Stadtführung im Zeichen der Zeit
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SALTO: Frau Dengler-Mahé, was sind die „Austria Guides for Future?“
Evelyne Dengler-Mahé: Wir sind ein Verein von zertifizierten Fremdenführern und tragen daher den Namen Austria Guides. In Österreich ist es nicht möglich, Touren zu führen, wenn man nicht eine Prüfung bestanden hat. Diese Prüfung wird zum Teil von der Wirtschaftskammer abgenommen. Der zweite Teil unseres Namens ist for Future. Während der Corona-Zeit, haben wir uns entschieden nicht nur unser Wissen über Geschichte, Kunst und so weiter durch unsere Touren zu verbreiten, sondern dass wir über andere ganz wesentliche Themen sprechen möchten, den Klimawandel, die Klimaadaptierung, den Umweltschutz und so weiter. Daher der Name Austria Guides for Future. Das heißt auch gleichzeitig, dass wir eine Allianz mit Friday for Future haben und dieser Organisation angehören.
Ihre Organisation hat sich den Stadtführungen mit Augenmerk auf die umweltfreundlichen Orte Wiens und den Klimawandel verschrieben. Warum ist dieses Modell wichtig?
Jeden Tag hört man in den Medien von irgendwelchen Katastrophen, Überflutungen, Murenabgängen und so weiter in anderen Ländern. Jeder normale Bürger stellt sich die Frage, wo gehen wir denn hin? Unsere Arbeit ist zu forschen, was ist denn eigentlich im Gange, wo geht es hin, wie kann man das vermeiden, welche Maßnahmen werden von der Stadt Wien zum Beispiel schon ergriffen? Wir verstehen uns in diesem Sinne als Vermittler .
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Evelyne Dengler-Mahé
Die gebürtige Französin aus der Bretagne lebt seit etwa 10 Jahren in Wien und ist ausgebildete Übersetzerin und Fremdsprachenlehrerin. Als zertifizierte Guide zeigt sie Touristen aus aller Welt die Hauptstadt Österreichs. Dengler-Mahé verbrachte viele Jahre im Ausland, unter anderem in Russland, China und Westafrika. Nach eigener Aussage habe sie dort die Ausmaße des Klimawandels erkannt. Aus diesen Erfahrungen ergab sich ihr Engagement für die Zukunft der Gesellschaft und des Planeten. Bei den Austria Guides for Future leitet sie Touren auf Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch.
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Wie kann man sich eine Führung durch Wien mit den Austria Guides for Future vorstellen? Werden auch die bekannten historischen und kulturellen Orte besucht oder nur jene, die etwas mit Klima zu tun haben?
Für uns ist es wichtig, dass wir keine Panik erzeugen oder nur aktivistisch arbeiten. Wir wollen den Gästen die Möglichkeit geben, sich zu entspannen und etwas Nettes zu lernen und zu entdecken. Wir haben eine besondere Technik entwickelt. Wir führen in Gebiete, wo die Geschichte Wiens präsent ist und verknüpfen dann Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das ist das, was in unseren Führungen immer präsent ist, das Storytelling. Jeder unserer Guides hat mehrere Touren entwickelt. Eine meiner Touren heißt zum Beispiel "Wien im Fluss". Ich beginne an der Mündung vom Wienfluss in die Donau und zeige Bilder aus der Vergangenheit, wie die Stadt aussah. Dann erzähle ich, was für Bemühungen es gegeben hat, die Donau zu kanalisieren, weil es in der Vergangenheit so große Überschwemmungen gegeben hat. Anschließend gehen wir den Wienfluss entlang, über die architektonisch sehr interessanten Jugendstilbrücken bis zum Stadtpark. Die Tour geht weiter und ich zeige immer wieder Bilder aus der Vergangenheit. Die Gäste sehen was früher war. Hier kommt dann unser Modell, denn wir stellen die Frage: Was wird wann passieren? Beispielsweise erzählen wir von Bäumen. Was für Bäume werden noch stehen, wenn es unheimlich heiß und trocken wird? Wird dieser oder jener Baum noch überleben können oder welche Bäume werden die Gärtner in Wien als Klimabäume verwenden? Unsere Arbeit ist, Objektivität in unsere Führungen hineinzubringen. Es gibt viele Wiener, die sich an unseren Führungen beteiligen. Sie kennen die Stadt und die Bezirke und stellen sich oft die Frage, wie es dort weitergeht.
