Politik | Interview

„Das Ganze wird nur mit Kernkraft gehen“

In der Debatte um Elektromobilität werde zu wenig berücksichtigt, wie der Mehrbedarf an Strom gedeckt werden soll. Das kritisiert EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann.
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Foto: Facebook / Herbert Dorfmann
salto.bz: Herr Dorfmann, wie beurteilen Sie die Entscheidung zum Verbrenner-Verbot ab 2035 mit Ausnahme der E-Fuels?
 
Herbert Dorfmann: Im EU-Parlament gab es einen Mehrheitsbeschluss, der besagt, dass ab 2035 nur noch mit Strom betriebene Fahrzeuge zugelassen werden. Ich habe dagegen gestimmt, weil meine Fraktion, die Europäische Volkspartei, die Auffassung vertretet, dass nicht die Technologie, sondern das Ergebnis entscheidend ist. Der Antrieb muss CO2-neutral sein. Wie das funktioniert, sollte im Grunde eigentlich egal sein. Außerdem begeben wir uns mit dem Batterie betriebenen Elektrofahrzeug zu 100 Prozent in die Abhängigkeit von China. Fast die gesamten Lithium-Vorräte der Welt gehören ihnen. Wenn man die Erfahrungen der letzten Monaten sieht, dann ist es nicht ratsam, sich freiwillig in Abhängigkeiten zu begeben.
Mich ärgert an der ganzen Debatte, dass niemand darüber spricht, woher der Strom kommen soll.
Wie geht es jetzt weiter?
 
Die Mitgliedsstaaten haben der Entscheidung des EU-Parlaments mit der Bedingung zugestimmt, dass die EU-Kommission in den nächsten Monaten einen Vorschlag für die E-Fuels vorlegt, über den wir im Parlament und die Mitgliedsstaaten abstimmen werden.
 
 
Wieso beharren Sie auf die Technologieoffenheit, wenn der Elektroantrieb als der effizienteste gilt?
 
Natürlich ist der Elektromotor der effizienteste, wenn ich nur das Auto betrachte. Ich glaube übrigens auch, dass sich der Elektromotor durchsetzen wird. Es hat mehr Komfort, mit einem Elektroauto zu fahren als mit einem Benziner oder Diesel. Auf Dauer wird es zudem weniger kosten. Aber es muss trotzdem der gesamte Zyklus betrachtet werden. Mich ärgert an der ganzen Debatte, dass niemand darüber spricht, woher der Strom kommen soll. Bei der Frage der Effizienz muss auch miteinbezogen werden, wie der Strom produziert wird, mit dem das Auto fahren soll. Autohersteller werben damit, dass die E-Mobilität null Emissionen hat. Wenn ich den Strom dafür aber mit Gas, Öl oder Kohle produziere, dann sind das alles andere als null Emissionen. Dann ist es weniger effizient als ein Diesel. Wenn das Ganze funktionieren soll, dann muss der Anteil an nachhaltigem Strom höher werden.
 
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen beim Ausbau der nachhaltigen Stromproduktion?
 
Jede Region wird sich mit ihren eigenen Stärken und Schwächen entwickeln müssen. Wir in Südtirol haben relativ viel Wasserkraft, die vielleicht auch noch ein wenig ausgebaut werden kann. Wir werden nicht viele Chancen in der Windenergie haben, weil wir sie nicht wollen und weil wir kein windiges Land sind. In der Photovoltaik hingegen gibt es noch Möglichkeiten des Ausbaus. Deutschland beispielsweise hat sehr wenig Wasserkraft, weil sie vor allem flache Landschaften haben. Dort sind Photovoltaik und Windkraft wichtiger. Jeder muss seine Potentiale nutzen.
Auf europäischer Ebene machen wir deshalb sehr viel Druck, dass sich der Anteil des nachhaltigen Stroms erhöht.
Wie viel erneuerbare Energie wird in Europa bereits produziert?
 
Wenn ich das E-Auto an eine durchschnittliche Steckdose in Europa anschließe, dann habe ich weniger als 20 Prozent erneuerbare Energie. Mehr als 80 Prozent des Strommixes kommen noch immer von Öl, Gas, Kohle und Kernkraft. Selbst Länder, die seit zehn in erneuerbare Energie investieren wie Deutschland, haben weniger als 20 Prozent nachhaltige Energie in seinem Energiemix. Auf europäischer Ebene machen wir deshalb sehr viel Druck, dass sich der Anteil des nachhaltigen Stroms erhöht. Dann wäre das Elektrofahrzeug wahrscheinlich die beste Alternative. Denn wenn ich den Strom der Photovoltaik-Anlage auf meinem Dach für die Batterie des E-Autos nutze, dann gibt es keinen Zweifel, dass ich nachhaltig fahre.
 
 
Inwiefern übt die EU Druck aus, um den Strommix nachhaltiger zu machen?
 
