Umwelt | Große Beutegreifer

Plädoyer für einen echten Almfrieden 3

Gedanken zum Landesgesetz 10/2023 (Wolfsentnahmen) und weshalb der Schuss nach hinten los gehen kann. Versuch einer gesamtheitlichen Betrachtung in drei Kapiteln.
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Kapitel 3: Wolf und Risikomanagement

Da die natürlichen Rahmenbedingungen in Südtirols Wäldern für Wölfe ziemlich attraktiv sind (s. Kapitel 2), braucht es ein professionelles Wolfsmanagement. Wolfsmanagment bedeutet, Population und Populationsentwicklung monitorieren, Schäden dokumentieren, Problemwölfe identifizieren und zum Schutz der Weidtiere entnehmen. Sollte sich die Wolfs-Population irgendwann zu stark entwickeln, dann sind regulierende Maßnahmen zu treffen. Allerdings bräuchte es dafür die Umstufung des Schutzstatus von Anhang IV in Anhang V (EU Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie). Kein leichtes Unterfangen aber möglich, sofern die Population in “einem günstigen Erhaltungszustand verweilt” (Artikel 16, FFH-Richtlinie).

In der Wildnis würde sich ein Gleichgewicht zwischen Beute und Beutegreifer wie Wolf einstellen: gibt es viel Beute, steigt die Reproduktion der Beutegreifer an, viele Beutegreifer dezimieren die Beutetiere, weniger Beutetiere bedeuten wiederum eine sinkende Reproduktionsrate der Beutegreifer. Und so ginge es in einem dynamischen Gleichgewicht weiter.

Dieses natürliche Gleichgewicht in unserer Kulturlandschaft abzuwarten, ist unrealistisch. Viel zu oft käme es zu Konflikten mit Nutztieren und mit Siedlungsgebieten. Daher sind einerseits die Gefahrenquelle “Großraubwild” zu kontrollieren und andererseits die Schadensbereiche “Nutztiere” zu schützen. Gefahren- und Schadenspotential gemeinsam zu betrachten, bedeutet Risikomanagement zu betreiben. Risikomanagement gibt es in vielen Bereichen der modernen Gesellschaft, bei Naturgefahren, technischen Gefahren, in der Medizin, Kernenergie oder Gentechnik.

Wenn also Gefahren- und Schadenspotential aufeinander treffen, gibt es drei Möglichkeiten damit umzugehen: 1: Die Eliminierung des Gefahrenpotentials (Zweite Ausrottung des Wolfes), 2. die Eliminierung des Schadenpotentials (Weidewirtschaft aufgeben) oder 3. Risikomanagment betreiben, indem Wolfs- und Herdenmanagement gleichberechtigt umgesetzt werden.

Ich plädiere aufgrund meiner Erfahrungen als ehemaliger Zivilschutzchef dieses Landes für Punkt drei. Es bräuchte ein professionelles Wolfs- und gleichzeitig ein professionelles Herdenmanagement. Beide gemeinsam sind Teil des Risikomanagements Weidewirtschaft. Dadurch kann es gelingen, die Schäden an Weidetieren zu minimieren und das Sicherheitsbedürfnis sicher zu stellen.

Was macht nun dieses unglückselige Landesgesetz? Es schießt sich nur aufs Wolfsmanagement ein, es geht ausschließlich um die Entnahme, Tötung und Vergrämung von Wölfen, wenn sie Schäden anrichten. Somit wird nur die Hälfte des Risikomangements mit bedacht, nämlich das Gefahrenpotential, welches vom Wolf ausgeht.

Dass es auch möglich ist, das Schadenpotential zu gestalten, wird dabei völlig ignoriert. Für die sogenannten Weideschutzgebiete (von 1.476 Almen wurden 1.458 zu Weideschutzgebieten erklärt) wird sogar amtlich erklärt, dass “Maßnahmen nicht möglich sind, da die Errichtung von angemessenen Zäunen, der Einsatz von Herdenschutzhunden und die ständige Anwesenheit von Hirten in Begleitung von Hirtenhunden nicht zumutbar ist.” Dieses Statement ist fatal weil fachlich falsch!

Falsch deshalb, weil es seit Jahren auch in Südtirol positive Beispiele gibt, die aufzeigen, dass Herdenschutz auf vielen unseren Almen möglich und zumutbar wäre.

Und falsch auch deshalb, weil es die zarten Ansätze von gelungenen Herdenschutzprojekten untergräbt, Projekte, die von vernünftigen Tierhaltern und Hirtinnen ausgearbeitet wurden, die mit viel Herzblut und Fachwissen Schaf- und Ziegenherden gut über den Sommer bringen. Diesen Pionieren und Pionierinnen vermittelt das Gesetz, dass ihr erfolgreicher Einsatz unzumutbar sei. Es würde nicht verwundern, wenn diese beherzten Leute alles hinschmeißen wollen.

Dieses Gesetz wird auch deshalb scheitern, weil selbst ein durchziehender Wolf über Nacht große Schäden in ungeschützten Herden anrichten kann. Am Tag drauf ist er schon über alle Berge und nicht mehr in Schussweite.

Die Umsetzung der Maßnahmen wird Tierschutzorganisationen auf den Plan rufen, es wird Rekurse hageln und es wird weiterhin Unzufriedenheit bei den Tierhaltern geben. Dieses Landesgesetz ist unausgegoren, weil es keinen gesamtheitlichen Blick auf die derzeitige Situation wirft.

Ohne vernünftiges Risikomanagement, ohne Herden- und Wolfsmanagmement, gibt es kein erfolgreiches Weidemanagement. Und ohne erfolgreiches Weidemanagement, gibt es keinen Almfrieden!