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Tag gegen Sexualisierte Kriegsgewalt

Geschlechtsspezifische Gewalt als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Noch immer werden Kriege vorwiegend auf den Körpern von Frauen ausgeführt.
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Foto: Filip Andrejevic / Unsplash

Der 19. Juni ist Internationaler Tag gegen Sexualisierte Kriegsgewalt, 2015 von der UN-Generalversammlung eingeführt: eine Maßnahme der Internationalen Gemeinschaft, um mit einem großen Tabu zu brechen und diese Form geschlechtsspezifischer Gewalt als Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erklären. Leider hat sich das nur als symbolischer Akt bewährt, denn 8 Jahre später, am 19. Juni 2023, herrschen nicht nur zahlreiche Kriege, sondern zahlen Frauen weiterhin einen hohen Preis.

Sexualisierte Kriegsgewalt gegen Frauen und Mädchen, ausgeübt von männlichen Tätern wie Soldaten, Ordnungskräften und Zivilisten, kommt seit jeher auf der ganzen Welt vor. Einige Beispiele? Der Konflikt in Serbien/Bosnien (20.000 registrierte Fälle, viele davon in Vergewaltigungslagern, um sicherzustellen, dass eventuelle Schwangerschaften auch ausgetragen wurden), Massenvergewaltigungen in lateinamerikanischen Diktaturen und Zivilkriege in Afrika, der Genozid der Tutsi in Rwanda (über 250.000 vergewaltigte Frauen in 100 Tagen: Viele sind seitdem HIV-positiv), die fortdauernde sexualisierte Kriegsgewalt von birmanischen Soldaten an Zehntausenden muslimischen Frauen und Mädchen im westlichen Myanmar an der Rohingya-Minderheit zur ethischen Reinigung, aber auch die aktuellen Verbrechen russischer Soldaten in der Ukraine. Es mögen sich die Zeiten ändern, die Akteure, die Länder. Doch gleich bleibt die Tatsache, dass Kriege vorwiegend auf den Körpern von Frauen ausgeführt werden, durch Vergewaltigungen. Und zwar nicht aus Lust, sondern als Ausdruck patriarchalen Dominanzverhaltens.

Ist sexualisierte Gewalt bereits in Friedenszeiten Alltagserfahrung für zahlreiche Mädchen und Frauen, wird diese in Kriegszeiten gezielt als strategische Kriegswaffe eingesetzt: Sie dient der Bestätigung männlicher Überlegenheit, der Demütigung der Gegner (die „ihre“ Frauen nicht schützen können), der ethischen Ersetzung, der exemplarischen und möglichst brutalen Ermordung, der Unterdrückung, der Spaltung. Insofern ist die sexualisierte Gewalt im Krieg nicht „nur“ die individuelle Erfahrung der Betroffenen, obwohl diese natürlich die entsprechenden Folgen tragen: physisch (Geschlechtskrankheiten und ungewollte Schwangerschaften), psychisch (Trauma, Angst, Scham- und Schuldgefühle) und gesellschaftlich (Ausgrenzung und Stigmatisierung). Die Tragweite auf gesellschaftlicher Ebene geht weit über den bewaffneten Konflikt hinaus und ist kaum ermessbar. Es gibt wenige konkrete Ansätze, um aktuelle sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen und vergangene Verbrechen dieser Art anzuerkennen, aufzuarbeiten und zu bestrafen. Dabei ist dieser Schritt unerlässlich, um tatsächlich mit dem Tabu zu brechen und Veränderung einzuleiten.

Was dem im Wege steht? Verquere patriarchale Machtstrukturen, die den Kreislauf sexualisierter Gewalt ermöglichen und sogar fördern: Diskriminierung und Gewalt in Friedenszeiten erfährt in Kriegszeiten eine erhebliche Steigerung. In Nachkriegsgesellschaften wird das Erlebte totgeschwiegen und Gewaltstrukturen werden fortgeführt, so festigen sich die Voraussetzungen für weitere Diskriminierung und Gewalt …

Es gibt eine lange Reihe von frauenspezifischen Internationalen Tagen: der Internationale Frauenrechtstag, der Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung, der Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der Aktionstag für Frauengesundheit, der Mädchentag, der Equal Pay Day. Wie wäre es damit, endlich die frauenfeindlichen Strukturen an der Basis unserer Gesellschaft zu erkennen und systematisch aufzubrechen, statt dieser langen Liste von Aktionstagen immer weitere Tage hinzuzufügen?