Politik | Fritto misto

Ritter von der populistischen Gestalt

Kaum ist die Algunder Farce einigermaßen ausgestanden, feuert sie Harald Stauder wieder an. Warum?
Jetzt, wo die Gemeinde Algund sich endlich dazu durchgerungen hat, das Burschenschaftstreffen abzusagen, und zittert, weil Schadensersatzforderungen ins Haus stehen könnten (die man gewiss nicht befürchten müsste, hätte man prompt reagiert), da biegt mit einer Portion Gratismut der Lananer Bürgermeister Harald Stauder ums (rechte) Eck und lässt wissen, dass er das umstrittene Treffen in seiner Gemeinde nicht abgesagt hätte - zumindest nicht aus ideologischen Gründen. „Wenn man von ganz rechts nach ganz links geht, innerhalb der zugelassenen Vereine und Verbände, dann sollte man Veranstaltungen doch ermöglichen”, zitiert ihn Rai Südtirol. Leider könne er da jetzt aber doch nicht aushelfen, weil das Lananer Raiffeisenhaus zum betreffenden Datum bereits vergeben sei.
 
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Harald Stauder: Ideologische Bedenken nicht ausreichend um Burschenschaften auszuladen. (Foto: SVP)
 
So ein Pech aber auch. Die Burschenschaften, die zwar nicht verboten sind, in Deutschland aber vom Verfassungsschutz beobachtet werden, weil sich immer wieder Rechtsradikale unter ihren Mitgliedern finden (soviel zur Ausrede, man könne seine Gäste nicht auf ihre Gesinnung checken), sind gewiss gerührt, dass sich da ein Kämpfer für die Meinungsfreiheit wie der stets adrett und souverän auftretende Benimm-Experte für sie ins Zeug legt.
Es ist lupenreiner AfD-Sprech.
Gelassen nippt er einmal wöchentlich auf stol.it an seinem Espresso und tut dazu mit weltmännischem Habitus seine 50 Cent zu Themen, die seiner Ansicht nach das Volk bewegen, kund: Betitelt Klimaaktivisten als „Panikpropheten“, tadelt jene in der „sozialen Hängematte“, plädiert für einen gesunden Patriotismus und pocht darauf, dass sich Kinder weiterhin zu Fasching als Indianer verkleiden dürfen und eine Burggräfler Konditorei weiterhin ihre mit klischeehaft-rassistischen Konterfeis versehenen Faschingskrapfen („mit Gesichtern aus anderen Kulturkreisen geziert“) verkaufen darf – obwohl dies natürlich nie jemand verboten hat.
 
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Das Algunder Vereinshaus: Hier hätte das Treffen der Burschenschafter stattfinden sollen. (Foto: Thalguterhaus)
 
„Betreutes Denken“, Bevormundung durch die Politik, moralische Belehrungen sind ihm ein Gräuel, doch dabei übersieht der gelernte Diplomat, der Mitbürger*innen bei kleineren Vergehen gern zur Buße in sein Büro vorlädt, dass er es ist, der da energisch mit dem Zeigefinger wachtelt. Es ist lupenreiner AfD-Sprech, den er bedient, sieht er sich doch als wackeren Fürsprecher der „normalen“ Bürger*innen, die sich in ihrer Welt zunehmend von Genderstern, political correctness und Sozialschmarotzern bedroht fühlen. Stauder ist der bildungsbürgerliche Schutzheilige der Südtiroler „Das wird man wohl noch sagen dürfen!“-Fraktion, er ist so, wie ein Josef Unterholzner in seinen Träumen wohl gern wäre: ein Populist, aber mit Eloquenz und Argumenten. 
Weiters steht es ihm nach wie vor frei, die Burschenschaften nach Lana einzuladen, sollte es ihm wirklich ein Anliegen sein.
Im Herbst tritt er zum zweiten Mal bei den Landtagswahlen an und wird bis dahin sicherlich noch einige Beiträge abliefern, die den Applaus der zunehmend vom Zeitgeist verwirrten konservativen Wählerschaft suchen und auch finden („Bravo Harald, endlich soggs mol uaner!“ die reflexhaft-typische Reaktion seiner Anhänger*innen). Die medial erfolgte Belehrung der Algunder Amtskollegen darf als nichts anderes verstanden werden: Ginge es Stauder wirklich um die vorgeschobene Meinungsfreiheit (die dort aufhört, wo die Rechte anderer verletzt werden, was er als Gentleman gewiss weiß), hätte er sich viel früher in die Debatte einbringen können. Zeit dafür gab es ja wirklich genug. Weiters steht es ihm nach wie vor frei, die Burschenschaften nach Lana einzuladen, sollte es ihm wirklich ein Anliegen sein: Das Völlaner Vereinshaus ist zwar kleiner als das Raiffeisenhaus, aber bestimmt zum Termin frei und mit etwas Improvisationstalent den Burschen-Bedürfnissen anpassbar. Daher: Nur zu!  Andernfalls könnte man noch auf die Idee kommen, die Aktion sei nichts anderes als ein billiger Wahlkampf-Gag: auf Kosten der ohnehin schon mitgenommenen Algunder Gemeinde. Gute Manieren wären das nicht.