Politik | Landtagswahlen 2023

Grüner Schwimmer

Die Südtiroler Grünen stellen heute ihren italienischen Spitzenkandidaten vor: Den Direktor des Amtes für Abfallwirtschaft Giulio Angelucci. Ein potenzieller Landesrat?
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Foto: Provincia Autonoma di Bolzano
Die Südtiroler Grünen stellen heute um 10 Uhr einen weiteren Kandidaten für ihre Landtagsliste vor. Es ist aber nicht irgendein Kandidat, sondern der Mann, der an diesem Mittwoch im Bozner Kolpinghaus vorgestellt wird, dürfte für viele eine echte Überraschung sein.
Es handelt sich nämlich um einen Spitzenbeamten aus der Landesverwaltung.
Giulio Angelucci, Direktor des Amtes für Abfallwirtschaft, wird bei den Landtagswahlen am 22. Oktober 2023 für die Grünen antreten. Brigitte Foppa & Co haben damit einen dicken Fisch an der Angel, der nicht nur die italienischen Wählerstimmen für die Ökopartei absichern soll, sondern auch einer, der in einer möglichen Regierungskoalition mit der SVP, als ein potenzieller Landesrat gelten wird.
 

Der Agronom

 
Der heute 55jährige Bozner studiert in Bologna Landwirtschaft und schließt sein Studium 1993 mit einer Diplomarbeit zum Thema Massenkommunikationssysteme und Landwirtschaft ab. Nach der Staatsprüfung arbeite er kurz in der Privatwirtschaft, bis er 1996 als Techniker im Amt für Abfallwirtschaft beginnt und schon bald zum stellvertretenden Amtsdirektor aufsteigt. Ab 2001 übernimmt Giulio Angelucci die Amtsdirektion. Sein Direktionsauftragt wurde mehrmals verlängert und läuft noch bis Anfang August 2026.
 
 
 
Angelucci gilt als absoluter Fachmann in Sachen Umwelttechnik und Abfallwirtschaft weit über Südtirol hinaus. Er hat als Techniker und Amtsdirektor die Projektierung unzähliger Kompostierungsanlagen überall im Land betreut, hat maßgeblich an der Ausarbeitung und Anwendung des Abfall-Tarifsystems im Land mitgewirkt und hat das geltende Abfallwirtschaftsgesetz und den Abfallwirtschaftsplan ausgearbeitet.
Als Amtsdirektor saß Angelucci auch in der technischen Kommission für den Bau der neuen Verbrennungsanlage in Bozen. Dieser Auftrag lässt den Amtsdirektor vor einigen Jahren in den Fokus des Komikers und M5S-Gründers Beppe Grillo geraten, der ihn bei seinem Auftritt in Bozen deshalb namentlich an den Pranger stellt.
 

Sanfte Seele

 
Giulio Angelucci ist keiner, der mit der Faust auf den Tisch haut. Der perfekt zweisprachige Amtsdirektor, der auch bestens spanisch spricht, weil er in seiner Jugend zeitweise in Argentinien aufgewachsen ist, gilt als Mann der sanften Worte. Einer, der auf die Überzeugungskraft setzt.
 
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Schwimmverband-Präsident Giulio Angelucci (2016): Bei der Ehrung für Tania Cagnotto.
 
"Er ist einer, der durch Beharrlichkeit und Detailwissen überzeugt“, sagt einer seiner Mitarbeiter im Amt. Dabei sind Angeluccis Fähigkeiten auch weit über Südtirol hinaus gefragt. So hat der Bozner Amtsdirektor beste Beziehungen zu den entsprechenden Ministerien in Rom. Zudem sitzt er im Exekutivausschuss des „Europäische Bodenbündnis (European Land and Soil Alliance, ELSA)“, dem Städte, Gemeinden und Landkreise aber auch Bundesländer, NGOs und andere Organisationen aus neun europäischen Staaten angehören. Es ist das größte europäische kommunale Netzwerk, das sich dem Schutz von Böden verschrieben hat.
Giulio Angelucci ist gleichzeitig aber auch ein begeisterter Sportler. Selbst immer noch als Schwimmer in der Master Klasse aktiv, war Angelucci von 2012 bis 2021 Präsident des Südtiroler Schwimmverbandes (Federnuoto).
 

