Gesellschaft | Renten

"Keine Zeit, bin Rentner!"

Das Wohl einer Volkswirtschaft hängt eher von erwirtschaftetem Reichtum und dessen Verteilung ab, als von der Altersstruktur. Das brachliegende Potenzial älterer Menschen sollte daher unbedingt genutzt werden.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
(C) Pixabay
Foto: (C) Pixabay
  • Langfristige Zukunftsprognosen sollten mit Vorsicht genossen werden. Sie basieren nämlich auf aktuell vorhandenen Daten und können von vielen Faktoren beeinflusst werden. Politische Entscheidungen werden allerdings oft aufgrund solcher Daten getroffen, und dies kann zu kontroversen Diskussionen führen. Eine unbestreitbare Vorhersage ist allerdings der Anstieg der Zahl älterer Menschen, die bald ein Drittel unserer Gesellschaft ausmachen werden. Es ist überraschend, dass die Politik nicht strategisch auf diese Entwicklung reagiert, sondern meist nur mit Einzelmaßnahmen.

    Angesichts der Auswirkungen, die früher oder später uns alle betreffen, wäre dies eigentlich eine Priorität. Im Gegenteil! Oft wird das gestiegene Lebensalter negativ dargestellt und dazu verwendet, Sparmaßnahmen im Rentensystem zu rechtfertigen, während die Gelder in Wirklichkeit dann für andere Ausgaben verwendet werden.

    In Wirklichkeit sind auch die Jahre in guter Gesundheit nach dem Renteneintritt mit dem steigenden Lebensalter angestiegen. Die Pflegebedürftigkeit ist statistisch konstant geblieben und betrifft wie früher vornehmlich die letzten zwei bis drei Lebensjahre einer Person. Dies bedeutet, dass es in der Gesellschaft ein großes Potenzial an älteren Menschen gibt, die positiv zum Gemeinwohl beitragen können.

    Daher fordert die EU vehement gesetzliche Regelungen für aktives Altern. Insbesondere in der dritten Lebensphase, zwischen Renteneintritt und etwa dem 75. Lebensjahr, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Menschen eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu ermöglichen. Durch das lokale Gesetz zum aktiven Altern kann diese Entwicklung auch bei uns in Südtirol positiv beeinflusst werden.

    Es gibt dabei viele Möglichkeiten. Ältere Menschen können für ehrenamtliche Tätigkeiten gewonnen werden. Sie können ihr Wissen und ihre Erfahrung an jüngere Generationen weitergeben. Viele ältere Menschen leisten auch vermehrt Erziehungsarbeit für ihre Enkel, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, einer Beschäftigung nachzugehen.

    Mit dem Rückgang von Großfamilien gewinnt auch die Pflege der Eltern an Bedeutung. All diese Aktivitäten sind für die Gesellschaft von großem Nutzen, auch wenn sie nicht zum Bruttoinlandsprodukt gezählt werden. Ohne diese Leistungen wäre die öffentliche Hand jedoch überfordert.

    Ältere Menschen sind auch wirtschaftlich interessant. Im Alter sind sie eher bereit, Geld auszugeben, da sie weniger für ihre Zukunft sparen müssen. RentnerInnen wollen die Welt entdecken und füllen die Beherbergungsbetriebe in der Zwischensaison aus. Sie besuchen kulturelle Stätten, Museen und Veranstaltungen häufiger als junge Menschen. 

    Zudem haben sie Zeit für Wellness und andere Freizeitaktivitäten wie Wandern oder Radtouren. Nicht zuletzt unterstützen sie ihre Kinder beim Aufbau einer eigenen Existenz oder übergeben ihren Betrieb und helfen aktiv mit. Das Klischee vom »alten Eisen« ist also längst überholt.

    Rentenzahlungen sind daher nicht nur ein Kostenfaktor, sondern spielen auch eine Rolle bei der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und haben auch einen positiven Einfluss auf das Bruttoinlandsprodukt.

    Die Politik konzentriert sich jedoch ausschließlich auf die zukünftige Finanzierbarkeit von Renten und Pflege und blendet diese Fakten meist aus. In der europäischen Sparpolitik wird oftmals ein Katastrophenszenario als Vorwand genutzt, um Rentenzahlungen zu kürzen. RentnerInnen werden so zum Finanzierungsmechanismus für die Sanierung der Staatsfinanzen und als Bedrohung für das öffentliche Gesundheitswesen dargestellt.

    Dabei ist es hinreichend bekannt, dass man Statistiken auch manipulativ benutzen kann, um negative Entscheidungen als unvermeidbar darzustellen und als weitsichtige Politik zu verkaufen. Das Wohl einer Volkswirtschaft hängt nämlich eher von erwirtschaftetem Reichtum und dessen Verteilung ab, als von der Altersstruktur der Gesellschaft. 

    Die Produktivität einer Volkswirtschaft wird stark von politischen Entscheidungen beeinflusst, ebenso von verfügbaren Arbeitsmöglichkeiten. Dies gilt auch für den künftigen Mangel an Arbeitskräften.  Es erfordert den Willen der Politik, freie Stellen mit ausländischen Arbeitskräften zu besetzen und diese zu integrieren.

    Dies ist insbesondere in Zeiten aufkommenden Nationalismus' und steigender Fremdenfeindlichkeit eine große Herausforderung. Die Steigerung der Geburtenrate ist nämlich kurzfristig kaum möglich. Die Anzahl der Beschäftigten und die Verteilung des Reichtums sind aber entscheidend dafür, ob wir den kommenden Herausforderungen gewachsen sind. Unser Sozialwesen ist eng mit Arbeit und Lohn verbunden. 

    Natürlich bringt das Alter gesundheitliche Probleme mit sich, und eine zunehmende Pflegebedürftigkeit. Dies ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft.  Die heutige Familienstruktur, meist Kleinfamilien, hat Schwierigkeiten, mit diesen Problemen umzugehen.

    Die Suche nach einem Pflegeheim oder häuslichem Pflegepersonal ist oft einschneidender als der finanzielle Aspekt. Hier stehen wir vor menschlichen Bedürfnissen, die nicht allein durch finanzielle Mittel gelöst werden können, da die zwischenmenschliche Komponente nicht durch Geld ersetzt werden kann. Dies ist die schwierigste Aufgabe für Politik, Sozialpartner und Familien im Kontext der Alterung der Gesellschaft. Es ist wichtig, die notwendige zwischenmenschliche Solidarität zu bewahren und angemessene Pflegeeinrichtungen bereitzustellen.

    Die immer wieder zitierte Finanzierung des Pflegefonds ist sicherlich eine machbare Herausforderung. Das notwendige Personal einzustellen, ist wohl die größere Herausforderung für die Pflegeeinrichtungen und die Familien. Die Rentnergewerkschaften sind seit jeher bereit, sich bei der Lösung dieser Probleme positiv und unvoreingenommen einzubringen. 

    Alfred Ebner

Bild
Profil für Benutzer Stereo Typ
Stereo Typ Di., 21.05.2024 - 15:04

Alles gut und recht. Voll einverstanden. Trotzdem sollte es politische Priorität sein, die Geburtenrate wieder anzukurbeln. Eine Gesellschaft erneuert sich und sichert sich ihren Bestand durch den wiederkehrenden Kreislauf des Geboren-Werdens.

Di., 21.05.2024 - 15:04 Permalink