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Also haben Stadtführer einen Bildungsauftrag, der über die Geschichte und die Kultur der Stadt hinausgeht?
Natürlich. Wir haben einen allgemeinen Bildungsauftrag. Die Austria Guides for Future arbeiten auch sehr viel mit den Schulen zusammen. Wir haben einen zweijährigen Vertrag mit der Stadt Wien, sodass ich etwa im Moment zwei- bis dreimal in der Woche frühmorgens Schulklassen dabei habe. Die Lehrer freuen sich sehr über die Möglichkeit, mit den Kindern an Führungen teilzunehmen. Wir betreuen dabei sowohl Schulstoff wie zum Beispiel das Thema Wasser, als auch andere Bereiche wie eben den Klimawandel. Letzterer ist ein Thema, das die Kinder nicht richtig mitbekommen, wenn sie es nicht an Ort und Stelle sehen.
„Wir haben sehr viel Erfolg sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen“
Wie ist die Resonanz zu Ihren Stadtführungen?
Unglaublich, wir haben sehr viel Erfolg sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen. Die Wiener haben diese Eigenschaft, dass sie ihre Stadt lieben und verteidigen. Das haben sie schon immer gemacht. Deshalb freuen sie sich auch, dass wir dafür kämpfen, dass Wien eine lebenswerte Stadt bleibt. Aber wir führen ja nicht nur die Wiener. Zu uns kommen Menschen aus Europa und aller Welt. Speziell auch für unsere Führungen zu Sozialwohnungen, mit der alten Tradition vom Roten Wien sind beliebt. Im Rahmen der internationalen Bauausstellung 2022 haben wir als Guides für die Ausstellung in den fünf großen, neuen Vierteln von Wien gearbeitet.
Denken Sie, dass Ihr Konzept auch in anderen Städte, wie zum Beispiel in Bozen, funktionieren kann?
Auf jeden Fall, aus diesem Grund bin ich hier in Bozen. Ich zeige, wie man so etwas entwickelt. Natürlich muss das Konzept auf die jeweilige Stadt angepasst werden. Bozen ist eine hübsche Stadt, die von Bergen umgeben ist, das haben wir in Wien nicht. Außerdem habe ich den schönen Fluss hier gesehen, sehr lebendig. Ein Guide könnte es zu dieser Natur Bezug nehmen und es mit der Stadt und der Altstadt verbinden. Heute regnet es, da kann man auf die Frage „Was passiert mit dem Regen?“ eingehen. Ist es möglich, dass es zu Überflutungen in Bozen kommt? Wie bereitet sich die Stadt darauf vor? So könnte man das verknüpfen.
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Touristenguides aus aller Welt in Bozen
Derzeit findet in der Eurac das achte Internationale Forschungsforum zu geführten Touren statt. Ziel der Konferenz ist über den Stand der Technik, Herausforderungen und Chancen sowie zukünftige Entwicklungsperspektiven des Guiding weltweit zu diskutieren. Im Mittelpunkt des diesjährigen Forums stehen die Themen Regionalentwicklung, Bildung, Nachhaltigkeit und die nächste Generation. Zu diesen Themen werden verschiedene Vorträge, unter anderem von Evelyne Dengler-Mahé, gehalten. Die Veranstaltung stellt folgende Fragen in den Mittelpunkt:
- Wie können Führungen zur nachhaltigen Entwicklung einer Region beitragen?
