Chiara Ferragni, Selvaggia Lucarelli
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Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Je höher die Leiter...

Je mehr Ansehen und Macht du hast, desto mehr hast du zu verlieren. Wieviel leichter ist es, als Frau von der Leiter zu fallen?
  • „Je höher die Leiter, desto tiefer der Fall“, besagt ein Sprichwort und meint damit wohl auch „Je mehr Ansehen und Macht du hast, desto mehr hast du zu verlieren“. Wobei sich sogar bei einem Sprichwort große Unterschiede abzeichnen zwischen männlichen und weiblichen Leitern. Zurzeit stehen zwei auch sonst sehr sichtbare Frauen in den italienischen Schlagzeilen: die Influencerin Chiara Ferragni und die Journalistin Selvaggia Lucarelli. Erstere macht aufgrund des Antitrust-Skandals rund um den Pandoro Ballocco von sich sprechen (anscheinend war der angekündigte Benefizverkauf nur eine Marketingstrategie). Zweitere haben die Medien aufgrund ihrer Reaktion auf die Verwicklung ihres Partners in den vermutlichen Suizid einer Restaurantbesitzerin auf dem Kieker. Was beide Frauen gemeinsam haben - mit Ausnahme des Bildes von woker Political Correctness und der immerwährenden Suche nach Likes - ist die Tatsache, dass sie bis vor kurzem zu den modernen Heldinnen der Social Media Italiens gehört haben und innerhalb kürzester Zeit zu verhassten Hexen geworden sind.

    Wie schnell so ein tiefer Fall bei Frauen vonstattengeht, sehen wir an zahlreichen Beispielen. Jeder Anlass ist gut, um selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen, die sich nicht an die untergeordnete Rolle der Hausfrau und Mutter halten, wieder an ihren Platz zu verweisen. Da wären: die Astronautin Samantha Cristoforetti, weil sie ihre Tochter zu Hause lässt, um ins All zu fahren, die Kriegsreporterin Giovanna Botteri, weil sie ihre Frisur vernachlässigt. In Südtirol fällt mir Jasmin Ladurner ein, schon stark kritisiert wegen eines Feierabendfotos, schließlich zurückgetreten aufgrund falsch verrechneter Fahrtspesen.

    Gerade bei einer medialen Hexenjagd wie derzeit suche ich, als Gedankensport, immer wieder nach dem männlichen Pendant dazu. Nur mag mir hierzu partout keines einfallen, nur immer wieder die kulinarischen (und applaudierten) Exzesse Salvinis, die (beneideten) Bunga-bunga Affären Berlusconis, die wirtschaftlich gefinkelten (bauernschlauen) Machenschaften zahlreicher SVP-Politiker und so weiter. 

    Die männliche Hälfte der Welt scheint auf ihrer Leiter nach oben sehr trittsicher und zusätzlich durch ein oder mehrere Seile gesichert zu sein. Sie bleiben oben, auch nach Fehltritten. Wieviel leichter ist es da als Frau, von der Leiter zu fallen. Oft bedarf es nicht mal eines Fehltritts. Es reicht, den falschen Partner zu haben, das falsche Foto zu posten oder die falsche Frisur spazieren zu fahren. Es reicht, aus der Reihe zu tanzen. Schließlich bedrohen diese Frauen mit ihrem unkonventionellen Lebensstil und ihrem Erfolg das bestehende Gesellschaftssystem.