Wirtschaft | Maskenskandal

OberAlp gegen Sabes

Das Unternehmen OberAlp will mit einer Zivilklage jetzt 30 Millionen Euro vom Südtiroler Sanitätsbetrieb einklagen. Es dürfte für das Unternehmen ein steiniger Weg werden.
oberalp
Foto: OberAlp AG
  • Nach vier Jahren, in welchen unzählige Gespräche und Kompromissversuche mit Politik und Sanitätsbetriebsmanagern gescheitert sind, verbleibt nur noch der Weg einer Zivilklage“, schreibt die OberAlp Group in einer Presseaussendung. Das Südtiroler Großunternehmen kündigt gleichzeitig an, dass man diese Klage beim Landesgericht Bozen für einen Gesamtbetrag von rund 30 Millionen Euro anstrengen wird. In der Aussendung heißt es weiter: „Für die Familie Oberrauch und die Unternehmensleitung der Oberalp ist es unzulässig und unverständlich, dass man ein Südtiroler Unternehmen mit einem Außenstand von 30 Millionen Euro im Regen stehen lässt.
    Harter Tobak in Richtung Landespolitik und Sanitätsbetrieb. Und das ausgerechnet von einem Unternehmen, dessen Präsident Heiner Oberrauch gleichzeitig auch Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes ist.

  • Der Vorwurf

    Der Presseaussendung beigelegt hat OberAlp auch eine Stellungnahme, in der auf engbeschriebenen vier Seiten, nochmal die gesamte Geschichte rund um den sogenannten Südtiroler Maskenskandal aus der Sicht des Unternehmens dargestellt wird. Unter dem Titel „Vier Jahre langes Warten auf 30 Millionen bezahlten Vorschuss für ine Hilfsaktion. Warum die Oberalp den Südtiroler Sanitätsbetrieb auf bisher verweigerte Rückzahlung verklagt“, lässt man hier die Geschehnisse noch einmal Revue passieren.
    Im Großen und Ganzen ist es das Narrativ, das Heiner Oberrauch und OberAlp-CEO Christoph Engl seit vier Jahren in ihren öffentlichen Stellungnahmen, den Anhörungen vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages und auch in den Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft bemühen. Das Motto: „Wir wollten nur helfen und jetzt werden wir im Stich gelassen“.

  • OberAlp-Präsident Heiner Oberrauch: "Ein Südtiroler Unternehmen mit einem Außenstand von 30 Millionen Euro im Regen stehen lässt.“ Foto: Oberalp AG
  • So heißt es in der Aussendung: 

    „Wäre die SABES damals imstande gewesen, diese Geldflüsse an die Lieferanten in China direkt und ohne Hilfe der Oberalp zu organisieren, dann wären diese 30 Millionen Euro heute als außerordentliche Ausgabe für die Pandemiebkämpfung in der Bilanz des Sanitätsbetriebes verbucht. Weil man die Oberalp vor vier Jahren als helfende Bank brauchte und diese um diesen außerordentlichen Dienst bat, ist das 30-Millionen-Loch in der Bilanz dieses Unternehmens! Oberalp hat im Auftrag als Mandant der SABES gehandelt und weder an die SABES verkauft noch deren Waren importiert. Auch der Landeshauptmann hatte in einem Schreiben an den damaligen italienischen Ministerpräsidenten verlautbart, „dass das Südtiroler Unternehmen Oberalp diese Bestellung vorfinanziert hat“.

     

    „Von den politischen Entscheidungsträgern und der neuen SABES-Spitze erwartet sich die Oberalp eine klare Anerkennung der nun gerichtlich eingebrachten Forderung.“

     

    OberAlp erklären aber auch offen, was man sich nach der Ankündigung der Zivilklage jetzt erhofft. So heißt im Presse-Kommuniqué:

    „Von den politischen Entscheidungsträgern und der neuen SABES-Spitze erwartet sich die Oberalp eine klare Anerkennung der nun gerichtlich eingebrachten Forderung. Die ausstehenden 30 Millionen Euro gefährden die Entwicklung der Oberalp-Gruppe, „und dies kann niemandem im Lande gleichgültig sein“.

  • Subjektive Wahrnehmung

    Dabei dürfte diese Sicht der Dinge äußerst subjektiv sein. Denn wie sich in den rund 30.000 Seiten des noch laufenden Strafverfahrens 1854/2020 vor dem Landesgericht Bozen detailliert nachverfolgen lässt, hat die ehemalige Sanitätsspitze in den vergangenen Jahren alles getan, damit die sogenannte zweite OberAlp-Lieferung irgendwie bezahlt werden kann. Florian Zerzer, Patrick Franzoni, Enrico Wegher und ein halbes Dutzend weitere Sabes-Bediensteter haben sich dabei so weit aus dem Fenster gelehnt, dass man gegen sie jahrelang ermittelt hat und bis heute immer noch potenzielle Straftaten im Raum stehen.
    Florian Zerzer & Co haben über ein halbes Dutzend verschiedener Anläufe gemacht, die zum Teil eine Gratwanderung am Rande der Legalität waren, um OberAlp irgendwie aus dieser misslichen Lage zu befreien. Es ging dabei um die ausstehenden 30 Millionen Euro.
    All das scheint das Unternehmen in seiner Stellungnahme jetzt auszublenden.

