Politik | Landtag

Philipps Kontrolleur

SVP-Obmann Philipp Achammer hat im Landtag die Order ausgegeben, dass Franz Locher die Stimmzettel der Mehrheit kontrollieren soll. Ein Landesrat der politischen Unkultur.
Achammer, Landtag
Foto: Seehauserfoto
  • Si tacuisses, philosophus mansisses”, ist eine der wenigen Redewendungen aus dem Lateinunterricht, an die man sich erinnert. „Wenn du geschwiegen hättest, wärst du (ein) Philosoph geblieben“. Diesen Spruch sollte sich Philipp Achammer ins eigene Parteibuch schreiben.
    Der SVP-Obmann Achammer kritisiert auf RAI Südtirol das Abstimmungsverhalten der Mehrheit im Landtag bei der Wahl der Landesregierung und des Landtagspräsidenten. Achammer wörtlich: „Da braucht man nicht lange darüber diskutieren, das ist absolut nicht akzeptabel.

     

    „SVP-Obmann Philipp Achammer trägt aktiv dazu bei, dass die Wahl des Landtagspräsidenten zum einem Tiefpunkt in der parlamentarischen Geschichte des Südtiroler Landtages wird.“

     

    Dabei ist es ausgerechnet Achammer selbst, der aktiv dazu beigetragen hat, dass die Wahl zum Landtagspräsidenten zum einem Tiefpunkt in der parlamentarischen Geschichte des Südtiroler Landtages wird.

  • Die Mehrheitssitzung

    SVP-Fraktionssprecher Harald Stauder: Frage, wer Schuler nicht wählen will. Foto: SVP

    Eigentlich sollte am Donnerstag Arnold Schuler zum Landtagspräsidenten gekürt werden. Doch der Plan geht nicht auf. Sowohl im ersten als auch im zweiten Wahlgang verfehlt der designierte Landtagspräsident die absolute Mehrheit. Damit ist klar: Es gibt innerhalb der SVP und der Regierungskoalition einige Heckenschützen, die dem Gegenkandidat Sepp Noggler ihre Stimme geben.
    Am Nachmittag folgt der dritte Wahlgang. Es kommt zur Stichwahl zwischen Arnold Schuler und Sepp Noggler. Wobei jetzt nur mehr die einfache Mehrheit nötig ist. Diesmal geht die Wahl 17 zu 17 aus. Arnold Schuler wird am Ende mit einer Bestimmung zum Landtagspräsidenten gekürt, die noch nie in der Geschichte des Landtages Anwendung gefunden hat. Bei Stimmengleichheit gilt jener Kandidat als gewählt, der bei Landtagswahlen mehr Stimmen erhalten hat.
    Noch vor der Abstimmung hatte SVP-Fraktionssprecher Harald Stauder eine Unterbrechung für eine Sitzung der Mehrheit gefordert. Die 19 Mandatare der fünf Regierungsparteien ziehen sich in den zweitgrößten Sitzungssaal des Landtages zurück. Dort redet man Tacheles. Philipp Achammer erklärte, dass das so nicht gehe und jeder im Raum offen sagen solle, wenn er Schuler nicht wählen wolle. Es ist dann Fraktionssprecher Harald Stauder, der nochmals offen die Frage in den Raum stellte. Es gibt nur eine Wortmeldung, die spätestens seit dem SALTO-Interview am Mittwoch klar war. Sepp Noggler erklärt offen, dass er Schuler keinesfalls wählen werde. Alle anderen bestätigen, dass sie diesmal Schuler wählen werden.

  • Der Fast-Rückzug

    Das Bild ist in der allgemeinen Geschäftigkeit etwa untergegangen.
    Harald Stauder und Christian Bianchi stehen zusammen. Der SVP-Fraktionssprecher und der Lega-Landesrat reden auf Angelo Gennaccaro ein. 
    Gerade eben sind die ersten beiden Wahlgänge zur Wahl der italienischen Vizepräsidenten des Landtages zu Ende gegangen. Im  ersten Wahlgang entfielen auf Gennaccaro 16 Stimmen und auf Sandro Repetto (PD) 15, 2 Stimmzettel waren ungültig, 2 weiß. Im zweiten Wahlgang erhielt Gennaccaro 17 Stimmen, Repetto 16, Thomas Widmann 1 und ein Stimmzettel blieb weiß. 
    Angelo Gennaccaro will jetzt das Handtuch werfen. Tatsache ist, dass mindestens zwei Mitglieder der Regierungsmehrheit nicht für ihn gestimmt haben. Der Civica-Abgeordnete sieht das als klaren Misstrauensantrag und will seine Kandidatur für das Amt des Vizepräsidenten ernsthaft zurückziehen. Deshalb reden Stauder und Bianchi auf Gennaccaro ein.
    Unmittelbar danach beantragt Harald Stauder eine weitere Unterbrechung für die Mehrheit von 15 Minuten. Nach Wiederaufnahme der Sitzung erfolgte der dritte Wahlgang, bei dem Gennaccaro dann mit 19 Stimmen zum Vizepräsidenten des Landtages gewählt wird.
    Wenig später wird klar, woher die Heckenschützen gegen Gennaccaro gekommen sind. Als man ein Mitglied des Landtagspräsidiums wählt, bekommt Harald Stauder 20 Stimmen. Demnach spricht einiges dafür, dass es die italienischen Koalitionspartner der SVP von Fratelli d’Italia und Lega waren, die Angelo Gennaccaro die Unterstützung in den ersten beiden Wahlgängen bewusst verweigert haben.
    Es dürfte die Rechnung dafür sein, dass der Bozner Zentrumspolitiker es den beiden Rechtsparteien bei der Zusammensetzung der Landesregierung so schwer gemacht hat.

