Politik | Großraubtierwild

Auf den falschen Wolf gesetzt?

Kurz vor den Wahlen ist die Landesregierung beim Thema Wolf plötzlich auf die Linie des Bauernbundes umgeschwenkt. Ein riskanter Weg, sagt heute Arnold Schuler.
  • Vor rund einer Woche hat das Verwaltungsgericht eine Entscheidung zu den Rekursen gegen die Entnahme von insgesamt vier Wölfen und die Durchführungsbestimmungen bzw. das Dekret zu den Weideschutzgebieten getroffen. Gegenstand des Rechtsstreites war nicht nur die Entnahme der Großraubtiere, sondern auch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit und Übereinstimmung mit dem EU-Recht des Gesetzes, mit dem das Konzept der Weideschutzgebiete eingeführt wurde. 

  • Bedrohung Wolf: Das Verwaltungsgericht hat vor Kurzem entschieden, dass die Rekurse gegen die Entnahme von insgesamt vier Wölfen und die Durchführungsbestimmungen bzw. das Dekret zu den Weideschutzgebieten unverfolgbar sind. Foto: Flickr/_ Liquid

    Überprüft wurde auch die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Durchführungsverordnung sowie die Ausweisung der einzelnen Weideschutzgebiete. Beide Rekurse wurden als unverfolgbar abgewiesen, weil die Dringlichkeitsgründe, die zum Erlass der Maßnahmen geführt haben, nicht mehr vorliegen. Die Frist für die Entnahme der Wölfe war im Dekret mit 60 Tagen festgesetzt worden, diese ist aufgrund der richterlichen Aussetzung der Maßnahme inzwischen verstrichen. Laut den Richtern des Verwaltungsgerichts ist eine autonome Anfechtung der Durchführungsverordnung sowie des Dekrets zur Ausweisung der Weideschutzgebiete unzulässig, da kein konkretes Interesse dafür vorliege. Nicht ausgesprochen hat sich das Richterkollegium hingegen zur Verfassungsfrage sowie zur Übereinstimmung mit dem EU-Recht, als gegeben sahen die Richter aber mangelhafte Begründungen für die Entnahme der Wölfe an.

  • Die Gerichte entscheiden

    „Leider wird nicht näher definiert, weshalb die Begründung mangelhaft ist“, erklärt Arnold Schuler, Landtagspräsident und ehemaliger Landwirtschaftslandesrat, in dessen Amtszeit die Entnahmedekrete und das Weideschutzgesetz fallen. Denn damit hätte man zumindest einen Anhaltspunkt, wie die Begründung bei künftigen Dekreten ausgearbeitet werden müsste. Mit Spannung warte man auch auf die Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes zu den Wolfsabschüssen in Tirol. Auch hier gehe es um die Frage, ob per se Almen unter bestimmten Voraussetzungen zu Zonen erklärt werden können, wo Herdenschutzmaßnahmen nicht umsetzbar sind. Aufgrund der Aussagen der Generalstaatsanwältin des EUGH stehe dies allerdings auf tönernen Füßen, glaubt Schuler, was bedeuten würde: Zurück auf Start. Obwohl die Landesregierung vor den Wahlen in Sachen Wolf auf den Standpunkt des Bauernbundes umgeschwenkt ist, ist der nunmehrige Landtagspräsident heute der Meinung: „Das ist ein riskanter Weg. Meine Devise lautete immer, der Handlungsstrategie zu folgen, die wir bereits in anderen Bereichen angewandt haben.“ 

     

    „Das ist ein riskanter Weg. Meine Devise lautete immer, der Handlungsstrategie zu folgen, die wir bereits in anderen Bereichen angewandt haben.“ 

     

    In der Vergangenheit musste man sich mit der Frage nach den Abschüssen von Murmeltieren und Steinböcken auseinandersetzen. Auch hier sei versucht worden, das Problem mit der Brechstange zu lösen und es seien Dekrete erlassen worden, „die nur eine Halbwertszeit von einigen wenigen Tagen hatten“. In Zusammenarbeit mit dem Jagdverband, mit welchem verschiedenen Maßnahmen wie Umsiedlung und Förderung des Verbreitungsgrades umgesetzt worden sind, sei es gelungen, ein positives Gutachtens seitens des ISPRA zu erhalten. „Ein typisches Beispiel ist der Kormoran, der ebenfalls denselben Schutzstatus genießt wie der Wolf und wo man mittlerweile in ganz Europa massive Probleme hat“, erklärt Schuler, der betont, dass es gelungen sei, hier eine Ausnahmeregelung zu erhalten. Kormorane können enorme Schäden an den Fischbeständen anrichten, auch autochthone Fischarten seien davon massiv betroffen. Gemeinsam mit dem Fischereiverband sei die wissenschaftliche Grundlage geschaffen worden, mit guten Argumenten die ISPRA davon zu überzeugen, ein positives Gutachten auszustellen. Von 130 in Südtirol gezählten Kormoranen konnten so 100 erlegt werden – ohne Aufschrei. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Thema Großraubtierwild weitaus emotional aufgeladener ist als jenes des Kormorans. 

