Umwelt | Mobilität
Allgemeinwohl versus Eigeninteresse
Foto: STA AG
„Alternativlos, will man das Ziel einer nachhaltigen Mobilität erreichen“, sagen die Befürworter, als „Grund fressendes Monsterprojekt“ wird es von den Kritikern bezeichnet, allen voran den Bauern und Grundeigentümern, über deren Strecke die neue Bahnstrasse führen soll. „Aufgeschreckt“ wurden die Landwirte als im vergangenen Jahr Techniker des italienischen Eisenbahnbetreibers RFI auf verschiedenen Grundstücken Probebohrungen vorgenommen haben, ohne die Besitzer vorab darüber zu informieren, was verständlicherweise für Unmut sorgte. Der RFI habe man zwar mitgeteilt, dass solche nicht abgesprochenen Maßnahmen nicht erwünscht seien, wie der ehemalige STA-Präsident Martin Ausserdorfer vor Kurzem Salto.bz gegenüber erklärte, offenbar wirkt der Fehlstart aber bis heute noch nach. In verschiedenen Aussendungen des Bauernbundes wie auch in persönlichen Stellungnahmen oder auch Anfragen seitens der politischen Vertreter aus den Reihen der Bauern, wie beispielsweise Josef Noggler oder auch Luis Walcher, wurde als größter Kritikpunkt immer wieder der hohe Grundverbrauch genannt. Die Runde machten dabei Angaben von: 50 Hektar, die für den Bau der neuen Trasse geopfert werden müssen, und weitere 30 bis 40 Hektar für die Errichtung der neuen Bahnstationen. Nicht einkalkuliert in diese Zahlenspiele wird allerdings die Tatsache, dass durch den Rückbau der alten Trasse wieder Grund frei wird. Wie hoch der Verbrauch letztendlich sein wird, sei derzeit noch nicht abschätzbar, wie STA-Direktor Joachim Dejaco kürzlich erklärte. Die Trassenführung werde jedoch so Grund sparend wie möglich geplant.
Um die betroffenen Gemeinden und Grundeigentümer bzw. den Bauernbund stärker einzubinden, hat das Ressort für Mobilität Ende Jänner einen Arbeitstisch eingerichtet, der sich in regelmäßigen Abständen trifft und in welchem über den aktuellen Planungsstand informiert wird. Anfang April hat die RFI die ersten Arbeitsunterlagen übermittelt, die im Rahmen des Arbeitstisches mit den Vertretern des Bauernbundes und der Gemeinden besprochen wurde. In der anschließenden Presseaussendung wurde mitgeteilt, dass die Unterlagen noch nicht den Detailgrad besitzen, der notwendig ist, um weitere Planungen in Angriff zu nehmen. In den folgenden Wochen würden die Dokumente von den Technikern des Landes und der STA begutachtet. Sobald diese erste Prüfung abgeschlossen ist, soll ein Optimierungsprozess folgen, um die bestmögliche Variante für die neue Trasse zu finden.
Die Projektierung ist noch nicht abgeschlossen, der Optimierungsprozess noch in der Vorbereitungsphase, dennoch folgte die Kritik auf dem Fuße.
