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Politik | Landesegesetz

Klimaschutz ohne rechtliche Grundlage?

In zahlreichen Ländern, Regionen und Kantonen Europas gibt es regionale Gesetze zu Klimaschutz und Energiewende. Warum sollte sich Südtirol diesem Beispiel anschließen?
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Climate Change
Foto: Pexels
  • Was wird geschehen, wenn Südtirol das selbst gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis 2040 nicht erreicht? Was wird geschehen, wenn der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Energieverbrauch bis 2037 nicht auf 85% steigt, wie vom Klimaplan 2040 verlangt? Was können Bürger tun, wenn die Vorgabe des Klimaplans 2040, den motorisierten Individualverkehr um 30% bis 2035 zu senken verfehlt wird? Rechtlich gesehen in allen Fällen nichts, weil nichts von der Klimazielen verbindliches Gesetz ist, nichts von den dort vorgesehenen Maßnahmen von den Bürgerinnen eingeklagt werden kann. Mehr noch: die Ziele können jederzeit von der Landesregierung angepasst oder gar aufgegeben werden: die verschiedenen Planungswerke des Landes müssen nicht dem Klimaplan angepasst werden. Zwar werden heute schon Maßnahmen des Klimaplans umgesetzt, doch systemisch gesehen reicht das nicht aus. Ist der Klimaplan somit ein zahnloser Tiger?

    Nein und ja. Nein, weil auch eine in ein Programm gegossene politische Selbstverpflichtung ihren Wert hat, wenn sie zur Richtschnur des Handelns vor allem der Landesregierung wird. Nein, wenn sie als Teil des Regierungsprogramms von allen Koalitionspartnern mitgetragen wird. Nein, weil so auch für den Landtag eine Bringschuld entsteht, Gesetzesvorhaben nach der geltenden Nachhaltigkeitsstrategie auszurichten. Zudem können sich zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelne auf dieses programmatische Dokument berufen. Dennoch wird der Plan allein nicht reichen, weil unzählige Entscheidungen auf Landes- und Gemeindeebene den Klimazielen zuwiderlaufen, also CO2-intensive Tätigkeiten eher fördern als bremsen.

    Aus diesen Gründen haben zahlreiche Länder, Regionen und Kantone in der EU und anderen Ländern regionale Klimaschutzgesetze verabschiedet. In Deutschland hat die Mehrheit der Bundesländer z.T. schon seit über 10 Jahren ein solches „Landes-Klimagesetz“ in Kraft gesetzt (sehr vorbildlich etwa das Energiewende- und Klimaschutzgesetz von Schleswig-Holstein). In der Schweiz geben kantonale Klimagesetze den Normen bei Kantonszuständigkeiten Verbindlichkeit wie etwa im Kanton Wallis. In Spanien hat das Regionalparlament von Katalonien wie andere Autonome Gemeinschaften schon 2017 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet.

    In Südtirol steht ein solches Landesgesetz noch aus, wie ganz allgemein in Italien noch keine regionalen Klimaschutzgesetze verabschiedet worden sind. Dies auch deshalb, weil Italien eines der letzten EU-Länder ist, das kein staatsweites Klimagesetz zur Umsetzung der EU-Vorgaben in der Klimapolitik hat. Mit ein Grund, warum Italien auch bei der Klimapolitik im Rückstand ist. Andererseits kann Rom die Regionen und Autonomen Provinzen auch nicht daran hindern, Ziele, Maßnahmen, Verfahren zum Klimaschutz in ihren Zuständigkeiten in einem „Landesklimagesetz“ zu bündeln und zu verabschieden.

    Das wird es auch brauchen, weil ansonsten zu viele Ziele unverbindlich, zu viele Klimaschutz-Maßnahmen zu vage und nicht zielführend, zu viele politische Entscheidungen in Widerspruch zur CO2-Reduktionspflicht stehen. Kurz: weil ansonsten die Klimaneutralität einfach keine übergeordnete zwingende Vorgabe für die restliche Gesetzgebung und Landesplanung bildet. In Südtirol sieht z.B. das Bettenstopp-Gesetz eine Obergrenze für neue Betten vor, aber verschiedene Ausnahmen führen zum weiteren Ausbau und damit zu klimaschädlichem Wachstum im Tourismus. Das Gesetz Raum und Landschaft, In Kraft seit 2022, soll die Neuversiegelung einschränken, doch nicht nur innerhalb der festzulegenden Siedlungsgrenzen darf munter weiter versiegelt werden. Laut Klimaplan sollen CO2-Senken wie Wald geschont werden, doch werden viele neue Speicherbecken für verschiedene Zwecke in Wald und Wiesen gebaut (keine CO2-Senken). Es werden hunderte Millionen Euro an Landesförderungen ausgezahlt, deren Klimawirkung gar nicht geprüft wird.

    Ein Landesklimagesetz, wie es auch die großen Umweltverbände seit Jahresende 2023 fordern, muss bald kommen, weil sonst die Weichen in Richtung CO2-Reduktion nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend wirksam gestellt werden. Es geht um ein Gesetz, das der Nachhaltigkeitsstrategie einen tragfähigen normativen Boden verleiht, was zumindest auch Anspruch einer Regierungspartie ist. Anschließend müssen eine Reihe weiterer Landesgesetze und bestehende Planungswerke (z.B. das Skipistengesetz, das Tourismuskonzept) den Vorgaben des Landesklimagesetzes angepasst werden. Die Förderungspolitik für die gewerbliche Wirtschaft muss als neues übergreifendes Kriterium Energiesparen und Emissionssenkung erhalten. Einige umfassender Bereiche wie Ausbau und Förderung der Stromerzeugung mit Photovoltaik werden sicher ein eigenes Landesgesetz erfordern. Das Landesklimagesetz ist sozusagen die Nagelprobe dafür, ob es das Land mit dem Klimaschutz ernst meint.