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Deutsche Schulen überlastet?

Die Bozner Stadträtin Ramoser schlägt Alarm: Kinder ihrer Gemeinde werden in Eppan und Terlan zur Schule angemeldet, weil in der Stadt das Unterrichtsniveau sinke.
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Foto: Yan Krukau / Unsplash
Die Einschreibungen für das neue Schuljahr sind abgeschlossen und die Bozner Bildungsstadträtin Johanna Ramoser (SVP) zeigt sich besorgt. Denn aus einer Analyse der Einschreibungen gehe hervor, dass 25 Schüler*innen nach Eppan und elf Schüler*innen nach Terlan abgewandert sind. Außerdem würden italienische Schulen eher an Schüler*innen verlieren, während deutsche dazu gewinnen. 
„Mir wurde mitgeteilt, dass in einer Schule eine Klasse gebildet wird, wo kein einziges Kind deutscher Muttersprache ist. Es stellt sich die Frage, ob das so sein kann. Wenn nur wenige deutsche Kinder in den Klassen sind und die Mehrheit Italienisch spricht, ist die Lehrperson erst einmal damit beschäftigt, den Kindern Deutsch beizubringen“, so Ramoser. Dass das komplexe Thema wenige Monate vor den Landtagswahlen von ihr öffentlich zur Sprache gebracht wird, könnte kein Zufall sein. Gestern (15. März) veröffentlichte die italienische Tageszeitung Alto Adige ein Interview mit ihr dazu.
 
 
„Ich möchte diese Sache aufzeigen, wir können nicht die Augen davor verschließen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Ich werde der Landesregierung einen Brief schreiben und sie ersuchen, sich mit dem Thema zu beschäftigen und Lösungsmöglichkeiten zu finden. Das Thema ist bereits seit vielen Jahren bekannt und betrifft nicht nur Bozen, sondern auch Meran und Leifers. Für eine Sprachminderheit ist die Schule wichtig“, so die Bozner Bildungsstadträtin. Die Kompetenz liege hier beim Land.
Bildungslandesrat Philipp Achammer (SVP) weiß um die Problematik, die auch bei einem kürzlich stattgefundenen Treffen mit den Führungskräften der Schulen besprochen wurde. „Es ist enorm herausfordernd, dass es in Schulen heute vielfältige Hintergründe gibt. Es braucht deshalb einen vernünftigen und umsetzbaren Ansatz, der auch die gesellschaftlichen Folgen miteinbezieht. Ich werde in Kürze dazu Vorschläge unterbreiten.“
Dabei ist ihm wichtig, die Verantwortung der Eltern bei der Schulwahl ihrer Kinder zu betonen: „Erstens muss eine bewusste Schuleinschreibung erfolgen, die dem Interesse des Kindes entspricht und nicht nur den Erwartungen der Eltern. Zweitens sollten Eltern auch verpflichtet sein, das Kind in der Sprache der Schule begleiten zu können.“ Das würde bedeuten, dass Eltern, die ihre Kinder in eine deutsche Schule einschreiben, die deutsche Sprache ebenso beherrschen müssen wie ihre Kinder. Eine Anforderung, die für viele wohl eine Herausforderung darstellen könnte.
 
 

Eignungstests?

 
Die Bozner Stadträtin Ramoser zieht in Erwägung, sprachliche Eignungstests in den deutschsprachigen Grundschulen einzuführen: „Das kann ein Gespräch sein, um herauszufinden, ob das Kind der deutschen Sprache folgen kann oder nicht.“ Zwar garantiere das Autonomiestatut das Recht, die Schule frei wählen zu können, aber auch das Recht auf Unterricht in der eigenen Muttersprache – und dieses sieht Ramoser gefährdet, wenn ein Großteil der Kinder nicht deutscher Muttersprache ist.
Achammer reagiert auf den Vorschlag seiner Parteikollegin vorsichtig: „Mit einem Eignungstest eröffnen sich viele Fragen, etwa ob alle Kinder diesen Test machen müssen und vor allem, welche Konsequenzen das Ergebnis dann hat.“
Ramoser betont hier auch die Situation der Schüler*innen: „Ich verstehe nicht, dass den Kindern oft so viel zugemutet wird. Das Kind leidet auch darunter, wenn es die Sprache nicht versteht. Wäre es da nicht besser, wenn das Kind eine andere Schule besuchen würde?“ So könne „kein normaler Unterricht“ garantiert werden. Wenn sich Eltern anderer Sprachgruppen wünschen, dass ihre Kinder Deutsch lernen, sei das begrüßenswert. Es sei allerdings fraglich, ob tatsächlich Deutsch gelernt werde, wenn in den deutschen Schulen viele Kinder italienischsprachig sind.
 

Reaktionen

 
Von ihrer grünen Stadtratskollegin Chiara Rabini erhält Ramoser für ihre Stellungnahme keinen Zuspruch. Sie schlägt stattdessen mehrsprachige Schulen vor: „Ich war schon immer der Meinung, dass unsere Stadt (und Provinz) von einer Schule mit zweisprachigem / dreisprachigem Unterricht nur profitieren, sich bereichern und integrativer sein kann. Eine Schule, die den Unterricht in der Muttersprache Deutsch oder Italienisch ergänzt, ohne ihn zu ersetzen.“
Auch der Vizefraktionssprecher der Civica im Bozner Gemeinderat, Claudio Della Ratta, erklärt: „Seit Jahrzehnten fordern italienische Familien eine mehrsprachige Schule, die angesichts der unbestreitbaren fächerübergreifenden Vorteile, die sie mit sich bringen würde, zumindest flankierend zu der bestehenden, nach Sprachgruppen gegliederten Schulleitung eingerichtet werden sollte.“
Es sei seines Erachtens „paradox, sich über die Probleme zu beklagen, die durch die Einschulung von Kindern ohne Deutschkenntnisse entstehen, während die Probleme durch ein starres und anachronistisches Unterrichtsmodell verursacht werden, das die beiden Hauptsprachgruppen unterteilt und nichts mit dem Schutz von Minderheiten zu tun hat. Es ist ein Modell, das nicht funktioniert und das trotz Misserfolgen stur beibehalten wird, ohne zu berücksichtigen, dass sich die Gesellschaft verändert hat und dass das Festhalten an bestimmten Unterteilungen ein Hindernis für die Entwicklung der gesamten Gemeinschaft darstellt.“