- Welche Aus- und Weiterbildung ist notwendig, um Gästeführer auf die Zukunft vorzubereiten?
- Welche Perspektiven gibt es für die nächste Generation von Gästeführern?
Das IRFGT wurde 2009 von einer schwedischen Forschungsgruppe an der Universität Halmstad gegründet und findet seitdem regelmäßig statt, um Menschen und Perspektiven im Bereich geführte Touren zusammenzubringen. Das IRFGT fand zuletzt 2021, online in Ankara statt.
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Was läuft also bei klassischen Stadtführungen schief?
Schief läuft manchmal, dass zum Beispiel die sogenannten Adaptierungen nicht so ernst genommen werden. Hier ein Beispiel: die Pflasterung der Straßen. Wir wissen ganz genau, dass Asphalt nicht zulässt, dass der Boden Sturzregen aufnimmt und sich die Straßen somit mit Wasser füllen. Um das zu ändern, muss die Straße eigentlich aufgerissen und gepflastert werden. Bei den Pflastersteinen ist das Problem wiederum, dass sie so gelegt werden müssen, dass dazwischen kein Zement liegt, denn dann ist der Effekt wieder null. Zwischen den Steinen muss Gras wachsen, damit das Regenwasser versickern kann. Als Stadtführer sollte man auf solche Dinge aufmerksam machen. Wir zeigen den Touristen die "richtigen" Ritzen und erklären, wenn es regnet, dann wird es keine Überflutungen geben, sondern das Grundwasser wird gespeichert.
„Ich wünsche mir, dass es in Zukunft mehr Stadtführer wie uns geben wird.“
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Stadtführungen vor?
Die anderen Stadtführungen werden das bleiben, was sie immer gewesen sind. Es gibt immer Leute, die sehr an Geschichte, Kultur oder Architektur interessiert sind. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft mehr Stadtführer wie uns geben wird. Aber das ist eine sehr, sehr lange und schwierige Arbeit. Erstens, weil man sich völlig neue Kenntnisse aneignen muss und zweitens, weil diese Kenntnisse, die man sich aneignet, ununterbrochen aktualisiert werden. Fakten aus der Geschichte verändern sich nicht mehr, wir hingegen müssen immer auf dem Laufenden bleiben und über Neuigkeiten zu unseren Themen Bescheid wissen. Ich für meinen Teil höre täglich stundenlang Radio, um von neuen Erkenntnissen zu erfahren oder alte, für richtig gehaltene Informationen zu revidieren.
DANK an Salto, Frau Kollegin…
DANK an Salto, Frau Kollegin Dengler Mahé und Herrn Kafmann! - Ein gerade sehr zeitgemäßer Beitrag zur Aufklärung darüber was auf dem Spiel steht!
Derzeit bekommen wir wieder in den Nachrichten gezeigt, wie die heute-übliche fortschreitende Versiegelung "wirkt", die Naturgewalten beflügelt!
Unser Brixen /Bressanone /Persenon ist ein Schulbeispiel, - wie seit über tausend Jahren, seit Gründung der alten Bischofstadt mit Grünbereichen hinter den Häusern geachtet wurde, Niederschlägen und etwaigem Hochwasser durch Versickerungsbereiche entgegenzuwirken.
Bei der derzeitigen Errichtung von Tiefgaragen werden trotz anschließender "Wiederbegrünung" - ebenso, wie durch die heutige Baukultur bei Abtransport des gesamten gewachsenen Bodens um von Betonwannen ersetzt zu werden, - die Versiegelung profitorientiert weiterbetrieben. Die zu erwartenden Auswirkungen werden ebenso überraschend eintreten wie in den jetzigen betroffenen Gebieten!
... und so betrachte ich es…
... und so betrachte ich es als Bürgerpflicht, in meiner Tätigkeit als Stadtzeiger bei meinen Stadtspaziergängen wohl dosiert darauf hinzuweisen ...