  • Maskenlieferung aus China: Narrativ des Helfens Foto: Sabes
  • „Seit Jahren verschweigt man der Öffentlichkeit ganz bewusst einen Lösungsversuch, der in der jetzt bekanntgewordenen Zivilklage eine entscheidende Rolle spielen dürfte.“

     

    Vor allem aber verschweigt man seit Jahren der Öffentlichkeit ganz bewusst einen Lösungsversuch, der in der jetzt bekanntgewordenen Zivilklage eine entscheidende Rolle spielen dürfte.

  • Das vergessene Kapitel

    Als die Ermittlungen der Carabinierisondereinheit NAS unter Oberstleutnant Davide Perasso und der Bozner Staatsanwaltschaft Fahrt aufnahmen, waren der Sabes-Spitze die Hände gebunden. Dennoch versuchte man auch eine einvernehmliche Lösung rund um den Maskenskandal zu finden. 
    Nachdem OberAlp bereits rund ein Dutzend Zahlungsaufforderung an den Sanitätsbetrieb geschickt hatte, machte das Unternehmen in einem Schreiben vom  6. September 2021 – auch auf Anraten seines Anwaltes – der Sanitätsspitze den Vorschlag, „dass es notwendig, nützlich und perspektivisch ist, eine Konfrontation und eine außergerichtliche Analyse durchzuführen, die in einem Kollegium der Probiviri erfolgen könnte". 

  • Ex-Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer: Wirklich alles getan, um Oberalp zu helfen. Foto: LPA
  • Bei den sogenannten "Probiviri" handelt es sich um ein in der italienischen Tradition eher aus dem Vereinswesen bekanntes Organ, das Streitfälle schlichten soll und dessen Funktion  jener eines Schieds- oder besser noch Ehrengerichts entspricht.

    Am 7. Oktober 2021 antwortet der Südtiroler Sanitätsbetrieb. In dem Schreiben heißt es:

    „In Anbetracht Ihres Ersuchens, ein Kollegium der Probiviri einzurichten, lehnen wir dies nicht ab, mit der Klarstellung, dass es sich um ein nützliches Studium unter Experten handeln könnte, ohne jedoch einen bindenden Charakter für die Verwaltung zu haben. Dies aus den bekannten Gründen, die den Rückgriff auf alternative Instrumente der verbindlichen Rechtsprechung nur in den gesetzlich vorgesehenen strengen Fällen zulassen“.

     

    Beide Seiten einigen sich darauf, dass dieses Kollegium aus drei Personen bestehen soll, die nicht in ständiger beruflicher Beziehung zu den beiden Parteien stehen. Je einen der Schiedsrichter sollen der Sanitätsbetrieb und OberAlp ernennen und das das dritte Mitglied, das den Vorsitz führt, soll von den beiden von den Parteien ernannten Probiviri einvernehmlich ausgewählt werden.
    Dabei wird von Anfang an festgehalten, „dass das Kollegium der Probiviri weder mit der Aufgabe eines rituellen oder informellen Schiedsverfahrens noch mit der Aufgabe eines schiedsrichterlichen oder vertraglichen Gutachtens betraut wird, dass es eine unverbindliche Stellungnahme und keine Entscheidung zur Beilegung der Streitigkeit abgibt und dass es nicht mit der Beilegung der Streitigkeit zwischen den Parteien betraut wird, sondern lediglich mit der verbindlichen Abgabe einer Stellungnahme als objektive Prüfung der Angelegenheit.“
    Festgehalten wird aber auch, dass das Unternehmen OberAlp sämtliche Kosten dieser Probiviri übernimmt.

  • Diametrale Standpunkte

    Am 31. Dezember 2021 beschließt der Südtiroler Sanitätsbetrieb, dieses Kollegium der Probiviri einzusetzen. Gleichzeitig ernennen Zerzer & Co. den Professor für Verwaltungsrecht und Prorektor an der Universität Perugia, Fabrizio Figorilli, als ihren Vertreter in diesem Gremium. 
    OberAlp hingegen ernennt den Mailänder Anwalt Luigi Arturo Bianchi als seinen Vertreter. Dablei bleibt es. Weil man sich nicht einigen kann, wird das dritte Mitglied und damit der Vorsitzende des Gremiums nie ernannt. Die beiden Parteigutachter arbeiten monatelang an der Rekonstruktion der Ereignisse und an der Stichhaltigkeit der Forderungen. Doch dabei kommt man sich keinen Millimeter näher. 