Wir haben letztes Jahr das REPowerEU-Programm auf den Weg gebracht, das 20 Milliarden Euro für nachhaltige Energien umfasst. Die Staaten haben jetzt verstanden, dass sie aktiv werden müssen. Aber wir werden ihnen als Europäische Union sicher nicht vorschreiben, was sie zu tun haben, da die Voraussetzungen vollkommen unterschiedlich sind. Die Gelder werden wie bei NextGenerationEU (Notfallfonds wegen der Corona-Pandemie, Anmerkung d. R.) an die EU-Länder verteilt, die dann in nachhaltige Energien investiert werden müssen.
 
Wie stehen Sie zu Atomenergie?
 
Das Ganze wird europaweit nur mit Kernkraft gehen und hier treibt die Verlogenheit Blüten. Deutschland legt seine letzten Kernkraftwerke still und baut gleichzeitig LNG-Terminals (liquefied natural gas, Anmerkung d. R.), die von Politikern mit großer Freude eröffnet werden. Man schaltet also eine CO2-neutrale Technologie ab und freut sich über die Einführung von LNG-Terminals, die haufenweise Erdgas bereitstellen, das wiederum haufenweise CO2 verursacht. Das ist an Verlogenheit kaum zu überbieten, wenn man ehrlich ist.
 
Kommen wir zum Verbrenner-Aus zurück. Was hat die Autoindustrie davon, wenn für E-Fuels eine Ausnahme gilt?
 
Die Autohäuser haben mehr oder weniger die Technologieentscheidung getroffen und das sind E- oder Hybrid-Autos. Ich denke, uns in Europa tut es gut, wenn wir aber auch an anderen Lösungen arbeiten, wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels. Diese Lösungen werden wir in anderen Sektoren brauchen, etwa im Flugverkehr. Um die Entwicklung dieser Treibstoffe wird man also nicht herumkommen. Deshalb glaube ich, dass dem Klima vollkommen egal sein kann, welche Technologie eingesetzt wird. Wichtig ist, dass wir nicht weiter CO2 in die Luft pumpen.
 
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Josef Fulterer Mi., 12.04.2023 - 21:59

Weltweit wird nur 5 % Strom in den in den schwierig regelbaren Atomkraftwerken erzeugt, die zudem mit ihren Kühltürmen oder über die Kühlung mit Wasser aus vorbei fließenden Flüssen, bei der Klima-Krise ktäftig mit heizen.
Außerdem werden werden die Bewohner in der Umgebung der Atomkraftwerke, wegen wegen den viel zu häufigen mittleren Störungen mit erhöhter Atomstrahlung belastet oder wie im Fall von Sella Field (GB), Harrysburg (USA), Tschernovil (Russland) und Fukushima (Japan) für viele Generationen mit schäbiger Abfindung aus ihrer Heimat vertrieben.
Wie bescheuert ist der Dorfmann, dass er diese Umstände nicht kennt oder noch schlimmer, er muss sie als an den Marionetten-Fäden der Atom-Strom-Konzerne baumelnder Wicht vertreten, wie seinerzeit das Krebs-erregende Glyfosat der Firma Monsanto.

Mi., 12.04.2023 - 21:59 Permalink
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Peter Gasser Mi., 12.04.2023 - 23:52

Ehrlichkeit: dazu gehört zur Frage (Zitat):
Kommen wir zum Verbrenner-Aus zurück. Was hat die Autoindustrie davon, wenn für E-Fuels eine Ausnahme gilt?
... die richtige Antwort:
.
Autos (Karosserie) bauen kann jeder auf der Welt, nicht nur die Deutschen.
Verbrenner-Motoren nicht.
Um diesen Technologievorsprung nicht aufzugeben, muss der Verbrenner-Motor weiterbetrieben werden.

Mi., 12.04.2023 - 23:52 Permalink
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Harry Dierstein Do., 13.04.2023 - 09:07

Antwort auf von Peter Gasser

Das ist leider die Wahrheit. Ein Elektro-Auto, das 100 km/h fährt, kann prinzpiell fast jeder mittelbegabte Chinese bauen. Ein Wagen, der 300 km/h mit Benzin oder Diesel fährt, dann doch eher ein Deutscher.

Was die meisten übersehen: Firmen wie "ZF Friedrichshafen" etc. würde es dann nicht mehr geben, wenn alle nur noch E-Autos aus China/Indien fahren würden. Insofern ist der Protektionismus der deutschen Regierung einigermaßen verstehbar.

Do., 13.04.2023 - 09:07 Permalink
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Sigmund Kripp Fr., 14.04.2023 - 08:39

Wenn Herr Dorfmann konsequent wäre, müsste er - als Atomkraftbefürworter - auch ein Endlager für Atommüll im Eisacktal vorschlagen!
So kann er sich als Politiker ein bleibendes Denkmal für die nächsten 100.000 Jahre schaffen!

Fr., 14.04.2023 - 08:39 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 14.04.2023 - 15:45

Ich hoffe mal sehr, dass es von kompetenter Stelle auf jede Ihrer Fragen eine befriedigende Antwort gibt. Aber hoffen ist nunmal nicht wissen, und auch das www ist da wenig hilfreich, oder suche ich nur falsch?

Fr., 14.04.2023 - 15:45 Permalink