  • Arnold Schuler: „Wir waren nicht in der Lage, in einem größeren Rahmen Herdenschutzmaßnahmen auf Almen durchzuführen.“ Foto: LPA
  • Bockige(r) Bauern(bund)

    Auch beim Wolf habe man ursprünglich laut dieser Strategie vorgehen wollen, denn letztendlich würden die Gerichte die Entscheidung, nach denen man sich richten müsse, treffen. „Andernfalls wird man sich noch schwerer tun“, ist Schuler überzeugt. Das Ziel habe darin bestanden, die Tierhalter davon zu überzeugen, Herdenschutzmaßnahmen zu ergreifen. Über Pilotprojekte habe man versucht, zumindest in je einem Bauernbund-Bezirk eine Alm ausfindig zu machen, was auch gelungen sei: Insgesamt neun seien namhaft gemacht worden, am Ende haben sechs jedoch wieder ihre Bereitschaft zurückgezogen. „Wir waren nicht in der Lage, in einem größeren Rahmen Herdenschutzmaßnahmen auf Almen durchzuführen“, musste sich der ehemalige Landwirtschaftslandesrat eingestehen, womit es bei einigen wenigen Ausnahmen geblieben sei. 

  • Schafherde auf einer Alm: Seit 2014 haben die Almen erheblich mehr Gelder und zwar bis zu 14 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Foto: Seehauserfoto

    Aufgrund dieser Blockadehaltung habe man sich vonseiten des ISPRA den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass man nichts unternommen habe und nicht genügend Dokumentation vorweisen könne. „Wo hätten wir sie hernehmen sollen?“, fragt Schuler. Auch er sei nach wie vor überzeugt davon, dass in bestimmten Gebieten Herdenschutzmaßnahmen nicht möglich seien – nur müsse dafür auch der Beweis erbracht werden. Auch mit einer Herabstufung des Schutzstatus sei das Problem nicht aus der Welt geschafft. Insofern habe er jahrelang dafür plädiert, das Problem gemeinsam zu lösen, so Schuler mit Verweis auf die Nachbarprovinz Trient. Hier sei zwar bis dato auch noch kein Wolf geschossen worden, aber auf Basis der nachgewiesenen Herdenschutzmaßnahmen, die man über vier Jahr hinweg durchgeführt habe, habe man zumindest ein positives Gutachten des ISPRA vorliegen. „Wir dagegen haben einen Umweg genommen – ich würde mir wünschen, dass es vor Gericht Bestand hat – aber ich habe meine Zweifel daran“, so Schuler. 

     

    „Wir dagegen haben einen Umweg genommen – ich würde mir wünschen, dass es vor Gericht Bestand hat – aber ich habe meine Zweifel daran.“

     

    Auch wenn man in Zukunft einzelne Tiere entnehmen könne, das Problem werde weiterhin bestehen. „Man muss den Betroffenen klar machen, dass es auch in Zukunft Schäden geben wird“, sagt der nunmehrige Präsident des Landtages. Deswegen brauche es eine gemeinsame Strategie. In diesem Zusammenhang verweist Schuler auf die finanziellen Fördermöglichkeiten bzw. darauf, dass seit 2014 die Almen erheblich mehr Gelder und zwar bis zu 14 Millionen Euro pro Jahr erhalten haben. Einige größere Almen wie beispielsweise im Vinschgau wurden mit 200.000 bis 300.000 Euro pro Jahr gefördert. Laut EU-Vorgabe seien jedoch keine zusätzlichen Förderungen für die Behirtung mehr möglich. Allerdings sehr wohl für das Aufstellen von Herdenschutzzäunen, welche vom Land auch vorgesehen wurden. Aufgrund der gemachten Erfahrungen und der vielen Gespräche in anderen Regionen, in Rom und Brüssel in den letzten Jahren ist Schuler überzeugt: „Egal welche Strategie sich durchsetzen wird, wichtig ist, dass in absehbarer Zeit Wölfe entnommen werden können und deren Bestand reguliert werden kann. Ein erfolgreiches Wolfsmanagement ist nur unter Beteiligung aller möglich.“