Politik | Gastbeitrag

„Menschenverachtung ist keine Lösung.“

Der Journalist und Ex-EU-Abgeordnete Hans Peter Martin appelliert an die Menschen bei diesen EU-Wahlen nicht FPÖ oder rechte Parteien zu wählen.
Elezioni europee illustrazione di Rocco Modugno
Foto: Per SALTO Rocco Modugno
  • 506.092 Menschen haben meine „Liste Martin“ gewählt, als ich zuletzt bei der EU-Wahl angetreten bin. Das waren vor fünfzehn Jahren fast 18 Prozent aller Stimmen. Nicht wenige dieser Wählerinnen und Wähler hätten ohne meine Kandidatur schon damals die FPÖ gewählt. Nun höre ich so oft: Dieses Mal mache ich mein Kreuz bei der FPÖ. Das verstehe ich vielfach. Doch es ist grundfalsch.

    Ja, es gibt 1000 Gründe mit der gegenwärtigen politischen Klasse unzufrieden zu sein. Wir alle kennen sie. Doch es gibt einen Grund, dennoch nicht die FPÖ zu wählen: Und das ist der Frieden, der äußere und innere.

    Ein wiedergewählter US-Präsident Donald Trump wird gemeinsam mit Xi Jinping und Wladimir Putin die Welt so aufteilen, dass es für uns in Europa immer unwirtlicher werden wird, nicht nur durch den Angriffskrieg in der Ukraine. Deutschland, Frankreich und auch Italien werden zu Zusehern einer neuen Jalta-Konferenz verdammt sein, die wie schon 1945 die globalen Machtblöcke definieren wird. Während unsere Vorfahren eine aggressive Sowjetunion fürchteten, sollten wir jetzt die russische Desinformation viel ernster nehmen. Die Nähe der FPÖ zu russlandfreundlicher Politik ist ja vielfach belegt. Ein ausgrenzender Nationalismus im Stile der FPÖ wird uns in Österreich nur in die Isolation führen.

  • Foto: Ocean Viking
  • „So sehr uns die Migrationsprobleme und so viele andere Missstände bedrücken: Menschenverachtung ist auch keine Lösung.“
     

    Und so sehr uns die Migrationsprobleme und so viele andere Missstände bedrücken: Menschenverachtung ist auch keine Lösung.  Wer hetzt, erntet Hass. Hass schlägt immer häufiger in Gewalt um. Auch dies befeuert die Kriegsspirale. Innen, mitten bei uns.

  • Der Autor

    Hans-Peter Martin, geboren 1957 in Bregenz. Gymnasium in Vorarlberg, Stipendiat in Kalifornien, Dr. jur. in Wien. Fast 15 Jahre lang Korrespondent beim deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", u. a. in Rio de Janeiro, Prag und Wien. Einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Europas (u.a. „Bittere Pillen", „Die Globalisierungsfalle“, „Game Over“) mit Übersetzungen in 30 Sprachen.
    Hans-Peter Martin wird 1999 auf der SPÖ-Liste ins EU-Parlament gewählt. 2004 verlässt er die SPE-Fraktion und arbeitet als freier Abgeordneter weiter. Im März 2004 macht Martin weltweit Schlagzeilen, weil er einen Spesenskandal im EU-Parlament aufdeckt. 
    Bei den Europa-Wahlen im selben Jahr tritt er mit seiner Liste Dr. Martin an und landet hinter der SPÖ und OVP mit 14,04 Prozent auf Platz drei in Österreich. Fünf Jahre später holt die Liste Hans-Peter-Martin bei den EU-Wahlen 17,7 Prozent. Nach Ende der Legislatur zieht sich Martin 2014 aus der aktiven Parteipolitik zurück.

    Foto: privat
  • Und natürlich die Klimafrage, die in ihren Konsequenzen vor allem die nächste Generation betrifft. Sie wird nicht die letzte sein, denn auch bei einer kaum gebremsten Erwärmung wird die Menschheit nicht aussterben. Doch es wird vermutlich für Milliarden Erdenbürger kaum eine Zukunft geben.

