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„Speck aus Laborfleisch“

Beschlussantrag von Fratelli d’Italia zum Verbot von Fleisch aus der Petrischale: Wie die SVP dem möglichen Koalitionspartner galant den Wind aus den Segeln nimmt.
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Foto: Os. Stimpfl
„Unser Land hat ein enormes Problem mit Innovation“, erklärte die Nobelpreisträgerin und Pharmakologin Elena Cattaneo kürzlich im italienischen Fernsehen Rai 3. Das hindert die Senatorin auf Lebenszeit und Mitglied der Autonomiefraktion nicht daran, diese Woche eine Tagung zum Thema Laborfleisch in Rom abzuhalten. Doch die Reaktion auf der Seite der Konservativen blieb nicht lange aus: Genau diese Woche brachte der Landtagsabgeordnete der Fratelli d’Italia, Marco Galateo, einen Beschlussantrag in den Südtiroler Landtag ein, der die Gesetzesinitiative der römischen Regierung zum Verbot von Laborfleisch unterstützt.
 
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Speck: In Zukunft könnte Laborfleisch die ganze Lebensmittelindustrie umkrempeln. (Foto: Pixabay / RitaE)
 
Während die Süd-Tiroler Freiheit und Peter Faistnauer (Perspektiven Für Südtirol) das Verbot im Plenum begrüßten, äußerten sich Vertreter*innen der Freiheitlichen, der Fünf Sterne, des PD, der Grünen und vom Team K kritisch. Der Antrag sei populistisch, so etwa Sandro Repetto vom PD. Auch innerhalb der SVP sorgte der Beschlussantrag für Diskussion - schließlich will man den möglichen Koalitionspartner der nächsten Legislaturperiode nicht vergraulen. Gleichzeitig steht der liberale Flügel der SVP innovativen Entwicklungen wie dem Laborfleisch offen gegenüber.
 
Julia Unterberger
Julia Unterberger: „Expert*innen gehen davon aus, dass 2040 30 Prozent der herkömmlichen Fleischproduktion mit Laborfleisch und weitere 30 Prozent mit veganen Produkten ersetzt werden. (Foto: privat)
 
SVP-Senatorin Julia Unterberger tauschte sich im Vorfeld der Landtagsdebatte mit Landeshauptmann Arno Kompatscher aus. „Er weiß schon lange, dass ich mich sehr für Laborfleisch einsetze, weil ich es für eine vielversprechende Erfindung halte, die eine Revolution im Lebensmittelsektor auslösen wird.“ Ebenso Landwirtschaftslandesrat Schuler und Kompatscher ging der Beschlussantrag zum Verbot der Herstellung und Vermarktung im Labor kultivierter Lebens- und Futtermittel zu weit.
„Es wäre peinlich gewesen, wenn der Südtiroler Landtag das offiziell unterstützt hätte“, so die Parlamentarierin in Rom im Nachhinein. Nach intensiven Verhandlungen mit Fratelli d’Italia einigte sich die SVP auf einen Beschluss, der eigentlich nicht viel aussagt: Die Landwirtschaft, Wissenschaft und Lehre sollen Initiativen voranbringen, die sowohl die Aufmerksamkeit auf die Nahrungsmittel aus dem Labor als auch auf regionales Fleisch lenken. Die Initiative für das nationale Verbot von Laborfleisch hatte der italienische Bauernverband Coldiretti ergriffen, auch die Landwirtschaftsvertreter in der SVP-Landtagsfraktion stehen der Erfindung skeptisch gegenüber.
 

Die Sicht der Tierschützerin

 
Das kann Unterberger wenig nachvollziehen: „Das Laborfleisch soll eine Alternative zum Billigfleisch werden, auch wenn es heute noch nicht marktreif ist. Das betrifft die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Südtirol nicht, wo noch eine artgerechte Haltung möglich ist. Ich verstehe nicht, dass die Südtiroler Bauern das als Bedrohung empfinden. Es ist eine Riesenchance für sie.“
Auch die Südtiroler Speckindustrie, die auf Tier- und Fleischimporte aus der Massentierhaltung angewiesen ist, könnte aus ihren Augen davon profitieren: „Irgendwann wird es hoffentlich auch Speck aus Laborfleisch geben.“ Zudem müsse es im Interesse der Landwirtschaft liegen, auf klimafreundliche Technologien wie die im Labor kultivierte Fleischerzeugung zu setzen. „Denn je mehr der Klimawandel voranschreitet, desto höher ist das Risiko, dass es auch in Südtirol Ernteausfälle wegen Starkregen oder Dürren geben wird“, erklärt Unterberger.
 
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Der Beschlussantrag von Fratelli d'Italia: Ursprünglich wollte Marco Galateo seinen Parteikolleg*innen in Rom Rückenwind aus dem Südtiroler Landtag sichern. (Foto: Seehauserfoto)
 
„Italien ist weltweit das einzige Land, das Laborfleisch verbietet. Die meisten anderen Länder investieren in die Forschung und bereiten sich auf die Produktion vor, die Schweiz etwa hat bereits Fabrikhallen dafür reserviert“, so Unterberger. „Nur die rechte Regierung in Italien will ihre Duftmarken setzen, um zu kaschieren, dass sie ihre außenpolitischen Ankündigungen im Wahlkampf nicht erfüllt, wie die zahme und salonfähige Meloni zeigt. Innenpolitisch setzen sie umso mehr auf Identitätspolitik, im Fall des Laborfleisches ist das reine Propaganda. Denn sie haben etwas verboten, was es noch gar nicht gibt. Laborfleisch ist in der EU noch nicht zugelassen, es liegen auch noch keine Anträge bei der europäischen Lebensmittelbehörde vor. Sollte die EU in den nächsten Jahren dafür grünes Licht geben, dann kann Italien aber rechtlich dagegen gar nicht vorgehen.“
 

Lebensmittel der Zukunft

 
„Wahrscheinlich kann bei der Herstellung von Laborfleisch im Gegensatz zur industriellen Massentierhaltung auf Antibiotika, Medikamente und andere Schadstoffe verzichtet werden. Auch die totale Ausbeutung der Tiere würde endlich wegfallen. Expert*innen gehen davon aus, dass 2040 30 Prozent der herkömmlichen Fleischproduktion mit Laborfleisch und weitere 30 Prozent mit veganen Produkten ersetzt werden. Denn der Fleischkonsum von heute kann so nicht mehr weitergehen“, sagt Unterberger.