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Politik | Standortmarketing

TourisMUT für noch mehr Werbung?

Eines muss man den IDM-Werbeleuten lassen: sie arbeiten hocheffizient, ansonsten wäre Südtirol nicht so überlaufen.Dennoch steigt das steuerfinanzierte IDM-Budget weiter.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
"Selfie e fuggi-Tourismus" im Südtiroler Villnöss-Tal
Foto: Thomas Benedikter
  • Wenn Influencer Südtiroler Hotspots auf Instagram posten, wenn auf den Trikots der Spieler des FC Südtirol die Südtirolmarke prangt, wenn DIE ZEIT auf einer ganzen Seite den Frühling im Meraner Land anpreist und in deutschen Großstädten hauswandgroße Banner das „Südtirol-Gefühl“ bewerben, dann steckt ein Betrieb dahinter: die (Standortagentur) IDM.  Die „innovators, developers und marketers“, getragen vom Land und der Handelskammer, haben vor Jahren ihr Ziel so markiert: Südtirol soll der begehrteste nachhaltige Lebensraum Europas werden. Tatsächlich ist Südtirol die tourismusintensivste Region der Zentralalpen geworden, hat eine gewaltige Verkehrsbelastung aller Art zu absorbieren, weist ein Immobilienpreisniveau wie Mailand und Rom auf, ist auch wegen des Übertourismus von Nachhaltigkeit weit entfernt.

    Dennoch hat die IDM auch 2024 wieder viel Geld fürs Standortmarketing bereit: insgesamt 60.722.000 Euro, wovon 28.870.000 Euro direkt vom Land und 16.850.000 Euro aus dem Aufkommen der Ortstaxe stammen. Die Hälfte fließt in die Marktbearbeitung, ein beträchtlicher Teil wird aber im IDM-Tätigkeitsprogramm gar nicht nach Einzelausgaben aufgeschlüsselt (overhead).  Allein 24.086.000 Euro fließen 2024 in den Bereich Tourismuswerbung. Wenn die IDM Kampagnen fährt, wie z.B. „Dein Platz ist hier“ (2022, 2,76 Mio Euro) oder die “Brandkampagne” für den Wirtschaftsstandort Südtirol (2021, knapp 3 Mio Euro) wird geklotzt, nicht gekleckert. 2024 wirbt die IDM für den alpinen und mediterranen Frühling mit 1,58 Mio Euro, für den Herbst 2024 mit 1,27 Mio. Euro, und für den Winter mit 1,73 Mio. Euro. 

    Teuer ist die ganzjährige Präsenz auf Suchmaschinen, die sich IDM heuer 2,92 Mio Euro kosten lässt. Gut verdienen auch Influencer mit IDM, die laut Plan 2024 260.000 Euro beziehen werden. In die Social-Media-Kanäle fließen 2024 insgesamt 1,13 Mio. Euro. „In den Kernmärkten beschränkt sich die Bewerbung der Nebensaisonen auf geografisch naheliegende Gebiete zu Südtirol, wo mitunter eine nachhaltige Anreise mit der Bahn möglich ist. Insgesamt fließen hier mindestens 10% der Budgets in die Bewerbung der nachhaltigen Mobilität. IDM Südtirol tätigt keinerlei Investitionen in Bewerbungen, die den Flugverkehr begünstigen bzw. sog. ‚Long-Haul-Märkte‘, die aufgrund der Distanz auf die Anreise per Flugzeug setzen müssen,“ schreibt LR Luis Walcher in der Beantwortung einer Anfrage des Team K am 11.7.2024. Doch wenn IDM-Werbung auf Social Media viral geht, spielt die geographische Entfernung der potenziellen Gäste keine Rolle mehr. IDM gibt – laut Antwort auf die Landtagsanfrage – an, keine „Instagram-Touristen“ anwerben zu wollen: warum gibt sie 2024 dann 1,13 Mio Euro für Social Media aus? Was heißt schon “Long-Haul-Märkte”, wenn IDM neben Osteuropa (lange Autoanfahrten) gerade auch Skandinavien und die Beneluxländer bearbeitet und gleichzeitig SkyAlps mit Billigangeboten für diese Quellmärkte die Zahl der über Bozen transportierten Passagiere auf 500.000 im Jahr steigern will?

    Mit den knapp 16 Mio. Euro, die IDM 2024 ins Destinationsmarketing investiert, will man „jene Gäste ansprechen, die bereit sind, für ein qualitativ hochwertiges und nachhaltiges Angebot einen angemessenen Preis zu zahlen und eine entsprechend hohe Aufenthaltsdauer aufweisen.“ (Landtagsanfrage, 11.7.2024). Doch auf den Anreisemodus und die Anreisehäufigkeit geht IDM laut eigenen Angaben nur in 10% seines Werbebudgets ein; und auf Aufenthaltsdauer und Vor-Ort-Verkehr hat die IDM keinen Einfluss. Wenn 80-86% der Gäste mal mit dem Auto in Südtirol angekommen sind, ziehen sie noch aufs Jahr gerechnet dutzende Millionen Autofahrten vor Ort durch.

    Doch muss überhaupt mehr Steuergeld in die Tourismuswerbung fließen, wenn die Zahl der Ankünfte ständig steigt und die Einheimischen in mehrfacher Hinsicht weiteres Wachstum im Tourismus negativ oder sehr negativ sehen (Studie Lebensraumqualität)? Wenn die Landesregierung tatsächlich die Ziele des Klimaplans 2040 und des Mobilitätsplans 2035 erreichen will (so etwa -30% motorisierter Individualverkehr bis 2035), warum setzt sie nicht beim einfachsten Hebel an, nämlich bei der Einschränkung der Tourismuswerbung? Darauf geht LR Walcher in seiner Antwort ans Team K nicht ein. “tourisMUT” ist das Leitmotiv des Zukunftsbilds für den Südtiroler Tourismus, das die IDM demnächst im Rahmen des Projekts „Tourismus Roadmap 2030“ erstellen will (www.idm-suedtirol.com). Man darf gespannt sein, ob die Landesregierung den Mut aufbringt, den Landesvermarktern irgendwo Grenzen zu setzen.

    Mehr zu diesen Themen in der Publikation “Heimat oder Destination Südtirol?”, die nächste Woche erscheint.