Giorgia Meloni
Foto: USP
Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Sorella in Südtirol

Die große Sorella Presidente ehrt Südtirol mit ihrem Besuch. Sorella per modo di dire, denn ihre reaktionäre Politik hat mit Schwesternschaft wenig am Hut.
  • Morgen ist es dann so weit: Die große Sorella Presidente ehrt Südtirol mit ihrem Besuch. Sorella per modo di dire, denn ihre reaktionäre Frauenrechts- und Familienpolitik hat, genauso wie ihre restliche Politik, mit Schwesternschaft wenig am Hut. In diesen Monaten der Regierung Meloni hat sich die Situation der Menschenrechte, insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund, von Frauen und von Menschen der LGBTQIA+ Gemeinschaft eindeutig verschlechtert. Das lässt sich erkennen am Gesetzesvorschlag der Fratelli, Frauen vor dem Schwangerschaftsabbruch verpflichtend den Herzschlag des Fötus anhören zu lassen, genauso wie an der Tatsache, dass der Ärzt:innen-Prozentsatz von Verweigerern aus Gewissensgründen in manchen Gegenden bei 100% liegt. Man denke daran, dass in der italienischen Rechtsordnung weiterhin das Wort „Konsens“ fehlt, dass Italien die 2013 ratifizierte Istanbul-Konvention immer noch unzulänglich umsetzt, dass es 30 Jahre nach dem entsprechenden Beschluss der Vereinten Nationen immer noch keine Nationale Behörde für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte gibt (zusammen mit Malta als einzige Staaten der EU). Auch, dass über eine Million in Italien geborener Minderjährige auf eine Reform für ihre Staatsbürgerschaft warten. Dafür gibt es einen Bonus Mamma (der sich als Bluff oder Bonus „Presa In Giro“ entpuppt hat), so etwas wie Gewaltprävention an Schulen (sensible Lehrkräfte sensibilisieren freiwillig und nicht verpflichtend außerhalb der Schulzeit bereits sensible Schüler:innen), wenn auch keine steuerrechtlichen Vorteile mehr für Unternehmen, die Frauen einstellen. Wovon es auch immer weniger gibt: Finanzierungen im Bereich der Prävention von Gewalt an Frauen. Die entsprechenden Gelder wurden um 70% reduziert und sind vor allem im Bereich der Repression konzentriert (also nach bereits begangener Straftat). 

    Aber eines muss man Meloni echt lassen: Sie verkauft ihre rückwärtsgewandten Maßnahmen ziemlich überzeugend oder zumindest sehr unauffällig und geschickt. Und jenen Bürger:innen, die etwas genauer hinschauen und ihren Dissens bekunden, denen drohen Melonis demokratieliebende Handlanger mit Verleumdungsklagen, zumindest in Südtirol. Andernorts sorgen Schlagstöcke und Versammlungsverbote für Ordnung, solange es sich beim Versammeln nicht um faschistische Apotheose handelt.

    Bitte erinnern wir uns an all diese Manöver, wenn wir morgen Bilder stiller Eintracht der Sorella mit unserem Landeshauptmann und der F…antastischen Koalition sehen. Vergessen sind die Zeiten, als Meloni dem „squallido personaggio“ Kompatscher den Rücktritt und ein Exil in Österreich nahegelegt hatte. Dahin hätte sie in der Vergangenheit am liebsten noch weitere Südtiroler:innen geschickt, jene, die sich weigerten anlässlich von staatstragenden Anlässen die Italien-Fahne zu hissen. Schon 2015 war der nationalistische Geist, der Melonis Politik prägt, offensichtlich. Aber das Vergangene scheint vergeben und (vor allem) vergessen und das Gegenwärtige unkommentiert geschluckt angesichts der F…antastischen Koalition – Türöffner für Rechtsextremismus, Faschismus, Populismus, Sexismus, Rassismus. 

