Nennt sie nicht „Lumpen“!
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„In Prato endet die Geschichte Italiens und Europas. Alles in Prato, alles in Lumpen“, schrieb Curzio Malaparte, der in der toskanischen Stadt geboren und aufgewachsen ist. Wiederverwenden, was man wiederverwenden kann, recyceln, was übrigbleibt: Reichtum sehen, wo die meisten Menschen nur einen Berg von Abfall erkennen. Jahrelang wurden in Prato Altkleider aus der ganzen Welt angeliefert. Ballen von stracci (Lumpen), wie sie hier genannt werden. Diese Kleiderballen erzählten Geschichten aus einer fernen Welt und brachten die Menschen zum Träumen: die Abendkleider amerikanischer Mädchen, Hochzeitskleider, Uniformen, große oder kleine Mäntel. Und dann Decken, Hosen, Jacken: Jedes Kleidungsstück war wie ein Fenster zu einem anderen Lebensstil als jener, der in Prato geführt wurde. Viele dieser Lumpen stammten aus den Vereinigten Staaten oder Nordeuropa, in den Taschen konnten sich wunderbare Überraschungen verbergen, sogar Geld oder Schmuck. Teilweise arbeiteten mehrere hundert Menschen daran, das, was andere weggeworfen hatten, in Reichtum zu verwandeln. Ein echtes Modell von Kreislaufwirtschaft, doch bis zum Jahr 2000 sprach niemand von green economy, und derjenige, der diese Arbeit machte, wurde einfach „cenciaiolo“ genannt.
Dank des Recyclings entwickelte sich ein weit verbreitetes Unternehmertum, das Prato Reichtum und Wohlstand bescherte.
Seit dem Mittelalter hat sich Prato der Wollverarbeitung und der Textilproduktion verschrieben: Die Stadt war reich an Wasserwegen, was die Entwicklung dieser Wirtschaftszweige erleichterte. Allerdings war Wolle ein kostbarer Rohstoff, der von weit herkam und sehr teuer war. In der Mitte des 19. Jahrhunderts erfand der englische Industrielle Benjamin Law eine Maschine, die eine trockene Zerfaserung ermöglichte und vor allem zur Wiederverwertung von Papier eingesetzt wurde. Die Maschine gelangte nach Prato, wo sie modifiziert und eingesetzt wurde. Dank dieses industriellen Verfahrens, das zunächst geheim gehalten und nur von einigen wenigen Unternehmen genutzt wurde, war es möglich, die Wollfasern von Altkleidern zu regenerieren, um ein Material zu erhalten, das für die Herstellung neuer Kleidung verwendet werden konnte.
Für die Stadt war dies der langsame Beginn eines goldenen Zeitalters, der eigentliche Boom vollzog sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund des Marshall-Plans kamen Container mit Altkleidern aus den USA nach Europa. Angesichts der damaligen Kosten für Wolle perfektionierten die Unternehmen des Textilviertels die Produktion und erzielten überraschende Ergebnisse: Dank des Recyclings entwickelte sich ein weit verbreitetes Unternehmertum, das Prato Reichtum und Wohlstand bescherte. -
Aus kultureller Sicht galt die Verarbeitung von Altkleidern nicht als besonders tugendhaft: Die Einwohner*innen von Prato schämten sich für diese Tätigkeit und versuchten sogar, sie zu verheimlichen, da Altkleider als Abfall galten. Damals war es noch nicht gesellschaftsfähig, die von anderen weggeworfenen Kleider zu tragen. Die Wiederverwertung der Fasern machte Prato jedoch wirtschaftlich sehr wettbewerbsfähig mit den ästhetisch schönen, qualitativ hochwertigen, aber preiswerteren Stoffen.
Zwischen den 1960er und den 1980er Jahren konnten alle in Prato Unternehmer*innen werden, man brauchte nur ein wenig Initiative und den Willen, zu arbeiten. Alle, die ein paar Ersparnisse zu investieren hatten, konnten Rohmaterial einkaufen, das sortiert werden musste, um auf den Markt zu kommen, so konnte mit Hilfe der Familie eine unternehmerische Tätigkeit aufgenommen werden.
