Wirtschaft | Justiz

Beschränkte Mediation

Bei der Handelskammer Bozen ist es nicht mehr möglich bei Presseklagen ein verpflichtendes Mediationsverfahren durchzuführen. Ein Zufall oder Strategie?
  • Die Regelung ist fast 14 Jahre alt. 
    2010 wurde im italienischem Justizsystem die verpflichtende Mediation eingeführt. Wer eine Zivilklage einbringen will, muss vorher ein Mediationsverfahren einleiten. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens kann er die Klage beim Landesgericht einbringen.
    Dabei gibt es in Südtirol und auch in allen anderen italienischen Regionen vor allem zwei Organismen, die als Mediationsstellen dienen. Die Anwaltskammer und die Handelskammer. Jährlich führen in diesen Mediationsstellen Dutzende Anwälte hunderte von solchem Mediationsverfahren durch.
    Im Gesetz ist auch genau festgelegt, für welche Bereiche diese Mediationsverfahren verpflichten sind. Es sind 20 verschiedene Bereiche, die von Kondominiumsstreitigkeiten über die Erbfolge bis hin zu „Nichterfüllungen aufgrund der Covid-Eindämmungsmaßnahmen“ reichen.
    Unter den Sachgebieten, bei denen eine Pflichtmediation vorgesehen ist, fällt aber auch die Rufschädigung durch die Presse. Fast 13 Jahre lang wurden diese Fälle auch in der Mediationsstelle der Handelskammer Bozen verhandelt. So haben SALTO und der Autor dieser Zeilen in den vergangenen Jahren mehrere solcher Pflichtmediationen in den Räumlichkeiten der Bozner Handelskammer durchgeführt.

  • Gesuch der Handelskammer Trient: In Südtirol nicht mehr möglich Foto: SALTO
  • Das ist jetzt nicht mehr möglich. Während in den Formularen für ein Ansuchen aller italienischen Handelskammern für eine Pflichtmediation das Feld „Diffamazione con il mezzo della stampa o con altro mezzo di pubblicità“ aufscheint – etwa bei der Trentiner Handelskammer – scheint dieser Bereich bei der Südtiroler Handelskammer plötzlich nicht mehr auf.   
    Solcher Verfahren nehmen wir nicht mehr an“, heißt es auf Nachfrage in der Mediationsstelle der Handeskammer Bozen.
    Wie aber ist das möglich?

  • Die neue Ordnung

    Alle Mediationsstellen müssen in ein staatliches Register eingetragen sein, das beim Justizministerium angesiedelt ist. Seit 2010 ist dort auch die Bozner Handelskammer unter der Nummer 75 eingetragen. Im Gesetz ist auch genau festgeschrieben, welche Bereiche eine solche öffentliche Mediationsstelle abdecken muss. Darunter sind auch die Presseklagen angeführt.
    Am 26. Juni 2023 hat der Kammerausschuss unter dem Vorsitz des Handelskammerpräsidenten Michl Ebner aber eine neue „Mediationsordnung der Handelskammer Bozen“ beschlossen. Darin werden auch die Bereiche genau festgelegt für die die Mediationsstelle zuständig ist. Es sind insgesamt 16 Sachgebiete.
    Acht davon führt die Handelskammer mit 1. Juli 2023 neu ein: Es sind die Sachbereiche: Stille Gesellschaft, Konsortium, Franchising, Werkvertrag und Leistung geistiger Werke, Netzwerkverträge, Bezugsverträge, Personengesellschaften und Zulieferwesen.
    Dazu heißt es in dem Dokument:

    „Andere Verfahren, für welche die Durchführung eines Mediationsverfahrens verpflichtend vorgeschrieben ist, deren Streitgegenstand aber nicht in den Zuständigkeitsbereich der Mediationsstelle fällt, werden nicht angenommen.“

  • Zufällige Streichung?

    Unter diesen Bereichen, die mit der neuen Mediationsordnung gestrichen wurden, finden sich auch die Presseklagen. 
    Rechtlich stützt sich diese Maßnahme auf einen Passus in einer Durchführungsbestimmung, die im Oktober 2010 vom Justiz- und Wirtschaftsministerium gemeinsam erlassen wurde und in der es um die Erstellung dieser Mediationsordnung geht.
    In diesem Regelwerk kann demnach auch stehen: „che la mediazione svolta dall’organismo medesimo è limitata a specifiche materie, chiaramente individuate.“

  • Handelskammerspitze mit Präsident Michl Ebner: Entscheidung mit Auswirkungen auf das Kerngebiet des Verlegers. Foto: Handelskammer Bozen
  • Warum man aber ausgerechnet diesen Sachbereich streicht und gleichzeitig über ein halbes Dutzend neue Bereiche dazu tun, das wird man in der Handelskammer Bozen schwer begründen können.
    Außer man erinnert daran, dass Handelskammerpräsident Michl Ebner gleichzeitig Kopf des größten regionalen Medienkolosses ist und damit ausgerechnet in diesem Bereich persönliche, wirtschaftliche und finanzielle Interessen hat. Demnach könnte es hier, für manchen peinlich werden, wenn etwa Mediationen aus dem Bereich der Athesia in der Handelskammer stattfinden.

     

    "Warum man aber ausgerechnet diesen Sachbereich streicht und gleichzeitig über ein halbes Dutzend neue Bereiche dazu tun, das wird man in der Handelskammer Bozen schwer begründen können."

     

    Mediationsverfahren zur Presseklagen werden demnach in Zukunft ausschließlich vor der Bozner Anwaltskammer stattfinden müssen.
    Ein Zufall? Wohl kaum. 
    Sondern an dieser Entscheidung wird wieder einmal deutlich, wie sich hier eine öffentliche Institution die Spielregeln nach der Interessenslage einiger Weniger zurechtzimmert. 

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Profil für Benutzer Günther Stocker
Günther Stocker Fr., 01.03.2024 - 16:51

Jo logisch isch des lei a Zufoll! Sell war nu schianer, der Weinbergclan agiert unter hòchster christlicher Sondergenehmigung. Unser ober Hirte hot sicher dazu seinen Segen gegeben.

Das ist ja glatt Majestätsbeleidung, auf so was steht soziale Verächtung in den DOLOMYTEN.

Fr., 01.03.2024 - 16:51 Permalink
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Salto User
Alfred Aberer Mo., 04.03.2024 - 08:21

Sehr geehrter Herr Franceschini,
die Mediationen bei Presseklagen finden bereits seit dem Jahr 2019 nicht mehr in der Handelskammer Bozen statt. Dieser Dienst wird in Südtirol von der Anwaltskammer angeboten.
2023 kamen durch die Cartabia-Justizreform eine Reihe von neuen Bereichen für die Pflichtmediationen in der Handelskammer hinzu.
Es freut uns, dass Sie dem Mediationsservice der Handelskammer die Kompetenz zusprechen, auch die Presseklagen erfolgreich zu behandeln. Dieser Dienst ist aber sicherlich auch bei der Anwaltskammer gut aufgehoben.

Alfred Aberer
Generalsekretär der Handelskammer Bozen

Mo., 04.03.2024 - 08:21 Permalink