Die Kandidatur

 
Politisch gilt Giulio Angelucci dem links-alternativen Lager zugewandt. Allein durch seine Arbeit im Umweltbereich beschäftigt sich der Amtsdirektor seit vielen Jahren mit klassischen grünen Themen. Daraus hat sich in den vergangenen Jahren auch eine politische Schnittmenge ergeben, die jetzt zur Kandidatur für die Grünen geführt hat.
Es hat eine lange Überzeugungsarbeit gebraucht“, sagt einer, der maßgeblich in die Anwerbung Angeluccis eingebunden war. Als Amtsdirektor im Land muss Giulio Angelucci bei einer möglichen Wahl in den Landtag in den politischen Wartestand gehen.
Nach Informationen von Salto.bz hat Angelucci seine politisch Vorgesetzen vorab von seiner Kandidatur informiert. Diese sollen nicht gerade amused sein. Gleichzeitig aber kann man dem Amtsdirektor keinen Vorwurf machen. Sein Stellvertreter Killian Bedin ist politisch bei den SVP-Arbeitnehmern engagiert und hat bei den Gemeindewahlen in Bozen für die Regierungspartei kandidiert.
 
 
 
 
Zudem gibt es eine Vorgeschichte: Bereits von 5 Jahren ist mit Hanspeter Staffler ein amtierender Spitzenbeamter für die Südtiroler Grünen bei den Landtagswahlen mit Erfolg angetreten. Das dürfte auch die Operation Angelucci beschleunigt haben.
Giulio Angelucci soll auf der Liste der Südtiroler Grünen zusammen mit der Schulgewerkschafterin Sabine Giunta jene Lücke füllen, die der Abgang von Riccardo Dello Sbarba aufreißt. Die Grünen wollen mit diesen starken Kandidatinnen und Kandidaten die italienischen Wählerstimmen sichern.
Ende 2023 dürfte zum ersten Mal ernsthaft eine mögliche Regierungsbeteiligung der Südtiroler Grünen im Raum stehen. Giulio Angelucci wäre dann der perfekte italienische Landesrat, etwa für Umwelt.
Außerdem könnte Ende 2023 zum ersten Mal ernsthaft eine mögliche Regierungsbeteiligung der Südtiroler Ökopartei im Raum stehen. Giulio Angelucci wäre dann der perfekte italienische Landesrat, etwa für Umwelt.
Einer, der die Landesverwaltung, das Personal und die politischen Akteure besser kennt als der Großteil möglicher Anwärterinnen und Anwärter.
 
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Josef Fulterer Mi., 24.05.2023 - 06:08

Mit Angelucci ist den GRÜNEN der Fang eines Kandidaten gelungen, der sich durch sein Verhalten und dem Fachwissen für Klima-Fragen wohltuend abhebt:
von den zu vielen Pfeifen von Rechts-Anwälten/-Verdrehern,
einfältigen Idilogie-Schreiern,
von Verbänden installierten Marionetten-Abstimmern
+ nur im Wahlkampf zur Höchstform auflaufenden Sesselwärmern, mit scheelem Blick auf die übertriebene RUHESTANDS-REGELUNG der ALT-Politiker.

Mi., 24.05.2023 - 06:08 Permalink
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Georg Peintner Fr., 26.05.2023 - 16:39

Vielleicht könnte man bitte nach mehreren Tagen auch für diesen Beitrag die ABO-Sperre aufheben (geschieht doch üblicherweise) !?
Nachdem der Artikel die politische Opposition betrifft, und diese nicht gerade mit übermäßiger medialer Präsenz in Südtirols Hauptmedium gesegnet ist, könnte das ein wichtiger Beitrag sein.

[PS. Ich selbst besitze noch kein wertvolles SALTO-Abo (unterstütze aber allerhand „Alternatives“ und hab halt bisher andere Prioritäten), aber sollte ich mich dazu entschließen, werden es gewiss nicht die Lese-Sperren sein, die mich dazu veranlassen.]

Fr., 26.05.2023 - 16:39 Permalink