Wirklich surreal wird das Ganze aber, als die hohe Geistlichkeit erscheint. Ausdrucklos würdigt auch sie die Menschen auf dem Domikanerplatz keines Blickes. Unter dem Baldachin trägt Bischof Ivo Muser die goldene Monstranz. Der oberste Hirte der Südtiroler Kirche versteckt sich förmlich hinter dem wertvollen Ornament. Die mystische Ekstase scheint so stark zu sein, dass auch von ihm kein Blick in Richtung der Demonstranten geht. So als ginge den Bischof das alles nichts an.
„Man will in der Andacht nicht gestört werden von Menschen, die gegen die Krieg und für den Frieden sind. Man muss ja beten.“
Was hätte es gebraucht, wenn Ivo Muser oder das Domkapitel kurz innegehalten hätten. Ein Kopfnicken, drei Worte an die jungen Menschen gerichtet hätten. Nicht für Palästina oder für Israel, sondern für den Frieden. Der Bischof hätte den Menschen auf dem Dominikanerplatz durchaus symbolisch seinen Segen spenden können. Das wäre Kirche.
Doch nichts von dem. Jene, die gegen den Krieg sind, werden demonstrativ geschnitten. Sie sind nicht einmal eines Blickes würdig.
Laut einer Presseaussendung der Diözese nimmt Ivo Muser später am Pfarrplatz zur Pro-Palästina-Kundgebung Stellung.
„Heute haben wir erneut gesehen, wie polarisiert unsere Welt ist. Die einzige Antwort auf die Kriege und Krisen in der Welt ist der Einsatz für Gewaltlosigkeit. Wir sind alle dazu aufgerufen, uns für den Frieden einzusetzen. Der wichtigste Grundsatz dabei ist gegenseitiger Respekt und Dialog“, sagt der Bischof.
Schöne Worte. Nur haben der Bischof und seine Kirche am Dominikanerplatz genau das Gegenteil gezeigt. Weder Respekt noch Dialogbereitschaft.
Also: Das Morden in Gaza geht weiter. Aber stört uns auf keinen Fall beim Beten.