Wirtschaft | Tourismus

HGV contra AFI

In einer Aussendung hat das AFI gestern fünf Vorschläge unterbreitet, wie der Tourismus zukunftsfähig gestaltet werden soll. Nicht „amused“ ist darüber der HGV.
Raffael Mooswalder
Foto: Seehauserfoto
  • Auf die gestern veröffentlichte Pressemitteilung des AFI hat der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) umgehend reagiert und erklärt, dass er diese mit Verwunderung zur Kenntnis genommen hat. Darin betont der HGV, dass er keine fundierte Diskussion auf Grundlage von wissenschaftlichen Studien scheue. „In diesem Fall scheint es jedoch so zu sein, dass AFI-Direktor Stefan Perini sich noch im Landtagswahlkampf befindet und zu Themen Stellung bezieht, die mit dem Arbeitsauftrag des AFI nichts gemein haben“, so die harsche Kritik des HGV am AFI und seinem Direktor, der bei den letzten Landtagswahlen für das Team K angetreten ist. 

  • Stefan Perini: Der HGV ist nicht besonders erfreut über die kritischen Belehrungen seitens des AFI-Direktors. Foto: Team K

    Stellungnahmen zum Bettenstopp oder zur Ortstaxe seien nur schwer mit den institutionellen Aufgaben eines Arbeitsförderungsinstitutes vereinbar. Das AFI könne und soll sich mit arbeitsmarktpolitischen Fragen auseinandersetzen und dazu äußern, so der HGV, der Perini den Rat gibt, sich als Exponent einer Partei mit tourismuspolitischen Fragen zu beschäftigen – aber nicht in seiner Funktion als Direktor des Arbeitsförderungsinstituts. 

    „Selbst was die Aussagen zur Ausbildung anbelangt, scheint der AFI-Direktor nicht ganz auf dem Laufendem zu sein und mehr seine persönliche Meinung preiszugeben, anstatt die vorliegenden Fakten fachlich und objektiv zu bewerten. Vonseiten eines mit Steuergeldern finanzierten Instituts darf man sich mehr erwarten als nur populistische Aussagen, die auf Zahlen fußen, welche bewusst aus dem Kontext gerissen wurden, um mediale Aufmerksamkeit im Sommerloch zu generieren“, erklärt Raffael Mooswalder, Direktor des HGV. Auf die Kritik, wonach das Berufsbildungs- und Oberschulsystem laut dem AFI übermäßig stark auf Tourismusberufe ausgerichtet wäre, kontert der Hoteliers- und Gastwirteverband mit einer Reihe von Argumenten. So wird erklärt, dass von insgesamt 20.140 Schülerinnen und Schülern, die im Schuljahr 2022/23 eine Oberschule besucht haben, lediglich 1.012 eine Schule mit Schwerpunkt Tourismus besucht haben (Berufsschulen ausgenommen). 

     

    „Vonseiten eines mit Steuergeldern finanzierten Instituts darf man sich mehr erwarten als nur populistische Aussagen.“

     

    Auch weitere Daten werden aufgeführt, die einerseits belegen sollen, wie gut die Ausbildung im Tourismussektor funktioniert und andererseits, dass man den Vergleich mit anderen Ausbildungen nicht scheuen braucht. Bzgl. der Aussage, dass andere Branchen volkswirtschaftlich oder gesellschaftspolitisch relevanter sind, erklärt der HGV, dass es unbestritten ist, dass der Tourismus in Südtirol eine tragende Säule der Wirtschaft ist und gleichzeitig mit Blick auf die Wechselwirkung mit anderen Wirtschaftssektoren eines der treibenden Zahnräder darstellt, das andere Wirtschaftssparten befruchtet. 

  • Raffael Mooswalder, Direktor des HGV: „Der HGV und die Mitgliedsbetriebe wissen aber, dass von Seiten des Gastgewerbes noch mehr Flexibilität notwendig sein wird, wenn wir im Wettbewerb um die Mitarbeiter bestand haben wollen.“ Foto: Seehauserfoto
  • Bezüglich der Äußerungen zur Fünf-Tage-Woche stellt der HGV fest, dass es auch andere Branchen gibt, in denen eine Fünf-Tage-Woche nicht partout möglich ist und in denen am Wochenende gearbeitet wird. In vielen gastgewerblichen Betrieben ist die Fünf-Tage-Woche aber bereits Realität. Tatsache ist auch, dass nicht alle Mitarbeitenden im Gastgewerbe eine Fünf-Tage-Woche wollen. Das gilt vor allem für saisonale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Der HGV und die Mitgliedsbetriebe wissen aber, dass von Seiten des Gastgewerbes noch mehr Flexibilität notwendig sein wird, wenn wir im Wettbewerb um die Mitarbeiter bestand haben wollen“, sagt Direktor Mooswalder. Auch wird in der Aussendung des AFI die Wochenendarbeit als eine Schattenseite des Tourismus für die Mitarbeitenden dargestellt. „Wir sollten als Gesellschaft froh sein, dass sich viele Menschen nicht zu schade sind, sektorenübergreifend auch am Wochenende zu arbeiten. Angefangen bei Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, Sicherheitskräften und vielen anderen mehr, so stellen sich auch die Mitarbeitenden im Gastgewerbe in den Dienst der Bevölkerung und der Gäste, welche am Wochenende eine schöne und gesellige Zeit auf einer Schutzhütte, in einer Bar oder in einem Restaurant verbringen wollen. Solche Menschen verdienen sich Anerkennung und Respekt und keine unqualifizierten Zurufe von der Seite“, unterstreicht Direktor Mooswalder. 

