Wirtschaft | Tourismus

„Eine solche Entwicklung wäre fatal“

Die Meinungen darüber, wohin sich der Tourismus entwickeln soll, gehen momentan auseinander. Zu viel Reglementierung? Zu wenig? Und was ist mit dem Ausverkauf der Hotels?
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Foto: Othmar Seehauser
Der Tourismus-Experte Thomas Aichner äußerte sich kürzlich kritisch zu den seiner Meinung nach überzogenen Extrem-Positionen zum Thema Tourismus – Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer forderte einen Werbestopp, um dem Ausverkauf der geschlossenen Höfe Einhalt zu gebieten, der Landtagsabgeordnete Thomas Widmann sprach in Bezug auf den Bettenstopp von Planwirtschaft. Aichner forderte in seiner Stellungnahme allerdings auch eine stärkere Reglementierung vonseiten der Politik auf diesen wichtigen Wirtschaftszweig, denn das Prinzip des immer mehr, immer weiter und immer höher würde letztendlich den einheimischen Betrieben selbst schaden und sie in eine gefährliche Schuldenfalle führen. Leichte Beute für ausländische Investoren, die sich in Südtirol einkaufen wollen.
 
 
Heute fühlt sich jeder berufen, etwas zum Tourismus zu sagen, ganz gleich, ob es unsinnig und unklug ist, wie die Forderung nach einem Werbe-Stopp. Das sind eben die Auswüchse des Wahlkampfs.
 
 
Die Vertreter des Tourismus selbst – der SVP-Landtagsabgeordnete und HGV-Bezirksobmann des Eisacktales, Helmut Tauber, sowie Tourismuslandesrat Arnold Schuler – verweisen auf die im Landestourismusentwicklungskonzept bereits festgeschriebenen Maßnahmen, die den Tourismus in eine nachhaltigere Richtung lenken und „feindliche Übernahmen“ verhindern sollen. „Leider wird dieser Masterplan in der öffentlichen Diskussion nur auf den sogenannten Bettenstopp reduziert“, so Landesrat Schuler. Der Plan sei aber weit mehr als das: Er enthalte viele weitere Maßnahmen, die auf eine nachhaltigere Entwicklung abzielen, wie beispielsweise das eigene Nachhaltigkeitslabel, das vor Kurzem eingeführt worden war. Zudem habe man sehr wohl, konkrete Themenbereiche bestimmt, welche beispielhaft für Südtirol stehen sollen. Vor allem das Thema Genuss und die regionalen Produkte seien dabei zentrale Themen, die man in den kommenden Jahren in den Fokus rücken möchte.
„Ich hatte bereits das Vergnügen, viele Interviews auf nationaler und internationaler Ebene in Bezug auf den Bettenstopp geben zu dürfen“, so Tourismuslandesrat Schuler, der betont, dass dieses Gesetz, mit welchem eine landesweite Obergrenze eingeführt worden sei, eine Besonderheit darstelle, und zwar in dem Sinn, dass die Politik damit stark in diesen für Südtirol wichtigen Wirtschaftszweig eingreift. Auch wenn es unterschiedliche Interpretationen dazu gebe, so sei es doch eine Tatsache, dass die Bettenanzahl auf den Stand von 2019 eingefroren wurde. Davon ausgenommen seien nur die erworbenen Rechte, welche aber ebenfalls auf vier Jahre limitiert worden seien.
 
 
 
Arnold Schuler
Landesrat Arnold Schuler, zuständig unter anderem für das Ressort Tourismus: „Leider wird das Landestourismusentwicklungskonzept in der öffentlichen Diskussion nur auf den sogenannten Bettenstopp reduziert.“ (Foto: LPA)
 
 
Angesprochen auf die verschiedenen Wortmeldungen, die Forderung nach einer stärkeren Reglementierung und einer nachhaltigen Strategie, erklärt Helmut Tauber, Landtagsabgeordneter und Tourismus-Fachmann, dass die Landesregierung das Landestourismusentwicklungskonzept im Dezember 2021 genehmigt habe. „Die damalige Zusammensetzung der Landesregierung dürfte bekannt sein.“ Zum Dokument selbst, das die Grundlage für den sogenannten Bettenstopp war, könne man stehen, wie man wolle. Ganz sicher könne man aber nicht sagen, dass es darin an klaren Strategien, Visionen und Zahlen fehlen würde. „Ich selbst teile im Übrigen die Grundausrichtung des Landestourismusentwicklungskonzepts, den Tourismus noch stärker auf Nachhaltigkeit, Qualität und Wertschöpfung auszurichten und gewisse Fehlentwicklungen – Stichworte Hotspots, Verkehrsbelastung, Vermietung privaten Wohnraums – zu korrigieren. Allerdings habe ich von Beginn an auch gesagt, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Gastbetriebe nicht von vornherein massiv eingeschränkt oder gar unterbunden werden darf. Genau hier hatte ich die größte Mühe, dagegen anzukämpfen, dass nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird“, so Tauber, der betont, dass er dabei leider oft allein auf weiter Flur gestanden habe.
 
