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Politik | Klimagerechtigkeit

Klimakrise und soziale Ungleichheit

Laut jüngster Ausgabe des World Inequality Reports halten 80 Millionen Menschen, das sind rund 1% der Weltbevölkerung, fast 40% des Gesamtvermögens.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: upi
  • Nicht nur weltweit, auch innerhalb der Industrieländer wird in den letzten 20 Jahren eine zunehmende Vermögenskonzentration beobachtet. So besitzen in Österreich 5% der Bevölkerung mehr als die Hälfte (53,5%) des gesamten Vermögens. In anderen Euro-Staaten sind es „nur“ 43%. Österreich liegt damit bei der Ungleichheit in der Eurozone fast an der Spitze aller Staaten mit Ausnahme von Lettland. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Österreich muss sich mit 3,5% des Gesamtvermögens abfinden.

    Vermögenskonzentration und Klimakrise hängen eng zusammen, wie jetzt immer genauer dokumentiert wird. In Europa emittiert das einkommensreichste Prozent der Bevölkerung pro Kopf durchschnittlich 55 Tonnen CO2 im Jahr. Das entspricht dem 22-fachen des ökologisch Tragbaren und mehr als dem Siebenfachen des EU-Durchschnitts pro Kopf im Jahr (in Südtirol 7,37 t/Kopf laut Klimahausagentur, 2019). 41% der Emissionen des reichsten 1 Prozent gehen auf den Flugverkehr zurück, gefolgt von dessen Ausgaben für Wohnen und Mobilität. Der Hamburger Soziologe Sighard Neckel weist in seinem Essay „Zerstörerischer Reichtum“ darauf hin, dass die Reichsten nicht nur mit ihrem Konsum die Atmosphäre über Gebühr belasten, sondern vor allem Unternehmensentscheidungen beeinflussen, die ihrerseits zu hohen Emissionen führen, wie etwa in der Energieerzeugung oder Immobilienbranche. Benko ist kein Einzelfall.

    Auf der anderen Seite trifft der Klimawandel weit stärker die ärmeren Länder und innerhalb der Industrieländer den ärmeren Teil der Bevölkerung. Eine kürzlich vom UNDP unterstützte Studie versucht diesen paradoxen Umstand zu quantifizieren. Die Ergebnisse sind ernüchternd: die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, die nur für 12% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, wird für 75% der Kosten der Schäden der Klimakrise aufkommen müssen, während das oberste Zehntel der Weltbevölkerung, verantwortlich für 50% der CO2-Emissionen, nur 3% der durch die Erderhitzung ausgelösten Schäden abdecken muss.

    Mit anderen Worten: die Klimakrise ist nicht nur Folge einer weltweit völlig ungleich verlaufenden, vor allem auf billige fossile Energie gestützten Industrialisierung, sondern treibt die Ungleichheit zwischen sozialen Schichten innerhalb der Staaten und zwischen dem globalen Norden und Süden weiter an. Der bei der COP28 in Dubai geschaffene Ausgleichsfonds (Loss&Damage-Fonds), soll jährlich 100 Mrd. USD vom Norden in den Süden transferieren, doch heute ist schon klar: diese Summe wird nur einen geringen Teil der abschätzbaren Schäden abdecken. Vor allem kann ein solcher Fonds nicht über die Ursachen der strukturellen Ungleichheit hinwegtrösten: das ressourcen- und energieintensive Wachstumsmodell, das von den Industrieländern gesteuert und von zunehmender sozialer Ungleichheit befeuert wird. 

    Mehr Verteilungsgerechtigkeit könnte über progressive und effiziente Einkommensbesteuerung, durch Senkung der Steuerflucht sowie durch echte Vermögenssteuern hergestellt werden. So gesehen ist es unverständlich, dass ein Sportstar und Spitzenverdiener wie Jannik Sinner, der sein Vermögen legal in einem Steuersumpf deponiert, von der Staatsspitze Italiens empfangen und belobigt wird, obwohl Italien gar keine hohen Vermögenssteuern verlangt.

  • Echte Reform des Steuersystems!

    Das Gegenteil von Sinner hat die Millionenerbin und Attac-Unterstützerin Marlene Engelhorn getan, die sich schon lange für eine gerechtere Verteilung von Vermögen einsetzt. Sie verteilt ihr eigenes Vermögen unter Bedürftige und hat zu diesem Zweck die Initiative „Guter Rat für Rückverteilung“ gegründet. Ein Bürgerrat aus 50 zufällig ausgewählten Personen wird von März bis Juni 2024 darüber beraten, was mit 25 Millionen Euro ihres Vermögens passieren soll – und zwar ohne ihre Mitsprache. Seit 10.1.2024 sind 10.000 Einladungsbriefe per Zufallsprinzip versandt worden. „Wenn die Politik ihren Job nicht erledigt und umverteilt, dann muss ich mein Vermögen eben selbst rückverteilen“, sagte sie.

    Nun kann man nicht warten, bis die Reichen freiwillig dem Beispiel von Engelhorn folgen. Umso wichtiger echte Reformen des Steuersystems. So würde nicht nur die zunehmende Ungleichheit eingebremst, sondern auch für mehr Klimagerechtigkeit gesorgt. Die Reichen würden einen angemessenen Beitrag zu den steigenden öffentlichen Ausgaben für Energiewende und Klimaschutz leisten. Sie hätten für höchst klimaschädlichen Luxuskonsum etwas weniger Mittel zur Hand, sofern sie ihn nicht gleich in Steuersümpfe verlegen. Hochverschuldete Staaten wie Italien könnten endlich einen Teil der Schulden abbauen, die jährliche Zinslast senken, ihre Kreditwürdigkeit erhöhen. Zudem könnte die Demokratie vor der politischen Einflussnahme der Reichsten etwas besser geschützt werden. Diese gründen und finanzieren Parteien, kaufen Medien auf, finanzieren und steuern politische Kampagnen bis hin zu „wissenschaftlichen“ Instituten, die ihren Interessen dienen, echten Klimaschutz verhindern, Machtverhältnisse zementieren. Die Bekämpfung sozialer Ungleichheit ist heute nicht nur aus sozialen Gründen geboten, sondern aus planetaren ökologischen Gründen.