  • Universitätsprofessor Fabrizio Figorilli: "OberAlp steht kein Cent zu" Foto: YouTube
  • Während OberAlp-Vertreter Bianchi seinem Abschlussbericht davon ausgeht, dass dem Unternehmen die gesamten finanzielle Forderung von mindestens 26 Millionen Euro zusteht, kommt Fabrizio Figorilli zum völlig gegenteiligen Schluss: OberAlp steht kein Cent zu.
    In einem langen Abschlussprotokoll hält man die Ergebnisse beider Seiten fest. Und auch die Tatsache, dass es unmöglich sei, beide diametral auseinandergehende Standpunkte in einen Kompromissvorschlag zu kleiden.
    Bereits im ursprünglichen Beschluss hatte der Südtiroler Sanitätsbetrieb eine weitere Bedingung festgehalten. Dort heißt es, „dass in jedem Fall der Betrieb eine Stellungnahme der Anwaltschaft des Staates einholen wird, bevor es den Streit außergerichtlich beilegt“.
    Dazu treffen sich Florian Zerzer & Co. im Frühjahr 2023 mit dem Leiter der Staatsadvokatur in Trient, Dario Bellisario.
    Angesicht des Abschlussberichtes und auch im Lichte des laufenden Strafverfahrens am Landesgericht Bozen dürfte Bellisario eindringlich von einer außergerichtlichen Lösung abgeraten haben.

  • Munition für Zivilverfahren

    Doch die Analyse und die Berichte von Fabrizio Figorilli werden jetzt in einem möglichen Zivilverfahren gegen OberAlp für den Sanitätsbetrieb zu einem wichtigen, wenn nicht entscheidenden Element werden. Figorilli schmettert in seinem Gutachten die Forderungen der OberAlp mit klaren und logischen Argumenten und vor allem mit Tatsachen ab. 
    Vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf das immer noch laufende Strafverfahren gegen OberAlp-CEP Christoph Engl in derselben Sache wird sich das Unternehmen auch vor dem Zivilgericht schwertun, die eigenen finanziellen Ansprüche durchzusetzen.
    Im Verfahren könnte zudem noch ein anderes Detail angesprochen werden. Laut Abkommen muss OberAlp die Kosten für die Probiviri übernehmen.
    Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat 2023 unter dem Kapitel „Rechtskosten für Streitfälle, außerordentliche Aufwendungen Schiedssprüche“, 24.398,40 Euro an Fabrizio Figorilli bezahlt.
    Ist das die Vorfinanzierung der Rechtskosten, die eigentlich OberAlp zahlen sollte?

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Klemens Riegler Di., 26.03.2024 - 21:59

Es ist das sehr legitime Recht einer Firma vorgestrecktes Geld (nicht Gewinne oder Erträge) zivilrechtlich einzuklagen. Und dass der Präsident dieser Firma zugleich auch Präsident des Unternehmerverbandes ist, spielt dabei eine äußerst geringe bis keine Rolle. Sollte er denn deswegen tatsächlich 30 Mill. Euro aus der eigenen Tasche bezahlen? Sorry, bezahlt hat er ja schon, nur zurückerhalten hat er es noch nicht.
Und entscheiden wird dann eh das Zivilgericht ... es bleibt also spannend, und Franceschini wird noch lange Schreib-Stoff haben. 😅

Di., 26.03.2024 - 21:59 Permalink
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Stefan S Mo., 01.04.2024 - 12:17

Antwort auf von Klemens Riegler

"Sorry, bezahlt hat er ja schon, nur zurückerhalten hat er es noch nicht."
Bei so viel Dilettantismus auf beiden Seiten hat es ja vertraglich noch nicht mal Übereinstimmung gegeben. Alles mit der Hand am Arm.
Über was will man da eigentlich gerichtlich verhandeln? Unvollständige Telefonmitschnitte, lückenhafter E-Mail Verkehr, die ganze rechtliche Lage gleicht dem berühmten Schweizer Käse, in diesem Fall mit extrem großen Löchern.

Mo., 01.04.2024 - 12:17 Permalink
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Martin Schmdit Mi., 27.03.2024 - 10:13

Wieder einmal ein Artikel nur um ein Buch zu verkaufen mit so unglaublichen politisch und egoistischen Einseitigkeit, wie man sieht dass man unter jedem Paragraph eine negativen Satz schreiben muss der nichts mit dem Paragraph zu tun hat.
Es sollte jedem klar sein dass die Oberalp dieses Geld rechtlich und auch rein ethisch bekommen sollte. Es wurde hier in einer absoluten Notsituation Hilfe geleistet, in einer Zeit wo alles drunter und drüber ging. Jetzt hier Paragraphen zu reiten ist einfach nur lächerlich und zeigt warum man dem Land als Betrieb nie helfen sollte.

Mi., 27.03.2024 - 10:13 Permalink