Politik | Gemeindewahl Brixen

„Wienerschnitzel für 30 Euro“

Der Grüne Spitzenkandidat Markus Frei stellt der SVP ein schlechtes Zeugnis aus: Die wirtschaftsnahe Politik treibe die Preise für Wohnen und Gastronomie in die Höhe.
Markus Frei
Foto: Grüne Bürgerliste
  • SALTO: Herr Frei, wie beurteilen Sie die Arbeit des ehemaligen Bürgermeisters in Brixen und nun Neo-Landesrat Peter Brunner?

    Markus Frei: Wir haben festgestellt, dass die absolute Mehrheit der SVP eine eher einseitige, wirtschafts- und tourimuslastige Politik mit sich gebracht hat. Die Auswirkungen fängt man jetzt an zu spüren, etwa wenn es um den öffentlichen Raum geht oder um die teilweise überfüllten Straßen. Was gravierend ins Gewicht fällt, sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten, sowohl für Immobilien als auch für Lebensmittel und Gastronomie. Die Preise sind in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. 

    An der europaweiten Inflation kann die SVP aber nun wirklich wenig ändern. 

    Das stimmt. Aber wenn Begehrlichkeiten für recht wohlhabende Leute geschaffen werden, dann kann man auch im Kleinen Preistreiber sein. Wenn ein Wienerschnitzel rund 30 Euro kostet, kann ich das nicht alleine mit der europäischen Inflation begründen.

    „Das Heller-Projekt ist noch lange nicht durch.“ 

    Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz kritisiert die Ernennung von Peter Brunner als Landesrat für Umwelt, wie stehen Sie dazu?

    In der Zeit von Bürgermeister Brunner sind viele Hotel-Anlagen entstanden, auch im Grünen. Damit steht er nicht für eine nachhaltige und klimabewusste Planung. Es wurde viel Bauaktivität gutgeheißen, auch bei Anlagen, die aus Sicht des Denkmalschutzes erhaltenswert gewesen wären. So wurden Baugründe mit der großen Unterstützung des Bürgermeisters als Filetstücke herausgeschnitten. 

  • Vorstellung des Spitzenkandidaten: Markus Frei hat bereits bei den letzten Wahlen für das Bürgermeisteramt kandidiert. Foto: SALTO

    SVP-Bürgermeisterkandidat Andreas Jungmann wird wahrscheinlich in dieselbe Richtung gehen…

    Jungmann ist für uns eine Bestätigung der Vermutung, dass man versucht die Politik von Brunner fortzuführen. Zwar bemüht sich Bürgermeisterkandidat Jungmann nun auch um leistbares Wohnen und setzt Hoffnungen ins Gemeindeentwicklungsprogramm. Er spricht von der Suche nach einem Gleichgewicht (siehe SALTO-Interview, Anmerkung d. R.), was im Umkehrschluss bestätigt, dass es heute durch die Einseitigkeit der vergangenen Politik eher ein Ungleichgewicht gibt. 

    Die Gemeinderatswahl in Brixen wird ein erstes Stimmungsbild nach der Regierungsbildung auf Landesebene liefern. Wird die SVP Stimmen verlieren?

    Ich bin mir nicht sicher, wie stark sich das auf Brixen auswirken wird. Derzeit hört man auch widersprüchliche Aussagen über eine mögliche Regierungskoalition. Ein Teil der Wählerschaft ist brüskiert, es wird auch in Brixen einige geben. Sie haben aber ein gutes Polster und der Brunner-Effekt wird nachwirken. Ich denke, es wird Verluste geben, aber nicht massiv. 

  • Die Grünen stehen dem Heller-Projekt im Hofburggarten von Brixen sehr kritisch gegenüber. Ist das Projekt überhaupt noch zu stoppen?