 
 
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Helmut Tauber, SVP-Landtagsabgeordneter und Tourismus-Fachmann: „Ich selbst teile im Übrigen die Grundausrichtung des Landestourismusentwicklungskonzepts, den Tourismus noch stärker auf Nachhaltigkeit, Qualität und Wertschöpfung auszurichten und gewisse Fehlentwicklungen – Stichworte Hotspots, Verkehrsbelastung, Vermietung privaten Wohnraums – zu korrigieren."  (Foto: Privat)
 
 
Das ursprünglich angedachte Regelwerk zum Bettenstopp habe so aber korrigiert und etwas abgefedert werden können. „Das war aber ein harter Kampf, den ich wie gesagt großteils alleine führen musste. Heute fühlt sich jeder berufen, etwas zum Tourismus zu sagen, ganz gleich, ob es unsinnig und unklug ist, wie die Forderung nach einem Werbe-Stopp. Das sind eben die Auswüchse des Wahlkampfs.“ Was Aichners Plädoyer für einen nachhaltigen Tourismus und seine Forderung nach einer klaren Strategie betrifft, erklärt Tauber, dass die Entwicklung bereits in diese Richtung gehe. Nachhaltigkeit und Regionalität seien zwei der großen Megatrends, mit denen sich das Gastgewerbe und der Tourismus auseinandersetzen müssen und das bereits erfolgreich tun. Selbstverständlich gebe es aber noch viel Potential. Das Gastgewerbe und der Tourismus seien hier aber bereits viel weiter als andere Sektoren. Dies werde leider oft zu wenig gesehen. „In Südtirol wird gerne so getan, als sei jedes Hotel ein Wellnesstempel. Dabei haben nur etwa 50 Prozent der Beherbergungsbetriebe überhaupt ein Schwimmbad. Es läuft aber alles in die Richtung eines nachhaltigen Tourismus. Südtirol hebt sich hier von anderen Destinationen bereits deutlich ab“, so Tauber.
 
 

Südtirol ist uninteressant

 
Was die angeblichen Hotelverkäufe an ausländische Investoren betrifft, erklärte Landesrat Schuler, dass die Obergrenze eines Betriebes auch aus diesem Gedanken heraus auf 150 Betten limitiert wurde. Für Spekulanten seien Südtiroler Hotel-Betriebe nämlich erst ab einer bestimmten Größe interessant, und davon gebe es in Südtirol nur wenige. Jene kleinen Familien geführten Hotels, die für Südtirol kennzeichnend sind, seien für ausländische Investoren nicht attraktiv. Anders als im Nachbarland Tirol, wo eine ganze Reihe von Betrieben den Besitzer gewechselt hat, gebe es in Südtirol nur Einzelfälle, „und wir hoffen, dass das auch so bleibt, denn eine solche Entwicklung wäre fatal für unser Land“, so Schuler. Auf die Gerüchte angesprochen, dass sich Investoren längst eingekauft haben, erklärte der Tourismuslandesrat, dass dies im Falle von Betrieben mit einer Gesellschaftsstruktur durchaus sein könne. Informationen oder gar Zahlen gebe es dazu allerdings keine.
 
 
Wenn man so will, dann sind das Landestourismusentwicklungskonzept und die diesbezügliche normative Umsetzung also auch ein Regelwerk gegen den Ausverkauf der Heimat.
 
 
An die Öffentlichkeit gelangen solche Übernahmen nur, wenn es sich nicht nur um eine Teilhaberschaft handelt, sondern der gesamte Betrieb den Besitzer gewechselt hat. Derartige Fälle wollte man jedoch, wie bereits erwähnt, mit der Festlegung der Betriebsobergrenze verhindern. Der Tourismus-Fachmann Helmut Tauber stuft die Gefahr von Hotel-Übernahmen durch ausländische Investoren als relativ gering ein und schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Landesrat Schuler: Kleinstrukturierte Betriebe seien uninteressant. „Investoren von außen suchen in der Regel Betriebe mit anderen Dimensionen. Und auch wenn solche Investoren sich in Südtirol einkaufen würden, dann müssen sich diese mit dem relativ strengen Regelwerk im Gastgewerbe auseinandersetzen, insbesondere den neuen Bestimmungen, die in Folge des Landestourismusentwicklungskonzepts geschaffen worden sind. Wenn man so will, dann sind das Landestourismusentwicklungskonzept und die diesbezügliche normative Umsetzung also auch ein Regelwerk gegen den Ausverkauf der Heimat. Ein solches Regelwerk gibt es in der Landwirtschaft – zumindest wenn man an die Aussagen von Landesrätin Hochgruber Kuenzer denkt – anscheinend noch nicht“, so Tauber.
 
 
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Josef Fulterer Di., 01.08.2023 - 06:32

Tauber, Pinzger & COs. müssen sich sagen lassen, dass es nicht nur beim Klima die Kipp-Punkte gibt (... das Wetter vom heurigen Sommer zeigt bedrohend an, dass die Natur Fieber hat), zu denen übrigend der Tourismus sehr leichtfertig mit-heizt.
Wenn die Plagen der Bevölkerung (Stau auf den Straßen, teure Geschäfte, un-bezahlbares Wohnen, Trinkwasser-Knappheit, überrannte Sehenswürdigkeiten + Berge usw.) sich noch verschlimmern, wird ein zunehmend größerer Anteil der Bevölkerung, der "vom viel-gelobten Tourismus nur die Nachteile erdulden muss, den Gästen mit spür-bar ab-lehnender Feind-Seligkeit begegnen.

Di., 01.08.2023 - 06:32 Permalink
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Walter Kircher Di., 01.08.2023 - 11:10

Tourismusgeschehen (Ethik) erfordert nach wie vor angewandten Hausverstand! - Augenmaß, Respekt und Gemeinsinn für ein gutes Leben im gemeinsamen, öffentlichen Raum - für Einwohner und Gäste...

Di., 01.08.2023 - 11:10 Permalink