Bild
Profil für Benutzer Thomas Unterwinkler
Thomas Unterwinkler Mo., 11.03.2024 - 19:40

Ich stimme darin überein, dass die Gesellschaftspolitik von Meloni bzw. den FdI rückständig ist, allerdings sollte man sich schon an die Fakten halten: Der "Gesetzesvorschlag der Fratelli, Frauen vor dem Schwangerschaftsabbruch verpflichtend den Herzschlag des Fötus anhören zu lassen" ist nicht von den Fratelli, sondern es handelt sich dabei um einen Gesetzesvorschlag auf Grundlage eines Volksbegehrens (proposta di legge d'iniziativa popolare). Das Volksbegehren (Sammeln von mehr als 50.000 Unterschriften) ging von der Organisation "Ora et Labora in Difesa della Vita" und weiteren Organisationen aus.
https://documenti.camera.it/leg19/pdl/pdf/leg.19.pdl.camera.1596.19PDL0…
Weitere Punkte wie die Regelung des Straftatbestands der Vergewaltigung, die Umsetzung der Istanbul-Konvention von 2013 oder die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts sollte man fairerweise den Vorgänger-Regierungen mindestens genau so vorwerfen wie Meloni, die erst seit knapp 17 Monaten im Amt ist.

Mo., 11.03.2024 - 19:40 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Di., 12.03.2024 - 11:59

Antwort auf von Thomas Unterwinkler

Fundamentalisten sind eben gefährlich und gesellen sich gerne mit Extremisten - in diesem Falle wieder einmal Rechts. Es geht hier nicht um moralische Prinzipien, sondern um die Angst vor Machtverlust und Aussterben der machthabenden Bevölkerung.
Es ist eine reaktionäre Denkweise, die alles andere als zukunftsweisend ist, da sie trennt, anstelle zu vereinen: Inklusion und Partizipation sind anstrengend und benötigen andauernde Konfrontationen, während Faschismus ganz simpel beim dummen Volk alles schwarz/weiss ausmalt (für sich selber und die eigenen Leute gelten sehr wohl immer Ausnahmen). Unter Faschismus verstehe ich auch so genannte "Volksregierungen" wie China (an die wir uns ganz gemütlich und vergnügt prostituieren), Russland oder Nordkorea, aber auch global eingreifende Heuchler wie die USA oder die EU und die Weltbank mit ihren Hilfen und Entwicklungsplänen, die eigentlich nichts anderes sind als Ausbeutungsstrategien.
Das ist eben das patriarchale kapitalistische System.
The Landlord's Game wurde von einer Frau geschaffen und zeigte die Gefahren des Monopolismus: leider wurde das Spiel total umgekehrt und durch Monopoly genau das Gegenteil ganz spielerisch von einem von Männern geleiteten Unternehmen weltweit in die Hirne auf der gesamten Welt implantiert.

Di., 12.03.2024 - 11:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Gianguido Piani
Gianguido Piani Mo., 11.03.2024 - 21:21

"Auch, dass über eine Million in Italien geborener Minderjährige auf eine Reform für ihre Staatsbürgerschaft warten."
So formuliert bedeutet der Satz implizit, dass der Ius Soli gut ist. Es gibt aber viele Argumente gegen den Ius Soli. Eine automatische Anerkennung der Staatsbürgerschaft bringt viele Probleme mit sich. Die Frage gehört analysiert und vielleicht ist ein neues Gesetz notwendig. Dies bedeutet aber nicht, dass man den Ius Soli ohne weiteres befürworten muss. Italien hat bereits sehr flexible und offene Gesetze betr. des Aufenthalts von Ausländern und erkennt mehrere Staatsbürgerschaften an (Österreich tut dies beispielsweise nicht). Das sollte man fairerweise anerkennen. Das Problem ist hierzulande die Umsetzung.