Das Sortieren ist das Herzstück der Tätigkeit, die auch die Qualität der gewonnenen Fasern bestimmt. Es ist eine scheinbar einfache Aufgabe, die in Wirklichkeit aber sehr komplex ist. Auch heute noch wird dieser Prozess der Materialauswahl wie vor hundert Jahren von Hand durchgeführt, dank der Fähigkeiten von Menschen, die in der Lage sind, die Zusammensetzung eines Kleidungsstücks und die Qualität der Fasern mit dem Tastsinn zu erfassen. Ganz zu schweigen von der Magie der Farben und denjenigen, die in der Lage sind, Hunderte von verschiedenen Farbtönen zu reproduzieren, um den Anforderungen der Modewelt gerecht zu werden.In Prato findet sich eine unglaubliche Erfahrung mit der Kreislaufwirtschaft: von Stoff zu Stoff, das ist das Merkmal des Wollrecyclingprozesses dieser Gegend, dessen Vorbildcharakter auch von der Europäischen Kommission betont wird.
Der Prozess beginnt mit der Auswahl der Altkleider, die in Prato ankommen und in vielen Fällen von Wohltätigkeitsorganisationen aufgekauft werden. Als erstes wird die Kleidung, die wiederverwendet werden kann und für den Second-Hand-Markt bestimmt ist aussortiert. Die besten Stücke landen in Vintage-Läden in ganz Europa, während die zweite Qualität für Osteuropa oder Afrika bestimmt ist. Nach dieser ersten Phase beginnt die Auswahl der Materialien: Die Stoffe werden nach Zusammensetzung sortiert, von Futter und Zubehör befreit und können so dem Recyclingprozess zugeführt werden. Die Wolle verbleibt in Prato, um zu Fasern, dann zu Garn und schließlich zu Stoffen verarbeitet zu werden, aus denen dann neue Kleidungsstücke entstehen. Andere Materialien als Wolle werden dagegen an verschiedene Lieferketten weitergeleitet, wo sie zu Materialien recycelt werden, die hauptsächlich als Isolierung oder Polsterung verwendet werden. Nach dieser Auswahlphase wird das Restmaterial entsorgt: die Verwertungskapazität ist sehr hoch, denn nur 3 % landen auf den Mülldeponien.
Noch nachhaltiger wird dieses Verfahren durch die Tatsache, dass die Wolle nach Farben sortiert wird und somit eine weitere Färbephase entfällt. Es handelt sich um eine handwerkliche Arbeit, die von spezialisiertem Personal durchgeführt wird, das bis zu zehn verschiedene Farben miteinander mischen kann, um einen bestimmten Farbton zu erzeugen.
In Prato findet sich eine unglaubliche Erfahrung mit der Kreislaufwirtschaft: von Stoff zu Stoff, das ist das Merkmal des Wollrecyclingprozesses dieser Gegend, dessen Vorbildcharakter auch von der Europäischen Kommission betont wird.
Nennen Sie sie nicht „Lumpen“, sie sind viel mehr.
Die Faser, die am Ende des Verarbeitungszyklus von Altkleidern gewonnen wird, nennt sich „mechanische“ Wolle, um sie von der Schurwolle zu unterscheiden. Sie kann in Stoffe und Garne verwandelt werden, die manchmal nicht einmal Insider zu unterscheiden vermögen. Aber sie kostet weniger, und das gefällt dem Markt, ebenso wie der Gedanke, den Begriff „recycelt“ verwenden zu können. Laut dem jüngsten Bericht der internationalen Organisation Textile Exchange über die Verwendung von Fasern in der Modewelt stammen von den 109 Millionen Tonnen produzierter Textilien nur 0,5 % aus recycelten Textilien. Wolle erreicht 6 %, auch dank des Beitrags von Prato.
Eine alte Erfahrung, die sich im Laufe der Zeit erneuern konnte, die aber Teil der DNA einer Region ist, die es geschafft hat, aus dem, was für alle nur Abfall war, Reichtum zu schaffen. Nennen Sie sie nicht „Lumpen“, sie sind viel mehr.Weitere Artikel zum Thema
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