Politik | Rom

Laborfleisch, ja oder nein?

Italiens Regierung will die Produktion von künstlichem Fleisch verbieten. Unterberger und Spagnolli finden das schade – zum Ärger von Melonis Parteikollegen Urzì.
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Foto: Provinz Trient
Seit einigen Jahren wird künstlich hergestelltes Laborfleisch als Alternative zum günstigen Massenprodukt aus Fabrikhallen gehandelt. Wie die Herstellung von Laborfleisch funktionieren könnte, haben sich diese Woche die Senator*innen der Autonomiegruppe Julia Unterberger (SVP) und Luigi Spagnolli (PD) aus Südtirol und der Trienter Pietro Patton (Campobase) in einem Forschungszentrum des Startups Brunocell in Trient angesehen.
Sie sehen darin viel Potential und sind gegen den Gesetzesentwurf der Regierung Meloni zum Verbot von Laborfleisch, der im Landwirtschaftsausschuss des Senats zur Behandlung ansteht. „Dies obwohl Laborfleisch eine gute Alternative zu herkömmlichem Fleisch sein kann, insbesondere zu Fleisch aus Massentierhaltung. Im Moment befindet sich das Projekt noch in der Planungsphase, aber das Endergebnis könnte eine Revolution im Lebensmittelsektor auslösen“, so Unterberger und Spagnolli.
 
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Zu Besuch im Forschungszentrum in Trient: v. l. Pietro Patton, Julia Unterberger und Luigi Spagnolli; (Foto: Autonomiegruppe)
 
„Es wird möglich sein, Fleisch ohne die hohen Umweltkosten, auf kleinen Flächen und mit geringerem Ressourcenverbrauch zu produzieren. Dies könnte mithelfen den weltweiten Fleischbedarf von 8 Milliarden Einwohner*innen zu decken.“ Allein Italien importierte im Jahr 2022 820.000 lebende Rinder und 325.000 Tonnen frisches und gefrorenes Fleisch. Die weltweite Tierhaltung verursacht laut Greenpeace Deutschland rund 20 Prozent der Treibhausgasemissionen und außerdem großes Tierleid. Für die Futterherstellung werden große landwirtschaftliche Flächen gebraucht, die als Regenwälder CO2 speichern oder deren Erträge als Lebensmittel dienen könnten.
Alessandro Urzì, Kammerabgeordneter der Meloni-Partei Fratelli d’Italia, kritisiert die Position von Unterberger und Spagnolli. „An einem Tisch sitzend, lächelnd, als ob sie auf ein schönes Fiorentina-Steak warten würden: Die linken Senatoren geben ein dekadentes Bild ab“, sagt der frühere Landtagsabgeordnete gegenüber der Tageszeitung. Die Regierung Meloni lehnt das Laborfleisch offenbar ab, weil es nicht den italienischen Traditionen entspricht: „Wir wollen unser Fleisch und alle hervorragenden Lebensmittel und Weine, die der ‚bel paese‘ zu bieten hat, verteidigen und schützen“, so Urzì.
 
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Regenwald, hier im australischen Nationalpark Springbrook: Da der Konsum von Fleisch weltweit steigt, werden jährlich riesige Flächen Wald für den Anbau von Futtermittel gerodet. (Foto: Waren Brasse / Unsplash)
 
„Vielleicht sollte auch Kollege Urzì dieses Forschungszentrum besuchen. Mehr Kontakt zu einem Umfeld, in dem Wissen und freies Denken gefördert werden, würde ihn in vielerlei Hinsicht erleuchten“, kontert Unterberger auf die Kritik des Kammerabgeordneten. „Er würde dann feststellen, dass sein Grundsatz ‚alles muss so bleiben wie es immer war‘ die Menschheit im Entwicklungsstadium der Steinzeit verankert hätte. Aber das nächste Mal werden wir darauf achten, ihn mitzunehmen, auch damit sein ständiger Drang nach Aufmerksamkeit befriedigt wird.“
Auch Spagnolli findet klare Worte: „Was in der Emilia geschieht, sollte jede*n dazu veranlassen, mit einem Minimum an intellektuellem Elan alles zu betrachten, was zu den Ursachen des Klimawandels beitragen kann. Die Intensivtierhaltung ist die wichtigste Form der Umweltverschmutzung, der Störung des natürlichen Gleichgewichts, die die Ursache für Pandemien ist. Aber ich weiß, dass es zu viel verlangt ist, dies von jemandem wie Urzì zu verlangen.“
Die beiden Senator*innen betonen: „Der vorgelegte Gesetzentwurf, gegen die Produktion von Laborfleisch wird nämlich nur dazu führen, dass die Forschung in Italien gestoppt wird. So wird Italien das einzige Land sein, das kein Laborfleisch selbst produziert, sondern ausschließlich aus dem Ausland importiert. Kein Land in der Europäischen Union kann nämlich die Vermarktung eines auf Gemeinschaftsebene zugelassenen Erzeugnisses blockieren, sondern nur dessen Produktion. Das wäre ein großer Schaden für die italienische Wirtschaft.“
Das Forschungszentrum von Brunocell wird in Zusammenarbeit mit der Universität Trient geführt und erhält öffentliche Gelder der Provinz.