Mo., 11.03.2024 - 21:21 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Di., 12.03.2024 - 12:06

Antwort auf von Gianguido Piani

Wie würden Sie sich fühlen, wenn der Staat, in dem Sie geboren wurden, Ihnen keine Chance gibt?
Wovor müssen wir Angst haben? Weshalb sollte ein genealogisch zertifizierter Idiot der sich täglich an der Bar über andere in Rage redet mehr Rechte haben, als ein Kind von Flüchtlingen oder MigrantInnen, das mit den Grundrechten ausgestattet mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mehrwert für diese Gesellschaft werden kann?

Di., 12.03.2024 - 12:06 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Herta Abram
Herta Abram Di., 12.03.2024 - 07:57

Julia Unterberger zu Meloni:
"Ich halte sie insofern für gefährlich, als sie die radikale Rechte salonfähig macht. Wie gesagt gibt sie sich sehr proeuropäisch, aber im Hinterkopf hat sie immer noch das andere Europa, das Europa der Sovranisten und Nationalisten. Ob sie diesen Plan umsetzen kann, wird maßgeblich vom Ausgang der Europawahlen im nächsten Jahr abhängen.Die Zugeständnisse, die Meloni außenpolitisch machen muss, weil Italien auf die europäische „Hilfe“ angewiesen ist, versucht sie innenpolitisch durch eine rechte, identitäre Politik auszugleichen: eine Familienpolitik, die homosexuelle Paare ausgrenzt und von einer Förderung der Geburtenrate nach dem Vorbild Ungarns inspiriert ist, die Brandmarkung der Migration als Ursache allen Übels und die Abneigung gegen klimapolitische Maßnahmen. Sie spricht gern von „Klimaterroristen.
Stichwort Migration- Den größten Fehler hat Meloni damit gemacht,einfache Lösungen zu versprechen.....Es bräuchte ganz andere Ansätze. Das werden wir aber leider mit einer Rechtsregierung nicht erleben. Die braucht Feindbilder."
https://www.tageszeitung.it/2023/10/01/melonis-bilanz/

Melonis Strategie ist aufgegangen, wenn BürgerInnen nun unkritisch mitmachen, - bei Relativierung und Herabwürdigung hinsichtlich Menschenrechte, Klimaschutz und Demokratie!
- ja und dann? - Sich auf eine svp verlassen?

Di., 12.03.2024 - 07:57 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stereo Typ
Stereo Typ Di., 12.03.2024 - 09:13

Antwort auf von Herta Abram

"Melonis Strategie ist aufgegangen, wenn BürgerInnen nun unkritisch mitmachen" - warum bloß unterstellt man Bürgern immer, dass sie nicht mündig wären und sich eine eigene Meinung bilden könnten? Fakt ist, dass Rechts an der Regierung ist und Links abgewählt wurde. Da hilft alles Schreien nichts.

Di., 12.03.2024 - 09:13 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Di., 12.03.2024 - 12:09

Antwort auf von Stereo Typ

BürgerInnen sind in großen Teilen sehr ängstlich und beeinflussbar, und ich muss wohl nicht erklären, wie Propaganda funktioniert; wir haben schließlich auch in unserem heiligen Superland Südtirol bekannte Informationsmonopolisten und Seilschaften, die damit die öffentliche Meinung beeinflussen.

Di., 12.03.2024 - 12:09 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 12.03.2024 - 12:46

Antwort auf von Stereo Typ

Gegen eine politische Fehlentwicklung hilft tatsächlich kein Schreien, wohl aber ein gutes Argumentieren. In Südtirol sollte es eigentlich nicht schwierig sein, auf die Gefahren nationalistischer Politik hinzuweisen, haben wir doch mit Faschismus und Nationalsozialismus verheerende Erfahrungen gemacht. Aber wenn die SVP diese Erfahrungen in den Mülleimer werfen und sich den Rechtsxtremen (oder der Rechtsextremen) an den Hals werfen will, dann ist dieser Partei, aber auch Südtirol nicht mehr zu helfen.

Di., 12.03.2024 - 12:46 Permalink