„Falschinformation aus dritter Hand“
Vor rund einer Woche hat Reinhard Bauer, Gemeinderat in Meran und Referent für Mobilität der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt, auf seinem Facebook-Profil ergänzende Stellungnahme zum Dolomiten-Artikel „Großer Unmut über ‚Monsterprojekt‘“ veröffentlicht. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Aussagen einiger Bürgermeister jener Gemeinden, die an der Bahnstrecke liegen und von den Baumaßnahmen direkt betroffen sind, sondern auch auf eine Aussendung der „Arbeitsgruppe für eine attraktive und nachhaltige Bahnlinie Bozen – Meran“. Als Falsch-Informationen aus dritter Hand, gepaart mit Fehlinterpretationen und fantasievollen Ausschmückungen, die nicht der Realität entsprechen, bezeichnet Mobilitätsreferent Bauer die Informationen, die in der Aussendung der Arbeitsgruppe stehen. Darin heißt es gleich in der Einleitung: „Beim letzten Treffen des Institutionellen Tisches zeigten sich die Anwesenden entsetzt über die vorgelegten Dokumente der RFI zum zweigleisigen Ausbau der Bahnlinie Bozen Meran. Diese weisen einen völlig neuen Trassenverlauf durchs Etschtal auf, die zum größten Teil fern ab der heutigen Bahnlinie liegt und einen nicht wiedergutzumachenden Einschnitt ins Landschaftsbild des Etschtals, dessen Natur, Infrastruktur und Gegebenheiten vorsieht. Selbst Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider und STA-Direktor Joachim Dejaco sollen sich laut Aussagen einiger Anwesender sehr besorgt über das Ergebnis gezeigt haben.“
Wie Bauer erklärt, sei seines Wissens kein Mitglied besagter Arbeitsgruppe beim Treffen anwesend gewesen. Die Aussage, die sich auf den Besorgniszustand des Mobilitätslandesrates und des STA-Direktors sowie auf das Entsetzen der Anwesenden beziehen, sei frei erfunden. Landesrat Alfreider habe nicht „einsehen müssen“, dass der Abstand von zehn Metern der Trasse zur Etsch in den Planungen der RFI zu großzügig bemessen wurde, sondern er habe dies a priori festgestellt und erklärt, dass hier noch Verbesserungen vorgenommen werden müssen. Auch dass der Trassenverlauf völlig neu und zum größten Teil fernab der heutigen Bahnlinie liege, sei, so Bauer, fake news. Wie bei allen großen Projekten gebe es auch bei diesem „Jahrhundertprojekt“ Kritiker. „Wenn sich jene zu Wort melden, deren Grund und Boden davon betroffen ist und die das Projekt aus diesem Grund ablehnen, so ist das natürlich verständlich“, so Bauer, der betont, dass dieses Engagement jedoch nicht dazu führen dürfe, dass das eigene Interesse über das Gemeinwohl gestellt wird bzw. das öffentliche Interesse behindert wird. „Im Falle der Bahnlinie Bozen – Meran ist das öffentliche Interesse immens“, zeigt sich Bauer überzeugt. Die Fakten sprechen eindeutig für den zweigleisigen Ausbau der Bahnlinie und diese könne man nicht einfach wegdiskutieren.
Bei einem derart großen und einschneidenden Projekt ist es nicht möglich, dass die Umsetzung ganz ohne Konflikte über die Bühne geht.
Die Befürchtungen, vor allem vonseiten der Terlaner Bevölkerung – in Terlan ist die Verlegung des Bahnhofes aus dem Ortszentrum in die Nähe der neuen Wohnsiedlung geplant – seien nachvollziehbar. „Wir dürfen dabei aber eines nicht vergessen: Bei einem derart großen und einschneidenden Projekt ist es nicht möglich, dass die Umsetzung ganz ohne Konflikte über die Bühne geht“, so Bauer. Natürlich müsse Fläche versiegelt werden, der Vorteil liege aber auf der Hand: eine Reduktion des Autoverkehrs zwischen den Ballungszentren. Teilweise würden aber auch Argumente ins Feld geführt, die nicht mehr nachvollziehbar seien. Eine Fahrtzeit von 21 Minuten von Untermais nach Bozen einzuhalten, sei rein mit dem Bau eines zweiten Gleises ohne Begradigung einiger Abschnitte nicht möglich. Die Fahrtzeiten wiederum sind von zentraler Bedeutung im gesamten Mobilitätskonzept, mit welchem der Vinschgau mit Direktzügen an das Pustertal und die Brennerbahnlinie angebunden werden soll. „Wer sich mit seiner Forderung rein auf den zweigleisigen Ausbau der bestehenden Linie beschränkt, ist gegen dieses Projekt, weil es nur eine geringfügigere Verbesserung bringen würde und damit keine konkrete Alternative oder Konkurrenz zum Auto darstellt“, erklärt Bauer und betont, dass die Infrastruktur auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts ausgerichtet werden müsse, „dafür ist nun einmal eine Begradigung der Strecke notwendig“. Derzeit befinde sich das Projekt noch in der Planungsphase, insofern sei es nicht korrekt, das gesamte Konzept zu torpedieren. Die Bürgermeister der Anrainergemeinden sehen verständlicherweise die Vor- und Nachteile bzw. auch Schwierigkeiten, welche das Projekt für die Bürger bringt, die Steuerungsgruppe stehe jedoch hinter diesem Projekt. „Insbesondere Landesrat Alfreider ist sehr bemüht, diesem wichtigen Projekt die höchste Priorität einzuräumen. Damit beweist er seinen Anspruch, die Mobilität in ganz Südtirol zu verbessern – auch im Westen des Landes.“
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Alle reden von einem
Alle reden von einem "Monsterprojekt".