     

    „Wir sollten als Gesellschaft froh sein, dass sich viele Menschen nicht zu schade sind, sektorenübergreifend auch am Wochenende zu arbeiten.“

     

    Abgesehen davon gelte es bei der Einordnung der vorliegenden Stellungnahme des AFI zu bedenken, dass sich laut der Methodologie, welche in der Publikation des AFI beschrieben wird, der Teil bzgl. der Arbeitsbedingungen in der Euregio auf die EWCS-Studien des AFI aus den Jahren 2016 und 2021 sowie auf darauf aufbauende Publikationen fuße. Wie groß die Relevanz von Daten aus den Jahren 2016 und 2021 im Jahre 2024 noch ist, darüber lasse sich diskutieren, so der HGV. 

    Was das Thema Bindung an den Arbeitsplatz und Attraktivität der Gastronomie und der Beherbergung als Arbeitgeber betrifft, arbeite der HGV aktuell an der Arbeitgebermarke für das Gastgewerbe und befinde sich auch in Verhandlungen mit den lokalen Gewerkschaften für den neuen Landeszusatzvertrag. „Nach dem positiven Abschluss der Verhandlungen auf nationaler Ebene, sind sich der HGV und die Gewerkschaften ihrer Verantwortung bewusst, für die Angestellten in Südtirol eine weitere Verbesserung zu erreichen. Gleichzeitig ist es angesichts der aktuellen Arbeitsmarktsituation selbstverständlich, dass der HGV im Rahmen der Entwicklung der Arbeitgebermarke auch daran arbeitet, die Berufe und die Entwicklungen, die es im Gastgewerbe gibt, aufzuzeigen und die Betriebe dabei unterstützt, sich den verändernden Rahmenbedingungen und den Anforderungen der Mitarbeitenden an den Arbeitgebenden anzupassen“, erklärt der HGV abschließend.

Das AFI-Zoom Nr.79 zum Gastgewerbe bringt eine wichtige faktenbasierte Darstellung dieser Branche aus Arbeitnehmersicht, zeigt Licht und Schatten anhand von Daten auf, auch wenn diese dem HGV nicht passen. Das reicht von der unterdurchschnittlichen Bruttoentlohnung im Gastgewerbe (daran ändert auch die demnächst zu beschließende Erhöhung von 50 Euro im Monat als Landeszusatzelement nichts), über die Überbelastung des Personals (53 Wochenstunden statt, wie gewünscht 43 Stunden), über die zu starke Saisonalität, den Druck am Arbeitsplatz (krank zur Arbeit) bis zur realen wirtschaftlichen Bedeutung der Tourismuswirtschaft für Südtirol (12,4% des BIP einschließlich der indirekten Effekte. Das AFI-Zoom wirft eine Reihe wichtiger Fragen auf wie z.B. jene, ob es sich Südtirol in Zeiten der alternden Gesellschaft und abnehmenden Jahrgangsstärke junger Arbeitnehmerinnen noch leisten kann, so viele Erwerbstätige in einem Sektor zu beschäftigen, der eine fragwürdige soziale und ökologische Nachhaltigkeit aufweist. Die gereizte Polemik seitens des HGV war zu erwarten.

Do., 01.08.2024 - 19:08 Permalink
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Salto User
Cicero

Die nervöse Reaktion von HGV Seite zeigt, dass ein Nerv getroffen wurde. Die zügellos ungehemmte Entwicklung im Tourismus ist für weite Teile der Bevölkerung nicht mehr tragbar.

Do., 01.08.2024 - 20:02 Permalink

Die Stellungnahme des HGV ist einfach nur lächerlich. Zum Glück gibt es den AFi Direktor der öffentlich ausspricht was nicht von der Hand zu weisen ist. Deshalb wird dieses Institut auch mit öffentlichem Geld finanziert und nicht von der Tourismuslobby. Inzwischen wird doch wohl bald jede/r die Folgen des Übertourismus erkannt und am eigenen Leib erfahren haben. Zuviel Verkehr, zuviele Warteschlangen, zu hohe Preise und, und, und...das ganze Jahr über. Zum Schaden von Land und Menschen die hier leben!

Do., 01.08.2024 - 23:58 Permalink

Herr Mooswalder,das sind keine populistischen Aussagen seitens des AFI und Herrn Perini,sie zeichnen korrekt die wirklichen Fakten auf! Hören sie auf Leute zu diffamieren,die beim TK kandidiert haben,was hat das Eine mit dem Anderen zu tun nur weil es ihnen als SVP ler nicht gepasst hat!

Fr., 02.08.2024 - 07:15 Permalink