Politik | Kampagne

Michls Bärendienst

Die Athesia schießt scharf gegen jeden Bärenbefürworter. Dabei hat ausgerechnet Michl Ebner als EU-Parlamentarier vor 25 Jahren einiges für die Bärenansiedlung getan.
Parlamento Europeo di Strasburgo
Foto: Pixabay
Es gehört zu einem vernünftigen Menschen, dass er seine Meinung auch einmal ändern kann.
Nur sollte man sich dann daran erinnern und nicht so tun, als wäre der eigene Name Hase.
Seit langem schießt der Medienkonzern „Athesia“ auf alle jene, die auch nur Verständnis für die Ansiedlung der Großraubtiere zeigen. In der Tageszeitung Dolomiten werden regelmäßig die für die aktuelle Situation angeblich verantwortlichen Politiker und Beamten an den Pranger gestellt. Allen voran Landesrat Arnold Schuler und der heutige PD-Senator und langjährige Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, Luigi Spagnolli.
Was man dabei im Hause Ebner aber bewusst vergisst: Ausgerechnet jener Mann, der dem Athesia-Konzern vorsteht, hat sich vor 25 Jahren in Brüssel und Straßburg für die Wiederansiedlung der Bären im Alpenraum eingesetzt.
 

Die Anfrage

 
Michl Ebner wird 1994 erstmals ins EU-Parlament gewählt. Der SVP-Politiker ist von 1995 bis 1999 auch Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu Slowenien.  In dieser Funktion, aber auch als begeisterter Jäger, stellt Michl Ebner zusammen mit der niederösterreichischen ÖVP-Abgeordneten Agnes Schierhuber am 9. Februar 1995 eine schriftliche Anfrage an die EU (E-0261/1995).
 
 
 
Unter dem Titel „Erhaltung und Wiedereinbürgerung des Braunbären (Ursus arctos) in Italien und Österreich“ schreibt das Volksparteiduo:
 
„Ist der Kommission das Projekt "Ökologie und Schutz des Braunbären in Slowenien" und in diesem Zusammenhang insbesondere das Telemetrie-Projekt im Dreiländereck zwischen Slowenien, Österreich und Italien bekannt, welches seit 1993 von der Universität für Bodenkultur (Wien), der Wildbiologischen Gesellschaft (München), dem Slowenischen Forstinstitut und dem Slowenischen Jagdverband durchgeführt wird?
Unter Berücksichtigung,
dass der Braunbär in der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen eine vorrangig zu behandelnde Tierart ist,
dass bereits ein Bärenschutzprojekt in den benachbarten Karnischen Alpen (Italien) aus LIFE-Mitteln finanziert wird (siehe Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage E-4065/93) und
dass eine Strategie zur langfristigen Erhaltung einer ökologisch funktionsfähigen Braunbärenpopulation im Dreiländergrenzgebiet auf ein gründliches Wissen der Lebensräume, dem jahreszeitbedingten und auch dem Individualverhalten in diesem Gebiet basiert sein muss.
  • Hält die Kommission es daher für möglich, dieses Projekt, im Hinblick auf eine mögliche finanzielle Unterstützung aus dem LIFE-Budget, einer näheren Untersuchung zu unterziehen?
  • und, wenn ja, welche weiteren Schritte sollten dafür durch die Verantwortlichen des Projektes unternommen werden?“
Am 16. März 1995 antwortet die damals zuständige EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard. Die dänische Sozialdemokratin schreibt:
 
Die Kommission wäre über nähere Einzelheiten zum Projekt dankbar.
Darüber hinaus können — da es sich beim Braunbären gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates um eine vorrangig zu behandelnde Tierart handelt — spezifische Projekte im Rahmen der LIFE-Verordnung eingereicht werden. Einzelheiten zum hierzu erforderlichen Verfahren können der LIFE-Broschüre 1995 entnommen werden. Exemplare dieser Broschüre werden der Frau Abgeordneten, dem Herrn Abgeordneten und dem Sekretariat des Parlaments zugeleitet. Vorschläge für 1995 sind von jedem Mitgliedstaat bis zum 31. März 1995 einzureichen.“
 

Die Nachfrage

 
Am 16. Dezember 1999 stellt Michl Ebner eine weitere Anfrage (E-2432/1999) mit dem Betreff „Wiederansiedelung von Wolf, Bär und Luchs“. Der SVP-Politiker:
 
Kann die Kommission mitteilen, ob in der Union derzeit konkrete Aktionen (mitfinanziert oder nicht) zur Wiederansiedelung von Wolf, Bär und Luchs durchgeführt werden, ob in der Vergangenheit Initiativen in diesem Sektor finanziert oder mitfinanziert wurden, und ob in nächster Zukunft diesbezüglich spezifische Maßnahmen ergriffen werden sollen?“
 
 
Am 11. Januar 2000 antwortet die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström im Namen der Kommission:
 
„Zahlreiche Projekte, die direkt oder indirekt die Erhaltung von Wolf, Braunbär und Luchs zum Ziele haben, sind sind seit 1988 durch das Finanzierungsinstrument LIFE-Nature und seine Vorläufer unterstützt worden. Im einzelnen waren 21 Projekte dem Wolf gewidmet, 14 dem Luchs und 17 dem Braunbär. Auf diese Projekte entfällt sicherlich der größte Teil des Finanzaufwandes der Gemeinschaft zur Erhaltung dieser Arten. Abgesehen davon haben die Mitgliedstaaten möglicherweise ähnliche oder ergänzende Maßnahmen im Rahmen anderer Gemeinschaftsfonds ergriffen. Weitere Projekte zur Erhaltung dieser Arten können künftig durch LIFE III finanziert werden, sofern ihre Qualität genügend hoch ist.“
 

