Politik | Energiewende

Der Wasserstoffexperte

Landesrat Daniel Alfreider lässt sich von der Kritik der Grünen nicht beeindrucken: Sein Ressort arbeite technologieoffen, um die Emissionen im Verkehr zu reduzieren.
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Foto: LPA / Fabio Brucculeri
Ob ein Bus umwelt- und klimafreundlicher ist, wenn er mit Wasserstoff (H2) oder nur mit elektrischer Energie fährt, ist derzeit eine Streitfrage zwischen SVP und Grüne. Letztere zeigen sich skeptisch über die jüngsten Pläne des Mobilitätsressorts unter Landesrat Daniel Alfreider. In Zeiten der Wasserknappheit auf Wasserstoff zu setzen, könnte ein Schuss nach hinten sein, so die Befürchtung. Denn die großen Mengen an Strom für die Herstellung des künstlichen Sprits erhöhen die Nachfrage nach erneuerbarer Energie.
„Gerade weil es Strom aus Wasser, Wind und Sonne nicht im Überfluss gibt und der laufende Betrieb der Busse aus dem Landeshaushalt bezahlt werden muss, sollte Südtirol in eine effiziente Technologie investieren“, erklärt Madeleine Rohrer, Grüne Kandidatin für den Landtag. Vergangenes Jahr etwa produzierte Südtirols Energieversorger Alperia nur 3 Terawatt Energie und blieb unter dem durchschnittlichen Vorjahreswert von 3,9.
 

Die Studie der Eurac

 
Eine in Bozen durchgeführte Studie der Eurac stellte kürzlich fest, dass mit Batterie betriebene Busse weniger Energie brauchen und im Betrieb günstiger sind als jene mit Wasserstoff. Erstmals, so die Autoren der Studie, werden der Verbrauch von Energie und die Effizienz von E-Bussen und H2-Bussen anhand von Daten miteinander verglichen.
Die Eurac hat den Einsatz der 16 H2-Busse und 5 E-Busse auf den Straßen von Bozen und Leifers zwischen Januar 2021 und April 2022 wissenschaftlich begleitet. Die 21 Busse legten in diesem Zeitraum insgesamt 537.500 Kilometer zurück. Die mit Wasserstoff betriebenen Busse brauchten für dieselbe Strecke in und um Bozen 126 bis 145 Prozent mehr Energie als die Elektro-Busse.
 
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Wasserstofftankstelle in Bozen: Sie soll vergrößert werden, um die Kapazität für die Betankung der Busse zu erhöhen. (Foto: SASA / Armin Huber)
 
Damit koste dem Südtiroler Steuerzahler ein Kilometer mit einem H2-Bus um 2,3-mal so viel wie dieselbe Strecke mit einem E-Bus. Die Betriebskosten für einen E-Bus betragen laut Studie der Eurac 0,55 Euro pro Kilometer, für einen Wasserstoff-Bus hingegen 1,27 Euro pro Kilometer. Für Landesrat und Bauingenieur Alfreider ist diese Rechnung allerdings zu einfach.
Zwar stimmen die Zahlen im Beispiel, aber Südtirol brauche nicht nur Busse, die in Bozen und Leifers unterwegs sind, sondern ein möglichst breites Angebot im öffentlichen Personennahverkehr. „Reine Batterie-elektrische Busse sind aus technischer Sicht noch nicht imstande, die außerstädtischen Dienste mit 18-Meter-Bussen abzudecken, aber wir testen sie laufend, bei SASA genauso wie in Zusammenarbeit mit den anderen Konzessionären“, erklärt Alfreider. Das Gewicht der derzeitigen Elektrobatterien sei schlicht zu schwer und sie würden sich während der Fahrt auf steilen Strecken zu stark erhitzen.
 

Die Vorteile von Wasserstoff

 
Deshalb spielen nicht nur der Elektroantrieb, sondern auch die Wasserstofftechnologie im neuen Landesmobilitätsplan eine wesentliche Rolle: Es sollen mehr als 141 Millionen Euro mit Geldern aus dem PNRR und den Olympischen Spiele in emissionsarme Technologien investiert werden (Beschluss LR 611 / 2022). Unter anderem will die Landesregierung für 22,7 Millionen 48 Fahrzeuge für die Olympischen Spiele ankaufen, eine eigene Tankstelle für 6 Millionen errichten und weitere 11 Millionen für Tankstellen zur „grünen“ Befahrung der Dolomitenpässe einsetzen. Es werden außerdem 154 Dieselbusse umgerüstet (22,5 Millionen) und weitere 13 neue angekauft (10,2 Millionen).
 
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Daniel Alfreider: „Welche Bus-Typen für Olympia eingesetzt werden, wird erst entschieden und hängt wiederum von den technischen Möglichkeiten ab.“ (Foto: LPA / Fabio Brucculeri)
 
„Bei der Anschaffung neuer Busse sind wir absolut technologieoffen, das war immer unser Credo“, so Alfreider. Es gehe um die Effizienz, die Organisation der Dienste und vor allem um die bestmögliche Technologie für die jeweilige Anwendung. Das hänge von der Streckenlänge, dem Höhenunterschied sowie davon ab, ob es sich um innerstädtische oder außerstädtische Dienste handelt. Bei der jüngsten Ausschreibung zur Anschaffung neuer Busse für den außerstädtischen Bereich wurde ein Modell gewählt, das im Kern ein Elektrobus mit Batterie ist, aber zur Erhöhung der Reichweite zusätzlich einen kleinen Wasserstoffspeicher eingebaut hat.
„Welche Bus-Typen für Olympia eingesetzt werden, wird erst entschieden und hängt wiederum von den technischen Möglichkeiten ab. Die Investitionen in den Wasserstoff hingegen sind wie in ganz Europa nicht nur ein Thema der Mobilität, sondern vor allem auch der Industrie und der Energiespeicherung“, erklärt Alfreider.
 
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Madeleine Rohrer: „Gerade weil es Strom aus Wasser, Wind und Sonne nicht im Überfluss gibt und der laufende Betrieb der Busse aus dem Landeshaushalt bezahlt werden muss, sollte Südtirol in eine effiziente Technologie investieren.“ (Foto: Grüne)
 
Die Technologie des Wasserstoffes biete in Südtirol einige Vorteile: Da auch die Wasserkraft in der Produktion bestimmte Schwankungen aufweist und am Strommarkt bei einem Überangebot niedrige Preise zu erwarten sind, zahle es sich aus, diese überschüssige Energie für die Wasserstoffproduktion aufzuwenden. Deshalb wurde über das italienische Ministerium für Umwelt und Energiesicherheit eine Ausschreibung für den Bau von Produktionsanlagen für Wasserstoff in ehemaligen Industriegebieten durchgeführt. „Die Ausschreibung haben SASA und Alperia gewonnen, um beim alten Müllverbrennungsofen in Bozen für fast 18 Millionen Euro eine Anlage zu bauen“, erklärt Alfreider. Der dort produzierte Wasserstoff soll sowohl für bestimmte Industriebereiche als auch für Verkehrsmittel genutzt werden.
Die Grünen appellieren an die Landesregierung, die Prioritäten im Landesmobilitätsplan anhand der jüngsten Forschungsergebnisse zu gewichten. „Wir werden die Entwicklung weltweit sicher nicht als Südtirol beeinflussen, aber unser Ressort wird sehr aufmerksam die Technologieentwicklung im Auge behalten, um die besten und umweltfreundlichsten Anwendungen für Südtirol einzusetzen“, sagt Alfreider.