    Das Heller-Projekt ist noch lange nicht durch. Die Verzögerungen sind nicht alleine auf die Pandemie und den Rekurs der Architektenkammer zurückzuführen, sondern es gibt offenbar Schwierigkeiten das Ausführungsprojekt zu erstellen. Uns geht es weniger um den Zugang zum Hofburggarten für die Bürger, sondern um die Ermöglichung der Teilhabe. Es ist viel Zeit verstrichen, der Garten könnte schon seit zehn Jahren frei zugänglich sein. Die Bürger merken jetzt, was sie erwarten könnte. 

    Wieso?

    In den letzten Jahren gab es in Brixen eine starke touristische Entwicklung und ein Heller-Garten ist nicht mehr rechtfertigbar. 

    Kommt das Thema noch in den Gemeinderat?

    Die Mehrheit hat uns zugesichert, dass das Projekt nochmal in den Gemeinderat kommen soll und größtmögliche Transparenz herrscht. Davon sehen wir zurzeit noch nichts. Es wird sicher noch die Möglichkeit geben, die Sinnhaftigkeit dieses Projekts außerparlamentarisch und im Gemeinderat zu diskutieren. Wenn das Konzept nicht mehr schlüssig und die Bevölkerung nicht mehr überzeugt ist, dann muss man sich dieser Diskussion stellen. Das wird bereits über mehrere Jahre verweigert. 

    Der Multimedia-Künstlers André Heller wurde aber bereits beauftragt.

    Auch die Architekten, die den europäischen Wettbewerb zum Projekt gewonnen haben, wurden als Entschädigung für die Annullierung ausbezahlt. Wieso sollte das bei Herrn Heller nicht möglich sein?

  • Markus Frei: „Die Ex-Schenoni-Kaserne würde sich anbieten, um leistbares Wohnen und neue Modelle von Wohnformen zu ermöglichen.“ Foto: Grüne Bürgerliste

    Auch in Brixen ist das leistbare Wohnen immer schwieriger, wie lautet hier Ihr Ansatz?

    Der Mietmarkt muss gestärkt werden, zum einen über die strikte Einhaltung der Konventionierung und zum anderen durch neue Modelle wie die Schaffung eines Arbeiterwohnheims oder Wohnbaugenossenschaften, die Wohnungen zu einem angemessenen Mietzins vergeben. Es braucht außerdem eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Wohnbauinstitut (Wobi), um mehr Sozialwohnungen zu schaffen. Die Ex-Schenoni-Kaserne würde sich anbieten, um leistbares Wohnen und neue Modelle von Wohnformen zu ermöglichen. 

    Bei der Vorstellung Ihrer Kandidatur haben Sie zudem mitgeteilt, sich für das Gemeindeentwicklungsprogramm einsetzen zu wollen.

    Das Gemeindeentwicklungsprogramm wurde überhaupt noch nicht angegangen. Letzthin hat man sich mit den Nachbargemeinden darauf verständigt, in mehreren Bereichen wie Tourismus und Mobilität zusammenzuarbeiten, um die Landesförderungen zu erhalten. Wir haben aber noch keine Informationen darüber, wie der partizipative Prozess gestaltet wird. Das ist eigentlich das Um und Auf von diesem Gemeindeentwicklungsprogramm. Es braucht nicht nur die Beteiligung der Stakeholder, sondern auch die der breiten Bürgerschaft. 

  • Sie wollen sich auch für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel einsetzen.

    Es geht darum, die Auswirkungen von jeglichen Maßnahmen im Straßen, Infrastruktur- und Wohnbau auf das Klima zu prüfen, um Bodenversiegelung zu vermeiden, den Flächenverbrauch zu minimieren und die Gesundheit der Bevölkerung angesichts steigender Temperaturen zu garantieren. Es braucht eine ausreichende Wasserversorgung und genügend Schattenbereiche. Parallel zu den übergeordneten Maßnahmen, die auf globaler und nationaler Ebene erfolgen müssen, ist auch Handeln auf lokaler Ebene wichtig. 

    „Wir sind bereit, soziale, inklusive, eher progressive Themen wieder mehr in die Mitte zu bringen.“

    Beispielsweise?