    Wir befinden uns nun auf der Titanic - auch in Europa. Jetzt geht es darum, möglichst viele Rettungsboote überlebensfest zu machen. Worin besteht dabei der Beitrag der FPÖ - außer im Leugnen und in Zynismus?

    Wer in dieser Lage mit der FPÖ liebäugelt, ist in Wirklichkeit blind. Parteien wie die FPÖ führen Österreich und auch Europa ins Verderben. Wo sie an der Macht sind, schränken sie die Demokratie ein - siehe Ungarn, wohl bald auch Italien. Und wenn von Gerechtigkeit die Rede ist: Wo und wann wagen sich denn die Rechtsaußen-Parteien, den wirklich Reichen Paroli zu bieten? Historisch haben sie es nicht getan, in der Gegenwart tun sie es auch nicht. Wer überall Verschwörungen zu erkennen meint: Wer stützt denn im Hintergrund Europas Rechtsaußen und profitiert von ihnen?
     

    „Parteien wie die FPÖ führen Österreich und auch Europa ins Verderben. Wo sie an der Macht sind, schränken sie die Demokratie ein“


    Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. Das sollte doch nicht für Österreich gelten. Und so viele meiner halben Million Wählerinnen und Wähler waren auch 2009 nicht FPÖ-gefährdet. An diese Menschen appelliere ich: Gehen Sie noch einmal auf jene zu, die in ihrer Enttäuschung zu Rechtsaußen neigen. Lasst uns argumentieren! Auch bis zur Nationalratswahl. Der große Absturz läßt sich noch verhindern.
     

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Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Do., 06.06.2024 - 21:45

Wow ! 👈 ...

Das Problem scheint im kleinen Detail zu liegen:
- Ich wähle ein/e NICHT, weil der/die bei einem einzigen Thema nicht meine Meinung vertritt.
- Und wähle dann andererseits eine/n, der bei einem einzigen Thema meine Meinung vertritt ... ohne zu verstehen, dass der/die mich im Allgemeinen zu 90% NICHT vertreten wird.

Es gibt zahlreiche einzelne Ansichten, speziell in der rechten Fraktion, die Grund genug sein müssten irgend etwas anderes zu wählen. Im Sinne von: Wenn man schon so doof ist, jemanden aufgrund einer einzigen Aussage ZU WÄHLEN - NICHT ZU WÄHLEN.

Ergo: Kurz Hirn aktivieren - ALLE Themen durchs Hirnkastl jagen - gut durchmixen - ALLE Ansichten abwägen - schauen was GUT ist ... und dann schauen ob es nicht nur EINEN Grund gibt NICHT Rechts zu Wählen. Gilt in diesem Fall natürlich mehr für Österreich usw., denn für deutschsprachige SüdtirolerInnen stehen FPÖ, AFD & Co. eigentlich nicht zur Debatte bzw. zur aktuellen Wahl.

Do., 06.06.2024 - 21:45 Permalink
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Manfred Klotz So., 09.06.2024 - 07:35

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Herr Staffler, für Sie sind natürlich alle Rechtsaußen, die bei "Selbstbestimmung für Südtirol" nicht jubeln. Als Rechtsaußen gelten in der EU die FPÖ und AfD (von der sich sogar die Melonis und Le Pens distanziert haben, die ich aber auch als Rechtsaußen bezeichnen würde). Weber und Tajani stehen zwar sicher rechts der Mitte, aber Rechtsaußen sind sie definitiv nicht.

So., 09.06.2024 - 07:35 Permalink
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Salto User
Oliver Hopfgartner Sa., 08.06.2024 - 06:56

Antwort auf von Klemens Riegler

Niemand verbietet den anderen Parteien, die 1-2 Punkte selbst anzugehen, wegen welcher rechte Parteien gewählt werden.

Wenn aber Parteien das machen, um rechten Parteien das Wasser abzugraben, wird ihnen ein Rechtsruck angedichtet.

Solange rechte Parteien eine Sonderstellung haben und skandalisiert werden, so lange werden diese Parteien auch erfolgreich bei Wahlen sein. Dieser Artikel bestätigt doch viele systemkritiker darin, FPÖ zu wählen.

Sa., 08.06.2024 - 06:56 Permalink