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Dolomiten ist nicht Italien

Der Athesia-Verlag verletzt immer wieder die gesetzlichen Bestimmungen der Veröffentlichungspflicht für politische Umfragen. Doch passieren wird - wie immer - nichts.
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Foto: dolomiten
Medial ist es auf jeden Fall mehr als nur ein Hingucker.
Die Tageszeitung Dolomiten veröffentlicht ab Donnerstag eine politische Meinungsumfrage zu den Landtagswahlen. In der ersten Folge wird heute die sogenannte Sonntagsfrage gestellt. Welche Partei würden Sie wählen, wenn heute Landtagswahlen wären? Am Freitag sollen die Wählerflüsse analysiert und das Potenzial der einzelnen Parteien abgefragt werden.
Perfekt getimt dann für die Wochenendausgabe Folge 3: „Der Widmann-Faktor“.
Die Dolomiten-Umfrage wurde vom Meinungsforschungsinstitut „Insa Consulere“ aus Erfurt gemacht. Dazu wurden zwischen dem 20. Juni und dem 25. Juli 1.000 Südtirolerinnen und Südtiroler befragt. Am 20. Juli 2023 gab der langjährige SVP-Politiker Thomas Widmann sein Antreten mit einer eigenen Liste bekannt.
Ein Schelm, wer da an einen Zufall glaubt.
 

Die Umfragen

 
Interessant aber ist auch ein anderer, rechtlicher Aspekt dieser Umfrage.
Am 22. Februar 2000 verabschiedete das Parlament das Gesetz Nr. 28, besser bekannt unter dem Namen „par condicio“.
Dieses Gesetz regelt auch die Veröffentlichung von Meinungsumfragen in Italien. Demnach muss jedes Medium, das die Ergebnisse von Meinungsumfragen publiziert, seinen Lesern und Leserinnen Auskunft über Auftraggeber, durchführendes Institut und ein paar Eckdaten zur Methode zu geben.
Zudem muss jede Umfrage vorab bei einer eigenen Behörde angemeldet werden, die beim Ministerratspräsidium angesiedelt ist. Genauer gesagt beim „Dipartimento per l´Informazione e l´Editoria“. Jenes Amt, das über die Förderung der Minderheitenzeitungen der „Athesia Druck GmbH“ für die Dolomiten jährlich rund 6,3 Millionen Euro überweist.
 
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Medienkoloss Athesia: Gesetz gilt in Südtirol anscheinend nicht für alle.
 
 
Das Staatsgesetz sieht vor, dass das Medium, das die Umfrage veröffentlicht, das durchführende Institut darauf hinweist, dass genaue Angaben zur Methodik auf der entsprechenden Internet-Seite des Ministerratspräsidiums (http://www.sondaggipoliticoelettorali.it) zu hinterlegen sind. Dabei sind Auftraggeber, Methodik, die Anzahl der befragten Personen, die genaue Beschaffenheit der Stichprobe, die genaue Zeitspanne, wann die Umfrage durchgeführt wurde und auch das Publikationsdatum anzugeben. Doch dem nicht genug. Es muss auch der genaue Wortlaut der Fragen hinterlegt werden.
Alle diese Daten werden auf der Internetseite der Behörde publiziert, so dass jeder User auf sie zugreifen kann.
Es ist eine Bestimmung, die für größtmögliche Transparenz sorgen soll.
 

Illegale Athesia?

 
Verständlicherweise halten sich alle Südtiroler Medien an diese Regelung. So hat etwa das Bozner Meinungsforschungsinstitut „apollis“ im Jänner 2016 im Auftrag des Südtiroler Heimatbundes eine Umfrage zur Südtirolautonomie gemacht, deren Ergebnisse dann auf der Onlineplattform „unsertirol24.com“ veröffentlicht wurden. Auch diese Umfrage findet man genauso detailliert, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, auf der Internetseite. Ebenso drei Meinungsumfragen, die „apollis“ für die Südtiroler Wochenzeitung FF zu den Landtagswahlen 2013 gemacht hatte. Oder auch das Politbarometer der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ), das periodische veröffentlicht wird. Seit 2012 gibt es insgesamt 12 politische Umfragen, die in dieses Register eingetragen sind. Die bisher letzte ist das SWZ-Politbarometer vom April 2023.
 
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Veröffentlichung der SWZ-Umfrage: Alle Fragen angeben.
 