    Was hier endlich fertig umgesetzt werden müsste, ist das StadtLandFluss-Projekt. Dieses Programm zum Hochwasserschutz läuft bereits seit zehn Jahren in Brixen, die Maßnahmen wurden beispielhaft mit der Beteiligung der Bürger und einer gut durchdachten Kommunikationskampagne umgesetzt. Bedauerlicherweise war Herr Brunner nicht imstande, im Land genügend Gelder für ein Projekt freizumachen, das für die Stadt eigentlich eine hohe Wichtigkeit hat. Jedes Straßenbauprojekt, wie die Westumfahrung, ist mit X-Millionen durchfinanziert und beim StadtLandFluss-Projekt stocken die Arbeiten, weil keine Gelder freigemacht werden. Wir werden uns dafür einsetzen, dass mehr finanzielle Ressourcen dafür zur Verfügung stehen, weil es effektiv eine Sicherheitsfrage für die Stadt ist. 

    Herr Brunner betonte im Gespräch mit SALTO als Bürgermeister auch im Bereich Klimaschutz Maßnahmen gesetzt zu haben, etwa bei Photovoltaik oder Fahrradmobilität.

    Über Photovoltaik weiß ich nicht viel, da wird innerhalb der Stadtwerke was gemacht worden sein, es gab aber keinen großen Schub. Die Initiative der Solarpaneele auf Balkonen der Stadtwerke in Bruneck ist eher kritisiert worden, es sei für Brixen nicht umsetzbar. Auch die Idee einer Bürgergenossenschaft Energiegemeinschaften zu gründen, ist nicht aufgegriffen worden. Leider Gottes hat auch die Kommunikation gefehlt, als die vom Straßenverkehrskodex vorgesehenen Fahrradstreifen gebaut wurden, was Unmut zur Folge hatte. Das ist schade. Gerade in der Umsetzungsphase ist Kommunikation das Schlüsselelement, damit die Leute das nachvollziehen können und eine Änderung im Verhalten herbeigeführt werden kann.

    Wären die Grünen grundsätzlich bereit, mit jeder Partei in Brixen eine Koalition einzugehen?

    Hier verfolgen wir dieselbe Linie wie die Grünen auf Landesebene. Wir sind zwar als Bürgerliste eine autonome Bewegung vor Ort, aber diese rote Linie hin zu den rechten Parteien ist für uns auch gegeben. Wir bewegen uns zu Mitte-Parteien, mit denen wir koalieren würden. Wir sind auf soziale, inklusive, eher progressive Themen und Haltungen ausgerichtet und sind bereit, diese Themen wieder mehr in die Mitte zu bringen. Leider Gottes gibt es auch in Brixen wenig von diesen Ansätzen.

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Hartmuth Staffler Sa., 03.02.2024 - 14:02

BM Brunner konnte sich nur deshalb in der Öffentlichkeit als "Erfolgsmensch" präsentieren, weil die Grünen eine kaum wahrnehmbare Opposition mit Samthandschuhen betrieben haben. Selbst bei der Abstimmung über die Beauftragung des Herrn Heller haben sie sich nicht getraut, dagegenzustimmen, sondern sich der Stimme enthalten, was Brunner seither immer ganz genüsslich zitiert hat. So hat Opposition keinen Sinn.

Sa., 03.02.2024 - 14:02 Permalink
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Am Pere Sa., 03.02.2024 - 14:35

In Brixen kommandiert der Klerus. Das war, abgesehen von der Zeit in der Zeno Giacomuzzi Bürgermeister war, schon immer so.
Und wird, aufgrund der Naivität der Brixner, auch so bleiben.

Sa., 03.02.2024 - 14:35 Permalink
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Salto User
Interessierter Sa., 03.02.2024 - 16:29

Herr Frei und Konsorten vergessen gerne, dass die Grünen selbst von 2010 bis 2015 im Stadtrat saßen, mit katastrophalen Folgen für Brixen.

