Kultur | Salto Afternoon

Ada all’attacco

Ada Zapperi Zucker war letzten Dienstag Abend in der Stadtbibliothek Brixen zu Gast, begleitet von einem charmanten Videoportrait sowie Margot Mayrhofer mit Textauszügen.
Ada Zapperi Zucker Videoportrait Premiere Brixen
Foto: Privat
„Ihre Größe gefällt mir, da kann kein Mann auf Sie herabblicken.“, so wurde eingangs das erste Treffen der Schauspielerin Mayrhofer mit der 85-jährigen Gesangslehrerin, Autorin und ehemaligen Opernsängerin aus Sizilien, die mittlerweile in München lebt, kurz vor Veranstaltungsbeginn beschrieben. Die Aussage charakterisiert sie recht gut: humorvoll, weiblich und auf gewisse Weise kämpferisch. So ist die Perspektive Zapperis zusammenzufassen.
Im Mittelpunkt stand dabei das ca. halbstündige Video, welches unter Regie Karin Dureggers mit der Kamera Ruth Gebhards eingefangen wurde. Ein weibliches Team welches sich einer weiblichen Perspektive annähert also, denn wie Frau Zapperi Zucker noch im Laufe des Abends betonen sollte: „Es gibt nichts geheimnisvolleres als einen Mann.“, und lediglich Männer würden sich zutrauen aus weiblicher Perspektive zu erzählen, was Sie sich nie anmaßen würde. Mit dabei, beim Abend und auch im Porträt, Zapperis Mann Dr. Helmut Zucker, seines Zeichens Verleger beim „Verlag ohne Geld“, einem deutsch-italienischen Verlag ohne Gewinnabsichten, bei welchem die meisten Bücher aus dem umfangreichen Œuvre der Autorin erhältlich sind, wie auch einstiger Neurobiologe am Max-Planck-Institut. Am bekanntesten dürfte Ada Zapperi Zucker dem Südtiroler Publikum aber durch eine Raetia Veröffentlichung sein, „Die Katakombenschule“. Oder aber durch die Tätigkeit als Gesangslehrerin, als welche die starke Frau mit Zweitwohnsitz in Brixen auch prominente Schüler hatte. Unter anderem Gotthard Bonell, der ihr im Gegenzug das Malen beibrachte, unter anderem für die eigenen Umschlagillustrationen.
 
„Ihre Größe gefällt mir, da kann kein Mann auf Sie herabblicken.“,
 
Bevor es aber zur Premiere von „Zwischen Burg und Burgl“ (so der Titel des Portraits, welches „zeitnah“ im Programm von Rai Südtirol laufen soll) kam und nachdem allerhand einleitendes gesagt wurde, nahm Mayrhofer vor dem Publikum platz. Sie laß einen autobiographischen  Auszug aus „Singende Menschen“, sowie zwei Erzählungen aus der Sammlung Katakombenschule. In ersterer beschrieb Sie selbst ihren nicht gerade einfachen Pfad zur Musik als „die große Freundin und treue Begleiterin“, der bei ersten Gesangslehrerinnen mit Steinen im Weg begann. Die erste, die Klosterfrau Maria Marcella, erkannte zwar an, dass das junge Mädchen „eine Stimme“ besitze, machte es ihr mit körperlicher Züchtigung bei Fehlern jedoch nicht einfach. Auch empfand Zapperi zu jener Zeit „Musik als Bestrafung“, als sie nach der Schulzeit, als Mitschülerinnen frei hatten oder ihre Hausaufgaben machen konnten, zum Musikunterricht musste. Die zweite Anekdote ebenfalls ein herber Schlag, den sie jedoch wegstecken konnte, wie häufig fiel hier das Wort „stur“: Als die Familie nach Rom zog, wagte es die „Teenagerin“ bei der bekannten Gesangslehrerin Rachele Maragliano Mori vorzusingen. Deren Urteil: „Wenn du in deinem Zimmer singen willst, kann es dir niemand verbieten.“
Die nächste Gesangslehrerin in Rom Alice Jmmelen, eine ehemalige russische Prinzessin, machte es ihr auch schwer, war Ada Zapperi Zucker doch teil des „Proletariats“ und durfte weder über den kostbaren Teppich gehen, noch sich auf die wertvollen Möbel, die zum Teil noch aus der Zarenzeit stammten setzen. Einen einfachen Kinderstuhl aus Holz und Stroh lehnte die stolze Frau ab und stand lieber. Schließlich war es die vierte Lehrerin, eine junge Frau die, nach der Rückkehr nach Sizilien die Liebe zur Musik mit Nachdruck zu wecken vermochte.
Die beiden Erzählungen aus „Die Katakombenschule“ erzählten einerseits von einer Dienstmagd, die nach Sizilien zog und mehrfache Vergewaltigungen verarbeitete, wie auch von einer Italienischlehrerin zur Zeit der Option, welche im Briefwechsel mit der Mutter Sympathie für die deutschsprachigen Kinder ausspricht, denen die sprachliche Identität geraubt werde. Darin, im kundigen Blick von außen, besteht wohl die große Besonderheit von ihrem Schreiben, was auch Ferruccio Delle Cave attestiert, live und im Gespräch. Ob Ada Zapperi Zucker in seinen Augen eine Feministin sei, wird der Literaturwissenschaftler von Abseits der Kamera gefragt, seine Antwort darauf fällt diplomatisch aus, er sehe das weibliche Engagement der Schriftstellerin weniger akademisch und mehr empathisch.
 
