Umwelt | EU

„Diktat der WHO nicht akzeptieren“

Vor Kurzem hat sich das EU-Parlament für strengere Grenzwerte bei den Luft-Schadstoffemissionen ausgesprochen. Eine nicht ganz unumstrittene Entscheidung.
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Foto: Herbert Dorfmann
Das EU-Parlament hat am vergangenen Mittwoch (13. September) seine Verhandlungsposition zur Verbesserung der Luftqualität angenommen. Vorgesehen sind strengere Grenzwerte für Feinstaub (PM2.5, PM10), NO2 (Stickstoffdioxid), SO2 (Schwefeldioxid) und O3 (Ozon). Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Luftverschmutzung die häufigste umweltbedingte Ursache für frühzeitige Todesfälle in der EU mit etwa 300.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr ist. Im Oktober 2022 schlug die Kommission eine Überarbeitung der EU-Luftqualitätsvorschriften mit ehrgeizigeren Zielen für 2030 vor. Ziel ist es, bis 2050 Null-Luftverschmutzung zu erreichen.
 
 
Herbert Dorfmann
EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann: „Wenn künftig die WHO die Grenzwerte festlegt, dann haben wir ein Problem. Wir müssen dann nämlich den Bürgern und Bürgerinnen erklären, dass sie nicht mehr ihr Auto benutzen und die Heizungen nicht mehr aufdrehen dürfen, wenn die Grenzwerte überschritten werden.“ (Foto: Ute Schweigkofler)
 
 
Während 363 Abgeordnete in Straßburg für die Einführung von strengeren Richtlinien stimmten, votierten 226 dagegen und 46 enthielten sich der Stimme. Abgelehnt wurde diese Position von der Europäischen Volkspartei EVP, unter anderem auch vom Südtiroler Europa-Parlamentarier Herbert Dorfmann. Nicht, weil er sich grundsätzlich gegen strengere Richtwerte ausspreche, erklärt der Abgeordnete auf Nachfrage. „Wir Parlamentarier der EVP haben uns an einem Punkt gestoßen. Vorgesehen ist nämlich, dass die Grenzwerte für Luftschadstoffe künftig automatisch an die Vorgaben der WHO angepasst werden sollen“, so Dorfmann. Man habe zwar versucht, die Linken und Grünen Abgeordneten davon zu überzeugen, die Entscheidungsbefugnis bei der EU zu belassen und die WHO-Grenzwerte als Richtwert heranzuziehen, allerdings habe die Mehrheit der Parlamentarier für die vorgelegte Position gestimmt. Mit ihrem Nein wollten die EVP-Fraktionäre ein klares Signal an die Mitgliedstaaten senden, die ihre Vertreter in den Ministerrat entsenden, welcher gemeinsam mit dem Parlament die gesetzgebende Funktion ausübt. Nach der Entscheidung des Parlaments wird es nun zu Verhandlungen mit dem Rat kommen.
 
 
Die Mitgliedstaaten sind gut beraten, dieses Diktat nicht zu akzeptieren.
 
 
„Wir plädieren dafür, dass man im Rat eine Lösung findet und von diesem Diktat der WHO Abstand nimmt“, erklärt Dorfmann. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sei ein weltweit höchst anerkanntes wissenschaftliches Gremium, das insbesondere in Wahlkampfzeiten nicht zum Gegenstand von Verschwörungstheorien gemacht werden dürfe, allerdings sei es nicht sinnvoll, dass sich die EU mit einer Bindung an diese Organisation selbst eine Bürde auferlegt. Vielmehr sollte die EU selbst darüber entscheiden, ist der EU-Parlamentarier überzeugt und betont: „Die Mitgliedstaaten sind gut beraten, dieses Diktat nicht zu akzeptieren. Wir sind uns der Verantwortung durchaus bewusst und sprechen uns für eine Anpassung der Grenzwerte aus. Es geht aber darum, wer die Entscheidungsbefugnis hat.“
Eine weltweite Festlegung der Grenzwerte könnte nämlich auch Einschränkungen für Südtirol nach sich ziehen. „Wenn künftig die WHO die Grenzwerte festlegt, dann haben wir ein Problem. Wir müssen dann nämlich den Bürgern und Bürgerinnen erklären, dass sie nicht mehr ihr Auto benutzen und die Heizungen nicht mehr aufdrehen dürfen, wenn die Grenzwerte überschritten werden.“ Man habe in der Vergangenheit bereits enorme Anstrengungen unternommen, um die festgelegten Feinstaubwerte einzuhalten und insbesondere im Winter sei es nicht einfach, sich danach zu richten, wie Dorfmann erklärt. Würden die Grenzwerte deutlich nach unten gesenkt, müsste die Bevölkerung jedoch erneut mit Fahrverboten rechnen.