Sa., 03.02.2024 - 16:29 Permalink
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Franz Pattis So., 04.02.2024 - 12:14

Erlaube mir folgende Aussage von Herrn Markus Frei im obigen Interview zu zitieren: „Es geht darum, die Auswirkungen von jeglichen Maßnahmen im Straßen, Infrastruktur- und Wohnbau auf das Klima zu prüfen, um Bodenversiegelung zu vermeiden, den Flächenverbrauch zu minimieren.“
Meine Frage an dieser Stelle an Herrn Frei: warum setzen Sie sich dann nicht auch für den bedingungslosen Erhalt des Brixner Auwaldes ein? Denn gerade beim geplanten Bau eines Industriegebäudes der Firma Progress an dessen Stelle geht es um Bodenversiegelung und Flächenverbrauch…..
NB. Die oft und sehr gerne zitierten Ausgleichsmassnahmen für die Rodung dieses wertvollen Vogelhabitats und wichtigen CO2 Speichers sind übrigens schon längst als ein totales Greenwashing entlarvt worden, siehe:
https://salto.bz/en/article/08092022/greenwashing-made-brixen
Zudem gibt es in der Brixner Industriezone mit den riesigen Freiflächen vor der Firma Alupress und auf dem ex-Holz Magagna Firmengelände zwei riesige Leerstände…..
Schlussfrage: Wieso kann die Firma Progress nicht dort ihr 3D-BETON Drucker Gebäude bauen?

So., 04.02.2024 - 12:14 Permalink
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Franz Pattis So., 04.02.2024 - 15:24

Antwort auf von Cicero

Tatsache ist aber, dass mit diesen Leerständen volle spekuliert wird bzw. diese an den Meistbietenden verschachert werden. Dabei können leider Jahre vergehen und in der Zwischenzeit werden anderswo weitere Böden versiegelt!
Gottseidank sieht aber das neue Urbanistikgesetz von 2018 vor, dass Leerstände die 2 Jahre ungenutzt bleiben, von der öffentlichen Hand enteignet werden können.
Aber leider ist dieses Gesetz noch ziemlich lückenhaft!

So., 04.02.2024 - 15:24 Permalink
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Gregor Beikircher So., 04.02.2024 - 18:34

Antwort auf von Cicero

Das Grundstück besagten Unternehmens hätten sie ja schon längst kaufen können, so wie sie ja auch den Auwald vom Vinzentinum abgekauft haben. Die kurialen Unternehmen wären eigentlich verpflichtet den Grundsatz der "Bewahrung der Schöpfung" umzusetzen bzw. einzuhalten. Hier ist genau das Gegenteil gemacht worden um materiellen Reichtum zu Lasten der Biodiversität zu schöpfen. Und hier im Zusammenspiel egoistischer wirtschaftlicher Interessen, öffentlicher Verwaltung und scheinbar umweltlicher Natur tun bestimmte Unternehmungen so, als ob hier durch die Plattmachung eines degenerierten Auwaldes für die Biogeozönosen ein Mehrwert geschaffen würde, wenn man auf der anderen Seite ein kleines Stück verseuchten Areals zukauft und versucht in ein Biotop bzw. in einen Rest-Auwald umzuwandeln. Ein Ausgleich für die Jahrzehnte lange Zerstörung von Naturlandschaft im Süden Brixens ist das wohl nicht! Den noch bestehenden Auwaldrest zu erhalten und wieder zu regenerieren und der ursprünglichen Funktion zuzuführen, indem man das ihm abgegrabene Eisackwasser wieder zufließen lässt, müsste im Rahmen des Projektes "StadtLandFluss" doch möglich sein und von allen mitgetragen werden. Habe als Umweltbeauftragter in den Jahrzehnten bis 2010 immer wieder den Erhalt des Rest-Auwaldes durchsetzen können und in den 80-iger Jahren den Rest des Biotopes Millander Au im letzten Moment vor der Zerstörung noch retten können. Wieso sollte dies heutzutage, wo der Erhalt dieser kleinen Rest-Naturlandschaften doch so wichtig ist, nicht mehr möglich sein beides zu erhalten?

So., 04.02.2024 - 18:34 Permalink