Die Konvention

 
Genau das geschieht dann auch.
Im Jahr 1999 entschieden sich der Naturpark Adamello-Brenta und die Autonome Provinz Trient in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Wildtierinstitut (INFS – Instituto Nazionale per la Fauna Selvatica), im Zuge eines von der Europäischen Union mitfinanzierten Projektes zehn Bären aus Slowenien einzuführen und im Naturpark Adamello-Brenta auszuwildern. Bei den freigelassenen Tieren handelte es sich um 3 Männchen und 7 Weibchen im Alter zwischen 3 und 6 Jahren.
Die Ausgangslage für dieses Projekt war eine kleine Bärenpopulation in der Brentagruppe, bei der 1989 die letzte natürliche Reproduktion bestätigt werden konnte. Im Jahr 1997 lebten in diesem Gebiet nur noch 3 Bären. Um die Brentapopulation nicht aussterben zu lassen, wurde das Projekt „Life Ursus“ geboren. Ziel dieses Projektes ist die Wiederherstellung einer sich selbst erhaltenden natürlichen Bärenpopulation. Innerhalb von 20 - 40 Jahren sollte ein Bestand von 40 - 60 Braunbären erreicht werden.
 
 
 
Am 27. April 1999 unterzeichnen der damalige Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder und der Direktor des Naturparks Adamello-Brenta Arrigo Franceschi eine Konvention, die festlegt, wer welche Kontrollen und konkrete Maßnahmen im Falle eines Eindringens von Bären in Südtiroler Gebiet zu ergreifen hat. In der Konvention hat sich das Land Südtirol auch verpflichtet, mit der Parkverwaltung „alle Tätigkeiten zwecks Bekanntmachung der Maßnahmen für den Erhalt des Braunbären zu vereinbaren und durch die Medien, die Presse, die Organisation von Treffen und Tagungen landesweit zu fördern.
Diese Konventionen sind im Life-Ursus-Projekt vorgesehen, und deshalb schließt das Land schon wenig später eine ähnliche Konvention mit der Region Lombardei ab.
Allein: Diese Informationskampagnen wurden in Südtirol kaum umgesetzt.
 

Der Dankesbrief

 
Am 17. Jänner 2018 steht im Südtiroler Landtag ein SVP-Antrag bezüglich der Angriffe durch Wolf und Bär auf der Tagesordnung. In der hitzigen Landtagsdebatte ergreift auch Riccardo Dello Sbarba das Wort. „Capisco che le elezioni si avvicinano e qualcuno, come i colleghi che hanno firmato questa cosa, vuol dare dei segnali all'elettorato – io interpreto questo voto semplicemente così – però ricordo che c’è stato un percorso che non ha visto un atteggiamento lineare da parte della Volkspartei“, kritisiert der grüne Landtagsabgeordnete.
Dello Sbarba verweist dann auf das Einvernahmeprotokoll des Landes mit der Nachbarprovinz Trient und den dortigen Naturparks.
 
 
 
Vor allem aber zieht der grüne Landtagsabgeordnete an diesen Nachmittag einen Brief aus der Tasche. Es handelt sich um einen Dankesbrief des damaligen Präsidenten des Naturparks Adamello-Brenta, Alessandro Dalpiaz, an den EU-Parlamentarier Michl Ebner.
In dem Brief vom 4. Juni 1997 heißt es:
 
„Der Unterzeichner und der Verwaltungsrat des Parks möchten hiermit die Gelegenheit ergreifen, Ihnen für Ihren wertvollen persönlichen Beitrag zum Erfolg der Initiative zu danken. Gleichzeitig dürfen wir weiterhin um Ihre Aufmerksamkeit  (im Original: "un contributo di attenzione") ersuchen, vor allem im Hinblick auf das Gesundheitsministerium zur endgültigen Lösung der Situation.“
 
 
 
Spätestens damit wird klar, dass sich Michl Ebner in seiner Zeit als EU-Abgeordneter aktiv in Brüssel und Straßburg für die Finanzierung und Umsetzung des LIFE-Ursus-Projekts im Trentino eingesetzt hat.
 
Diese Tatsachen verschweigt man. Denn sonst würden die Kampagne und die Schwarz-Weiß-Malerei gewisser Kreise wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.
 
Jetzt, 25 Jahre später, werden dieser - vollkommen legitime - Einsatz und diese Tatsachen aber ganz bewusst verschwiegen.
Denn sonst würden die Kampagne und die Schwarz-Weiß-Malerei gewisser Kreise wie ein Kartenhaus zusammenbrechen.
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rotaderga Do., 13.04.2023 - 07:42

In jenen Zeiten gab es doch auch einen EU Parlamentarier Reinhold, oder irre ich da?
Weiters wäre interessant zu wissen, wie Bärenbraten schmeckt. Das Jägerlatein erzählt hierzu viele Geschichten.

Do., 13.04.2023 - 07:42 Permalink
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tutgutes brueder Do., 13.04.2023 - 08:23

Nun, wie Bärenbraten schmeckt kann ich auch nicht sagen, wie Bärenschinken und Bärenwurst schon. Ähnlich Wildschwein. Gibts in Slowenien zu kaufen. Fragen nach Medwedowa salama.

Do., 13.04.2023 - 08:23 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 13.04.2023 - 10:21

Es gibt einen Toten zu viel und eine Bevölkerung im Val di Sole, die sich kaum noch aus dem Haus getraut. Sollten die Herren Ebner und Messner für die Wiederansiedelung gewesen sein, dann haben sie sich wahrscheinlich auf die Expertise der Experten verlassen. Ist, wie man sieht, auch keine Garantie.

Do., 13.04.2023 - 10:21 Permalink