    Foto: RAI Südtirol
  • Achammers Order

    Doch Philipp Achammer scheint diesem Bekenntnis nicht zu trauen. Der SVP-Obmann gibt eine wahnwitzige Weisung aus. Franz Locher, Mitglied des Landtagspräsidiums soll jeden Stimmzettel der Mehrheitsmitglieder kontrollieren, ob Schuler draufsteht. So will man die eigenen Leute an der Stange halten.
    Die Wahl des Landtagspräsidenten ist eine geheime Wahl. Im Landtag hat man bereits vor Jahren ein geschlossene Wahlkabine aufgestellt. Lange gab es nur eine Art Paravent. Als jemand von der Pressetribüne aber Elena Artiolis Stimmzettel fotografierte, wurde eine auch oben geschlossene Kabine installiert.
    Die Geschäftsordnung des Landtages sieht vor, dass ein Präsidiumsmitglied den Namenaufruf bei der Abstimmung verliest und ein zweites Präsidiumsmitglied an der Urne den Einwurf der Stimmzettel überwacht. Während die Team K-Abgeordnete Maria Elisabeth Rieder an diesen Nachmittag  beim dritten Wahlgang den Namensaufruf übernimmt, platziert sich der SVP-Abgeordnete Franz Locher zwischen Wahlkabine und Wahlurne.
    Was dann aber passiert ist ein fast schon surreales Schauspiel.

  • Kontrolleur Franz Locher: Wahnwitzige Anweisung des Parteiobmannes. Foto: Ivo Corrà
  • Die Abstimmung beginnt und es stimmen Philipp Achammer, Daniel Alfreider, Magdalena Amhof und der Lega-Landesrat Christian Bianchi ab. Alle vier öffnen vor dem Einwerfen in die Urne ihren Stimmzettel und zeigen diesen Franz Locher, der kontrolliert, ob wirklich Schuler draufsteht.
    Es ist Sven Knoll, der diesem Trauerspiel ein Ende macht. Die direkte Folge: Ein Aufstand der politischen Minderheit. Allen im Saal ist klar, dass diese Art der „kontrollierten Abstimmung“ gegen die Geschäftsordnung des Landtages, gegen das freie Mandat eines Landtagsabgeordnete und gegen jede, politische Ethik verstößt. Trotzdem schwingt sich SVP-Obmann und Kulturlandesrat Philipp Achammer ernsthaft noch dazu auf in einer Wortmeldung, dieses unwürdige Schauspiel zu rechtfertigen. 
    Franz Ploner, der als ältester Landtagsabgeordnete das Amt des Präsidenten ausübt, greift hart durch. Ploner unterbricht die Abstimmung und lehnt den Antrag von SVP-Fraktionssprecher Harald Stauder für eine weitere Sitzungsunterbrechung kurzerhand ab. Der Team-K-Abgeordnete erklärt die Abstimmung für ungültig und lässt die Wahl wiederholen. Diesmal aber mit einer Rochade. Jetzt ist Franz Locher für den Namensaufruf zuständig und Maria Elisabeth Rieder steht an der Urne.
    Achammers Kontrollsystem ist damit gescheitert. Und auch der Versuch die Mehrheit zusammenzuhalten. Denn der Ausgang des Wahlgangs macht deutlich, dass es innerhalb der Regierungsmehrheit doch noch einen Heckschützen oder -schützin gegeben hat.
    Was aber noch beunruhigender erscheint: Bereits am ersten Tag einer Koalition werden die grundlegenden parlamentarische Spielregeln einfach außer Kraft gesetzt. Und das vom Obmann der stärksten Partei im Land.