 
Doch das Gesetz ist anscheinend nicht für alle gleich.
Denn der große Athesia-Verlag schert sich um diese gesetzliche Regelung. So hat bereits 2018 das Linzer Meinungsforschungsinstitut „Market“ im Auftrag der Athesia AG eine große Meinungsumfrage zu den Landtagswahlen gemacht, die im August vor fünf Jahren ebenso tagelang die Titelseiten der Dolomiten und des Alto Adige füllte. Doch diese Umfrage wurde aber nie der zuständigen Abteilung im Ministerratspräsidium gemeldet und in das vorgesehen Register eingetragen.
Diese Gangart wiederholt sich jetzt. Bis heute findet sich im staatlichen Register keine Spur von der Meinungsumfrage des Erfurter Institutes, die die Dolomiten in diesen Tagen groß publizieren.
 

Die Sanktionen

 
 
Dabei sind im Gesetz Sanktionen gegen jene vorgesehen, die sich nicht an diese Veröffentlichungspflicht halten. Zuständig dafür ist die „Autorità per le garanzie nelle comunicazioni“, (AGCOM), die nationale Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen Italiens. In Südtirol hat der „Landesbeirat für Kommunikationswesen“ über die Par-Condicio-Gesetzgebung zu achten. Man wird dort aber - mit größter Wahrscheinlichkeit - wie bereits vor fünf Jahren diskret über die Nachlässigkeit des Ebner-Verlages hinwegsehen.
Dabei heißt es im Gesetz:
L’attività di vigilanza e la competenza sanzionatoria in materia spettano comunque all'AGCOM, alla quale ciascun soggetto interessato può segnalare eventuali violazioni della normativa vigente.
Genau diesen Fall hat es in Südtirol schon einmal gegeben.
Kurz vor den Landtagswahlen 2008 befragte die Neue Südtiroler Tageszeitung 20 prominente Südtiroler und Südtirolerinnen, was sie wählen werden. Das Ergebnis war durchaus ausgeglichen.
Wenig später landete im „Dipartimento per l´Informazione e l´Editoria“ aber eine Anzeige aus Südtirol. Die Schlagrichtung: Bei diesen Stellungnahmen handle es sich um eine Meinungsumfrage. Eine solche sei aber laut dem genannten Gesetz 15 Tage vor den Wahlen verboten.
Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen die Tageszeitung eingeleitet, bei dem es um einen Strafbescheid in sechsstelliger Höhe ging. Am Ende wurde das Verfahren archiviert.
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Martin Sitzmann Do., 03.08.2023 - 17:08

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Herr Staffler, das kostet heutzutage ein paar Sekunden, höchstens Minuten, sich das von einer der mittlerweile gut bekannten und funktionierenden KI's im Internet übersetzen zu lassen, ob Deutsch, Urdu, Kosovo-albanisch oder was auch immer. Sprachbarrieren gibt es im Schriftlichen nur noch, wenn sie jemand partout sehen und aufrechterhalten will... ;-)

Do., 03.08.2023 - 17:08 Permalink
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Martin Sitzmann Do., 03.08.2023 - 17:10

Danke, Herr Franceschini! Immer wieder spannende Aufdeckerstorys.
Und wer macht nun die Meldung an die nationale Behörde - und die Aufsichtsbeschwerde über den lokalen Kommunikationsbeirat noch dazu (wegen - bisher - unterlassener Meldung)?

Do., 03.08.2023 - 17:10 Permalink
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Hartmuth Staffler Do., 03.08.2023 - 21:21

"Dolomiten ist nicht Italien", das ist natürlich inhaltlich richtig, aber es ist grammatikalisch falsch. Da "Dolomiten" ein Plural ist, muss es heißen "Dolomiten sind nicht Italien".

Do., 03.08.2023 - 21:21 Permalink
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Hartmuth Staffler Fr., 04.08.2023 - 14:05

Antwort auf von Manfred Klotz

Auch das stimmt nicht. "Dolomiten" ist immer ein Plural, ganz gleich ob man an die Berge oder an die Zeitung denkt. Laut Duden-Redaktion steht auch die "Dolomiten"-Zeitung nur im Plural, und auch die Zeitung selbst definiert sich so, Ich weiß das, weil ich immerhin 33 Jahre "Dolomiten"-Redakteur war, davon mehrere Jahre Chef vom Dienst.

Fr., 04.08.2023 - 14:05 Permalink