Ada Zapperi Zucker
Ada Zapperi Zucker: Die Autorin und Gesangslehrerin ist gerade menschlich ein großer Gewinn. | Foto: Remo.cas auf Wikipedia (CC BY-Sa 4.0)
 
Das Porträt der Frau im Unruhestand baut sich im wesentlichen aber um einen Hausbesuch auf, bei dem einiges zwar - charmant - gespielt wirkt, anderes jedoch mit Sicherheit vom Skript abweicht, wie etwa die Plänkeleien mit dem eigenen Mann. Hier präsentiert sich uns Frau Zapperi Zucker nicht, sie zeigt sich uns. Der Film hat seine Schwerpunkte auch mehr bei der Opernvergangenheit und Gesangstätigkeit, als er es bei der schriftstellerischen Tätigkeit hätte, trotz eines in Auszügen sprechenden wohlgesinnten Delle Cave, der in ihren Büchern schon mal ein Nachwort zeichnet.
Es folgten diverse Opernrollen, die von Nizza aus an namhafte Häuser, etwa in Wien führten, wo sich Zapperi Zucker besonders an ihre Rolle im „Figaro“ erinnerte. Sie gab die Widerspenstige und erzählte lachend davon, wie sie dem Titelhelden auf der Bühne eine Ohrfeige verpassen konnte. In der Fotographie von der Aussöhnung auf der Bühne lässt dann der hintersinnige Blick der Darstellerin schmunzeln. Der Widerspenstigen Zähmung scheint in diesem Fall (zu unser aller Glück) misslungen zu sein. Von den Filmemacherinnen darauf angesprochen, wie es ihr mit diesen Fotos ginge, gibt die alte Dame zu verstehen, dass diese „Boheme“ und somit eine andere Person seien. „Die bin ich nicht mehr.“ So erklären sich vielleicht auch die „Ooohs“ und „Aaahs“, die von ihr im Laufe der Vorstellung zu hören sind, wenn Sie Fotographien von sich selbst hinter dem sich öffnenden Vorhang des Meraner Kurhauses erspäht.
 
„Wenn du in deinem Zimmer singen willst, kann es dir niemand verbieten.“
 
Am Penserjoch hatte die Frau ein Aha-Erlebnis gehabt und sich in Südtirol verliebt, auf Urlaub mit ihrem Mann, so dass sie nun hier, in Brixen um genauer zu sein, eine kleine Zweitwohnung besitzt. Hier her kommen ihre Gesangs-Schüler:innen und ja, auch ihre Geschichten, von welchen sie meint, dass sie ihr sehr oft zugetragen werden.
Im Haus der Frau, neben Gesangs-Übungen und Wandklavier, mit mehrfach energischem „all’attacco!“ in Richtung der Schüler:innen, auch viele „cose inutili“, nutzlose Dinge, welche Geschichten erzählen: um Fernet und Jägermeister zahllose Gläser, Tassen, anderes Geschirr und Staubfänger, wie auch eine umfangreiche Sektion im Bücherregal zu Südtirol im 20. Jahrhundert. Gegen Ende eine altbekannte Sorge, zutiefst menschlich und eine unerwartete, ebenso menschliche: Ausgangs fragt sich Zapperi Zucker, was mit all den sprechenden, nutzlosen Dingen und ihren Büchern geschehen soll, wenn sie einmal nicht mehr ist. Das letzte Hemd hat keine Taschen. Dann, nach Ablauf des Films, welcher die Dame tief gerührt hat, ihr überraschender Kommentar: „Ich wusste nicht, dass ich als Lehrerin so ein Biest bin. Wie halten meine Schüler das nur aus? Ich wäre sofort weggerannt, wenn ich eine Lehrerin wie mich gehabt hätte…“ Direkt und herzlich, mit einer guten Portion Selbstironie, so ist diese Tausendsassa, die man nach Möglichkeit kennen lernen sollte.
 
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Michael Pernter Mi., 31.05.2023 - 08:52

So viele Fehler wie in "Ada all'attacco" sind mir bei euch noch nie untergekommen! Lässt der Autor nicht wenigstens das Fehlerbehebungsprogramm darüberlaufen, wenn er es nicht selbst sieht?

Mi., 31.05.2023 - 08:52 Permalink