Kultur | Salto Afternoon
Text mit Feinschliff
Foto: Hartmut Nägele
Dass Schrift nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form Gefühle und Assoziationen vermittelt dürfte beiden, dem 2020 verstorbenen Waibl (Jahrgang 31) und dem im August seinen 80. Geburtstag begehenden Höllrigl früh klar geworden sein, begannen ihre Karieren doch jeweils früh und mit großer Ausdruckskraft: „Program“ ist der erste - und größte - Blickfang der Ausstellung von Kunst Meran, ein bislang unveröffentlichter Schriftentwurf in Minuskeln aus dem Jahr 1965, von Waibl mit Hilfe seines Lehrers Max Huber gestaltet. „Program“ ist allerdings nicht „nur“ überlebensgroß im Lichthof der Ausstellung zu sehen, sondern dient auch, dezenter, in zusammengedruckter Form als Titel, sowie für die Nummerierung der zehn Ausstellungsbereiche. Der retro-futuristischen Schrift in Bauhaus-Ästhetik, welcher man ihr Alter nicht ansieht steht, gleich zu Beginn des dichten und Jahrzehnte umspannenden Ausstellungsparkours, eine eindrückliche Werkreihe Höllrigls zur Seite. Die Plakatreihe „Spiegelungen“ (2000-2022) zeigt, was im angrenzenden Raum (4) mit kommerziellen Werken eine Selbstverständlichkeit ist: Ein Schriftbild, welches aus der alltäglichen Flut von Zeichen und Werbung hervorsticht, ist ein Blickfang. Auch zeigt es, dass, wie gute Schriftbilder die Probleme der Passerstadt zeitlos sind: Sozialkritik unters Volk bringen, mit Zitaten von Goethe bis Kaser, ergänzt durch von - heimischen wie ortsfremden - Passanten aufgeschnappte Wortmeldungen, auch so lässt sich Druck (auf eine Stadtverwaltung) ausüben.
Früh zeigt sich (2) eine Gabelung in der Arbeitsweise der beiden befreundeten Grafiker: in den 80ern geht Waibl den Weg vom Analogen ins Digitale, Höllrigl findet im Handwerklichen bis heute seine Erfüllung. Statt sich auf den Graben zu versteifen zeigt man verbindende Momente, sieben gemeinschaftlich gestaltete „Passerblätter“ (handwerklich mit Lettern aus Holz und Blei gestaltet). Sie sind „Typoèsien“ im eigentlichen Sinn, lösen das Schriftbild von einer Kommunikation des Inhalts ab.
Bewegt man sich weiter, so kommt man zum täglich Brot des Designers und Grafikers Waibl, erst auf nationaler (3) Ebene in den 50ern, mit Aufträgen für das Warenhaus Magazzini allo Statuto und Produktdesign für Atkinsons, dann auf internationaler Ebene: Raum 4, mit „Corporate Identity“ betitelt ist angenehm überladen, ein Zeugnis der besonders in den 60ern grassierenden Konsumfreude, welche Waibl in den Staaten und Südafrika miterlebte. Besonders bei großen Namen wie American Airlines, der Rai (noch 59) und dem Shakers-Club gehen eindrückliche Werke hervor, welche um die limitierte Aufmerksamkeit des Betrachters buhlen. Ein Raum zum verweilen.
Auf die gezielte Überdosis von kunstvollen Kommerz lässt man literarische Plakate aus den Offizin S. (Höllrigls Druckwerstatt) folgen, bei welchen besonders die Reihe zu Handkes „Phantasien der Wiederholung“ hervorsticht. Ein Projekt der 250 Textpassagen als „Ein Satz pro Werktag“ (1999) aufgriff und in lediglich zwei Ausgaben existiert. Hier zeigt sich, analog zu den noch nicht abgeschlossenen „101 Gedichtplakaten“ in einer Auflage von zehn Stück auch die Nische auf welche kunstvoller Druck von Literatur zurückgreifen kann, jenen der Sammelleidenschaft und einer menschlichen Qualität, welche sie einem Werk verleiht.
Zeit, ein weiterer Faktor für die Eingangsanalogie, ist Thema des nächsten Raumes (6) und hier werden, dezenter und weniger augenscheinlich, Wochenplaner und Kalender zum Betrachtungsobjekt. Gutes Design, das eine Abwägung zwischen Form und Funktion machen muss, liegt hier mehr auf Seiten des Funktionalen denn des Schönen.
Die Lyrik (7) setzt das Wechselspiel zwischen nützlich schönem und nutzlos schönem fort und präsentiert Auszüge aus der Rehe „Lyrik aus der Offizin S.“ in welcher Höllrigl in 23 Ausgaben Lyrik ein Gesicht gab, sowie einen Blick über den Brenner, wo 2019 im Ferdinandeum in der Schau „Vergessen“ 19 Gedicht oder Aphorismusplakate Platz finden sollten. Die Ausstellung beweist einmal mehr, dass sie nicht nur ein Ort schöner Formen, sondern auch Worte ist. Sogar im Audioformat: Roberta Dapunts „sincope / Synkope“ und Sepp Malls „Aufstand der Tiere“ gibt es auch als Hörstation auf die Ohren.
Die nächsten beiden Räume (8 und 9) sind prozess- und personenbezogener, es sind vor allem ein Film Höllrigls bei seiner Tätigkeit und ein Diaprojektor mit Schnappschüssen vom im übertragenen Sinn heimgekehrten Kosmopolit Waibl „Tirolese, Austriaco, Milanese, Zurighese, Americano“ (wie er selbst 1952 seine Zwischenidentität bezeichnete), welche den Blick bannen. Über beidem schwebt der Satz: „Fertig wird das nie!“ von Höllrigl und so ist es, bei einem Blick zurück, der von den 50ern ins heute den Anspruch erhebt, modern geblieben zu sein, nicht verwunderlich, dass ein offenes Ende präsentiert wird.
Eine Auswahl von Blei- und Holzlettern und eine Andruckpresse (Korrex „Hannover“, 1968) stehen in der letzten Station bereit, wenn man selbst Eindrücke vom Handwerk sammeln sollte. Die Mitarbeiterin von Kunst Meran zeigte sich geduldig wenn ein „g“ nicht am rechten Fleck stand oder der letzte Buchstabe für einen Text scheinbar unauffindbar ist. Die Genugtuung, wenn dann der gewünschte Text in gewünschter Form seinen Weg aufs Papier findet, ist groß. Die Druckerzeugnisse kann man, vorausgesetzt, dass sie getrocknet sind, mit nach Hause nehmen, die Ausstellung behält einen Abzug und lässt sich abermals dadurch ein Stück weit von den Besuchern mitgestalten.
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für alle, die sich für die verschiednen analogen drucktechniken/-erfahrung interessieren, die in der temporären druckwerkstatt angeboten werden, hier der link zum programm: https://www.kunstmeranoarte.org/de/vermittlung.html
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