Viele schreiben auch darüber.
Aber niemand stellt die Pläne vor.
Wie soll man da verstehen, um was es geht?
Wenn die Rede von einer neuen
Wenn die Rede von einer neuen Autobahnanbindung an Meran und den Vinschgau wäre, mit einer neuen Trassenführung, wäre die Opposition auch so stark?
Erfahrungen aus der ganzen Welt zeigen, dass überall, wo es eine direkte U-Bahn- oder S-Bahn-Anbindung gibt, steigen die Grundstückpreise markant. Vielleicht sollte die neue Trasse nicht als Bodenfresser, sondern als Reichtumsverstärker dargestellt werden.
Antwort auf Wenn die Rede von einer neuen von Gianguido Piani
Ich denke, die Opposition war
Ich denke, die Opposition war schon beim Bau der MeBo laut und wirkmächtig! Diese 4-spurige Straße ist weitaus kleiner geworden, als so mancher Planer und Politiker sich das ausgedacht hatte.
Vorallem wurden die Aus/Einfahrten klein gehalten und es konnten keine Kleeblatt-Ausfahrten gebaut werden.
Würde es Pläne geben, die MeBo bis zum Reschen zu verlängern, ginge der Vinschgau auf die Barrikaden.
Selbst die Umfahrung von Rabland (Algund - Naturns) wird jetzt von einigen groß gedacht, wird aber wohl kleiner ausfallen; am Besten wäre ja eine oberflächige und relativ enge Dorfumfahrung.
Die zwei Gleise der Bahn sind sicher gewünscht und mehrheitsfähig, aber auf spezielle lokale Gegebenheiten muss Rücksicht genommen werden.
Daher sollen endlich mal die Pläne auf den Tisch!
Welche Fahrtzeit hat man denn
Welche Fahrtzeit hat man denn jetzt von Untermais nach Bozen? Und welche wäre mit zweigleisig möglich, wenn nicht die 21 Minuten von dem Projekt? Dann könnte man vergleichen.
Es geht doch wohl auch um die
Es geht doch wohl auch um die Kosten. Muss eine Zubringerbahnlinie gleich ein "Monsterprojekt" werden?
Der Zeitgewinn einer
Der Zeitgewinn einer Bahnfahrt von Bozen nach Meran, wie er sich durch die Begradigungen der derzeitigen Bahnstrecke ergeben würde, dürfte bei 4-5 Minuten liegen und erscheint mir somit als für die Nutzer nicht ausreichend bedeutsam zu sein. Meines Erachtens reicht für eine Optimierung des Bahnverkehrs die Verdoppelung der Geleise länges der bestehenden Bahntrasse.
Die für die geplante Streckenbegradigung anfallenden Kosten bedingen Einsparungen in anderen, fürs Gemeinwohl wichtigeren Bereichen.