysteme sind komplexe Systeme, die eng untereinander verbunden sind. Deswegen sind auch von uns ferne Dinge wie Korallenriffe relevant für das Wohlbefinden unseres Planeten und dadurch für uns Menschen, eben auch hier in Südtirol.
 
 
Wir haben sowieso schon Schwierigkeiten, mit unseren Aktionen viel Aufmerksamkeit zu erlangen, deshalb ist es oft absolut notwendig, Regeln zu brechen, um diese zu bekommen.
 
 
Eure symbolische Aktion steht in Solidarität mit ähnlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams zum Beispiel von der Letzten Generation. Dieser zivile Ungehorsam steht aber unter großer Kritik – warum findet ihr es legitim, zu solchen Maßnahmen zu greifen?
 
Nau: Wir finden diese Maßnahmen legitim, weil die aktuelle Krise so groß und bedrohend ist und es demnach große Aufmerksamkeit braucht. Wir haben sowieso schon Schwierigkeiten, mit unseren Aktionen viel Aufmerksamkeit zu erlangen, deshalb ist es oft absolut notwendig, Regeln zu brechen, um diese zu bekommen. Denn auf diese Weise zerrt man die Menschen aus ihrem Alltag und dadurch entsteht erst dieser Schock. Es ist grundsätzlich nicht so, als würden wir diese Aktionen machen, um kurzzeitig einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen. Ich persönlich bin zum Beispiel – wegen einer Aktion – verklagt worden und muss nun mit möglichen Konsequenzen rechnen. Wir hoffen also, dass die Menschen so langsam verstehen, dass wir das nicht zum Spaß machen, wir könnten eigentlich viel vergnügendere Dinge tun. Außerdem sind solche Aktionen sehr aufwendig zu organisieren und durchzuführen. Aber andererseits sind wir besorgte BürgerInnen und haben uns nur von der Geschichte abgeschaut, was früher schon funktioniert hat, um große Veränderungen in Gang zu bringen. Vor allem solche systemischen Veränderungen wie jene, die wir fordern.
 
Hofmann: Unsere Aktion heute hat medial sehr gut funktioniert, aber sie hat nur deshalb so gut funktioniert, weil es vorher schon diese sehr kontroversen Aktionen gegeben hat. Darauf konnten wir aufbauen. Wenn allein wir diese Aktion in Kollaboration mit dem Naturmuseum gemacht hätten, ohne Regeln zu brechen, hätten wir niemals eine solche Aufmerksamkeit bekommen, wie wir sie heute erreicht haben.
 
 
 
Habt ihr keine Bedenken, dass solche kontroversen Aktionen dem Klima-Aktivismus mehr schaden als dienen könnten?
 
Hofmann: Dazu kann ich nur sagen, dass es bereits Studien gibt, die sich damit beschäftigen. Es gibt zwar noch nicht viel dazu und die Ergebnisse sind nicht immer klar. Diese Studien besagen aber weder, dass diese Aktionen kontraproduktiv noch, dass sie produktiv für die Bewegung sind. Was daraus allerdings schon klar wird, ist, dass sie dem Klimaschutz an sich nicht schaden. Ob es nun einen positiven Effekt darauf hat, ist noch zu klären. In Deutschland gibt es zum Beispiel Umfragen, in denen 80% der befragten Bevölkerung die Aktionen der Letzten Generation nicht gut finden, aber wenn man sich die Umfragen darüber ansieht, wie die Menschen über Klimawandel und Klimakrise denken, dann haben sich die Meinungen dort überhaupt nicht verschlechtert.
 
 
Denn, wenn man nicht provoziert, wird man nicht gehört.
 
 
Man muss also festhalten, dass es der Sache an sich keinen Schaden zugefügt hat. Und um nochmal aufs Historische Bezug zu nehmen, was Nau vorher auch schon angesprochen hat, jede Bewegung hat diese Situation erlebt, jede Bewegung ist irgendwann von der Mehrheit der Gesellschaft kritisiert worden, bis es dann zum Kipppunkt gekommen ist. Denn, wenn man nicht provoziert, wird man nicht gehört. Und wenn man nicht gehört wird, findet kein Diskurs statt und dann können auch keine Veränderungen stattfinden. Wenn man provoziert, ist natürlich immer eine Gefahr da, man muss natürlich schon aufpassen. Aber wenn man rational darüber nachdenkt, sind die Aktionen in den Museen absolut vertretenswert. Die Menschen haben kein Kulturgut beschädigt, haben aber gleichzeitig auf die Zerstörung der Welt aufmerksam gemacht. Die Reaktionen stehen demnach in keinem Verhältnis zu den Aktionen, man sollte eigentlich gegen diese Reaktionen vorgehen und nicht gegen die Aktionen.
 
Nau: Auch der internationale Museumsrat hat sich für diese Aktionen ausgesprochen.
 
Hofmann: Genau. Der internationale Museumsrat hat das sehr schön ausgedrückt, sie haben gesagt: „Museen sind eine Kulisse für Klimaproteste…
 
Nau: …und sollen auch als solche verwendet werden. So haben sie auch die Museen aufgefordert, dies als Möglichkeit anzusehen, und es hat uns sehr gefreut, dass David Gruber dies so aufgenommen und umgesetzt hat.
 
Warum habt ihr euch dazu entschieden, diese Aktion in Absprache mit dem Naturmuseum durchzuführen, womit der rebellische Teil vernachlässigt wird?
 
Hofmann: Ich glaube, es ist ganz wichtig, festzuhalten, dass es nicht darum geht, rebellisch zu sein. Es geht darum, dass man das Thema ins Zentrum der Gesellschaft bringt und wenn man dafür rebellisch sein muss, dann ist das eben so. Aber es ist nicht so, dass wir das unbedingt sein wollen, es ist eher eine Notwendigkeit. In diesem Fall war es aber einfach nicht nötig, weil der Museumsdirektor sich damit einverstanden erklärt hat, dass wir die Aktion zusammen durchführen können und dann sagen wir natürlich nicht nein, warum sollten wir?
 
 
 
Abgesehen von dieser Aktion was macht ihr von Extinction Rebellion sonst noch in Südtirol? Was sind eure Ziele?
 
Hofmann: Extinction Rebellion ist auch ein Teil von Climate Action. Climate Action versucht unter anderem, Druck auf die Politik auszuüben, indem es konkrete Forderungen formuliert, die dann von anderen Menschen auf der Website von Climate Action unterschrieben werden können. Extinction Rebellion unterstützt zum Teil diese Aktionen, andererseits machen wir aber auch unsere eigenen Projekte. Was da noch kommen wird, können wir noch nicht verraten. Aber wir machen das, was wir für notwendig halten.
 
Nau: Und vor allem machen wir das, was in unseren Kapazitäten liegt. Das alles ist nur möglich, wenn einzelne Menschen zusammenkommen und sich organisieren. Deshalb hoffen wir auch, dass diese Aktion andere aufgeweckt hat und vielleicht neue Menschen dazukommen, dann könnten wir noch viel mehr machen.