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△rtim post Fr., 02.02.2024 - 10:42

Es geht um mehr.
Es ist bezeichnend, wie das Demokratie- und Rechtsverständnis in diesem Lande aussieht.
Der "Garant", wie das Video zeigt, verschwindet eilig und wortlos.
Kaum an der Macht schon sieht man drastische Missachtung von Grundsätzen, Grenzüberschreitungen und Tiefpunkte. Auch im Bereich Minderheitenschutz (vgl. Salto: "Sven auf dem Holzweg"), wo es keinen effektiven Rechtsschutz gibt.
Das Wort "Garant" der SVP-Spitze diente wohl von Anfang an nur dazu, um zu beruhigen und vorauseilend zu verharmlosen.

Fr., 02.02.2024 - 10:42 Permalink
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G. P. Fr., 02.02.2024 - 11:41

Der pure Wahnsinn ... und der "Chef" des Ganzen - LH Kompatscher - flüchtet im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Saal.

Fr., 02.02.2024 - 11:41 Permalink
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Günther Stocker Fr., 02.02.2024 - 15:51

Antwort auf von G. P.

Der Mòchtegernchef hot nix zu melden! Der wahre Puppenspieler sitzt irgendwo ....
und freut sich riesig.
So wird seine KAISERZEIT umso glanzvoller!
Da strahlt sein Stern immer noch am hellsten.

Und das dumme Bauernvolk und Stimmvieh spielt mit ohne meistens zu verstehen um was es geht.

Leider verdient Sùdtirol nix besseres!!
Geld macht dumm.

Fr., 02.02.2024 - 15:51 Permalink
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Ceterum Censeo Fr., 02.02.2024 - 12:00

Bei einer geheimen Wahl Zettel vorzeigen müssen. Ein weiterer Tiefpunkt. Wie viele folgen noch.
Genieren sich Philipp und Arno nicht? Kein Schamgefühl?

Fr., 02.02.2024 - 12:00 Permalink
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rotaderga Fr., 02.02.2024 - 14:55

Antwort auf von Ceterum Censeo

Das Wahlgeheimnis besteht sowohl aus dem Recht auf geheime Stimmabgabe sowie auch aus der Pflicht zur Geheimhaltung.
Nur außerhalb des Moments der Stimmabgabe steht es dem Wähle frei, öffentlich zu erklären, wen er zu wählen beabsichtigt oder wen er gewählt hat. Stimmzettel, dessen Inhalt dem Vorsitzenden der Wahl gezeigt werden sind ungültig.
Somit kann man sich nur außerhalb des Lokales frei erklären.
Ja meine lieben Hochglanz-Vorzeigedemokraten, was nun?

Fr., 02.02.2024 - 14:55 Permalink
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Salto User
Cicero Fr., 02.02.2024 - 13:27

Bei diesen Vorzeichen könnte man sehr schnell zum Schluss kommen, dass die aktuelle Regierung und damit wohl auch der jetzige Landtag, die nächsten fünf Jahre nicht überstehen werden. Allein der Blick auf die monatliche Gehaltsüberweisung wird viele der Mandatare soweit disziplinieren um der eigenen politischen Karriere kein vorzeitiges Ende zu bereiten.

Fr., 02.02.2024 - 13:27 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Fr., 02.02.2024 - 21:04

Es gibt zu viele Giftschlangen in der Grube der SVP. die eifrig Giftbisse verteilen + an den Stuhlbeinen der Kolegen herum sägen, statt wie vor den Wahlen versprochen, zum größten Wohl der Bürger tätig zu sein.

Fr., 02.02.2024 - 21:04 Permalink
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Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga So., 04.02.2024 - 07:57

Ist das Vorzeigen des ausgefüllten Wahlscheines vor Einwurf in die Urne bei geheimen Wahlen eine Straftat?
Ist die Auforderung zum Vorzeigen des ausgefüllten Wahlzettels Anstiftung zu einer Straftat?

So., 04.02.2024 - 07:57 Permalink
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Profil für Benutzer Arne Saknussemm
Arne Saknussemm So., 04.02.2024 - 11:50

„SVP-Obmann Philipp Achammer trägt aktiv dazu bei, dass die Wahl des Landtagspräsidenten zum einem Tiefpunkt in der parlamentarischen Geschichte des Südtiroler Landtages wird.“ … Ja,und wen scherts?

So., 04.02.2024 - 11:50 Permalink
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Profil für Benutzer Emil George Ciuffo
Emil George Ciuffo So., 04.02.2024 - 19:05

Man stelle sich mal das Getöse der SVP, bis hin zum Pilgergang nach Wien, vor, wenn eine andere Partei eine solche Machtwillkür gegenüber demokratische Regeln an den Tag legen würde. Die machen das ganz ungeniert vor den Augen aller. Für diese Partei ist ein solches Verhalten aber schon dermaßen normal, dass sie gar nicht mehr versucht, irgendwas zu verheimlichen. Leider kommt ja auch nichts Besseres nach, was auch diese Wahl wieder gezeigt hat ...

So., 04.02.2024 - 19:05 Permalink