Gesellschaft | Ernährung

Ein Versöhnungsversuch

Vivien Büchele will Verbraucherinnen und Landwirte zusammenbringen. Für ihre “Tavolata” steht die Studentin aus Deutschland selbst in der Küche.
Vivien Büchele
Foto: Leika Su Kutzke
  • Vivien Büchele ist im Schwarzwald aufgewachsen. Nun steht sie in der Küche des Goethe Hauses in Bozen und bereitet ein Drei-Gänge-Menü für die Gäste der “Tavolata” vor. Auf den Tisch kommen selbstgemachtes Sauerteigbrot mit Pesto, ein Knödeltris mit Krautsalat und Grießpudding mit Apfelmus und Kaiserschmarrn. Für die Zutaten hat das Küchen- und Serviceteam, das sich aus Büchele und ihren Freundinnen zusammensetzt, Spenden von Bio-Lebensmittelhändlern erhalten. 

     

     „Es sind sich Menschen gegenübergesessen, die sich sonst niemals getroffen hätten.“ 

     

    Das Projekt ist Teil der Masterarbeit der Studentin im Studiengang „Eco-Social Design“ an der Freien Universität Bozen und wird in Zusammenarbeit mit der Südtiroler Organisation für Eine solidarische Welt (OEW) umgesetzt. Als Grundlage für die Rezepte der Tavolata dient eine Umfrage, die Büchele in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale in Bozen durchgeführt hat. In der letzten Frage wollte sie von den Teilnehmenden wissen, was sie am liebsten essen. „Häufig wurden Pesto, Lasagne, Knödel und Kaiserschmarrn angegeben. An der Tavolata wird also das Lieblingsessen der Bozner Bevölkerung serviert“, sagt Büchele. 

  • Menschen zusammenbringen: Essen bietet dafür eine gute Gelegenheit. Foto: Clara Milla
  • Jede Tavolata ist einem Thema zu nachhaltiger Ernährung gewidmet. Diese Woche sprachen die Gäste beim ersten Abend über Esskultur und Tradition, am zweiten Abend ging es um Ernährungsbildung. Nächste Woche soll bei der bereits ausgebuchten dritten Tavolata die Lebensmittelverschwendung im Mittelpunkt stehen. Das Konzept dieses Formats hat die Studentin erarbeitet, um zu einem „partizipativen, multidimensionalen politischen Prozess beizutragen und somit einen sozial und ökologisch verträglichen Transformationsprozess zu gestalten“

     

    „Es herrscht aber das Gefühl, dass man nicht gehört wird.“

     

  • Vivien Büchele: „Es bietet sich an, beim Essen über Essen zu reden.“ Foto: Leika Su Kutzke

    Bis jetzt kommt das Format bei den Gästen gut an. Um verschiedene Standpunkte zu berücksichtigen, hat Büchele auch gezielt Stakeholder aus Wissenschaft und Lebensmittelsektor eingeladen. „Es sind sich Menschen gegenübergegesessen, die sich sonst niemals getroffen hätten und die auch andere Herangehensweisen verfolgen. Das zeigte sich beispielsweise beim Thema Fleischkonsum stark.“ 

    Büchele hat mit ihrer Forschungsarbeit offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Gerade in diesen Tagen protestieren Tausende Landwirte in Europa, um auf ihre Interessen hinzuweisen. „Sie machen auf den Feldern Pionierarbeit und sind als Erste vom Klimawandel betroffen. Es herrscht aber das Gefühl, dass man nicht gehört wird, das war auch das Feedback der letzten Tavolata. Man ist doch eigentlich der Experte für Landwirtschaft. Deshalb verstehe ich, dass die Bauernproteste ein Tool sein können, um sich hörbar zu machen. Wenn aber, wie es in Deutschland passiert ist, Morddrohungen gegen Politikerinnen mit Migrationshintergrund bei diesen Protesten artikuliert werden, kann ich das nicht gutheißen“, erklärt Büchele. 

    Aus ihren Notizen der moderierten Gespräche bei der Tavolata sollen auch Empfehlungen für politische Entscheidungsträger folgen. „Es ist klar, dass wir unser Ernährungssystem ändern müssen, insbesondere wenn Südtirol den Klimaplan einhalten möchte. Dafür müssen aber verschiedene Stakeholder-Gruppen mit eingebunden und dann auch konkrete Maßnahmen gesetzt werden“, sagt Büchele. Die Ergebnisse des Projekts will sie im Frühling der Öffentlichkeit vorstellen und zu diesem Anlass, wie könnte es anders sein, zu einer Tavolata einladen. „Es bietet sich an, beim Essen über Essen zu reden.“ 

Bild
Salto User
Klemens Koessler Sa., 10.02.2024 - 16:54

Die bestimmende Gruppe im Ernährungssystem sind die Wiederverkäufer der Lebensmitteleinzelhandel LEH. Diese bestimmen den Preis und das Angebot . Sie bestimmen was der Endverbraucher essen darf und woher es kommt zu welchem Preis.
Die Gesellschaft kann sich informieren und weiterbilden aber sie bekommt nur was im Geschäft angeboten wird. Die Landwirtschaft kann sich wandeln wie sie will aber überleben kann sie nur mit dem was der LEH bereit ist zu kaufen.
Es ist höchste Zeit den LEH verpflichtend in den Wandel mitzunehmen mit Gesetzen und Beschränkungen ein maximaler Aufschlag von 100% auf das Produkt darf nicht überschritten werden. Importe müssen die selben Umwelt und Lohnniveaus haben wie die EU.

Sa., 10.02.2024 - 16:54 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler So., 11.02.2024 - 15:38

Antwort auf von Klemens Koessler

Eher bestimmt der LGH (Großhandel + Ketten) die Preise. Der LEH wird bei den Grundnahrungsmitteln eher selten 100% auf den EK (vom LGH vorgegeben) aufschlagen können. Außer bei den Cent-Produkten, bei denen auch 1000 und mehr % aufgeschlagen werden können. Z.B. kostet eine AA-Batterie im Großhandel keine 20Cent, im Regal neben der Kasse muss dafür dann für den 4er-Pack 4€ hingeblättert werden.
Bei den Importen wäre es freilich auch sinnvoll mit Zöllen zu agieren: Mit den Einnahmen dort, die wohnortnahe Produktion (mit akzeptablem Umwelt- und Lohnniveau) zu stützen. Bzw. dann regelt sich das eine und andere eh von alleine. Was ganz Europa und die Welt mit unseren Südtiroler Äpfeln dann macht ist natürlich eine andere Frage.

So., 11.02.2024 - 15:38 Permalink
Bild
Salto User
nobody Sa., 10.02.2024 - 20:34

Das ist die eine, große Seite. Auf der anderen Seite gibt es in Europa interessante Alternativen, die kleinräumig funktionieren. Immerhin, es tut sich was. Ein Konzept ist Direktvermarktung, das wäre auch bei uns noch verbesserungsfähig. Auch der Konsument sollte sich auf Neues einlassen. Und zum Artikel: Jede sinnvolle Aktion hilft.

Sa., 10.02.2024 - 20:34 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mi., 14.02.2024 - 07:11

Um die Landwirtschaft herum, machen sich eine ganze Reihe von Berufen sehr wichtig, die Ausnahms-los zum Teil auch mehr als die vollen Lohnkosten drauf lasten.
Kein Wunder wenn für die Bauern, welche die Nahrungsmittel erzeugen, recht wenig übrig bleibt.

Mi., 14.02.2024 - 07:11 Permalink