Kultur | Leben

"Wofür es sich zu leben lohnt"

Über das Leben als Verausgabung, den Hedonismus als politische Haltung und warum der Philosoph Robert Pfaller "lieber einmal gebombt als tausendmal erniedrigt wird".

Den Satz "Lebe wild und gefährlich, Arthur" hat jeder von uns wohl schon einmal gehört. Die dazugehörige Postkarte hing in Studenten-WGs und anderen hoffnungs- und erwartungsfrohen Behausungen junger Leute. Die Geschichte erzählt, dass der Wiener Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler den Satz als Empfehlung an seinen Freund Artur Rimbaud gerichtet habe, als dieser krank, mit einem Tumor, zuhause lag. Die Botschaft war: Sei unbesorgt und widme dich weiter deinem unbändigen Leben, auch in der Krankheit. 

Robert Pfaller (1962 in Wien) ist ein österreichischer Philosoph, seit 2009 Ordinarius für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 

Solche Empfehlungen hört man heute nur selten: Viel eher wird uns empfohlen, gesund zu leben, nicht zu rauchen und zu trinken, in Sicherheit und der Anerkennung einer gewissen Kosten-Nutzen-Effizienz ein möglichst langes Leben anzupeilen. Der Wiener Philosoph Robert Pfaller beschreibt in seinem Buch "Wofür es sich zu leben lohnt", warum wir, die reichsten Bevölkerungen der letzten Jahrzehnte, immer biederer und lustfeindlicher geworden sind. "Unsere Kultur hat sich den Zugang zu Glamour, Großzügigikeit und Genuss versperrt," steht im Klappentext des Buches, "wir vermeintlich abgebrühten Hedonisten rufen schnell nach Verbot und Polizei, beim Rauchen, Sex, schwarzem Humor oder Fluchen. Alles Befreiende oder Mondäne dieser Praktiken geht dabei verloren."

"Ein Leben, welches das Leben nicht riskieren will, beginnt unweigerlich dem Tod zu gleichen“.

Robert Pfaller kritisiert in seinem Buch die diffuse und bigotte Haltung einer postmodernen Gesellschaft, die die eigenen privaten Genüsse und Freuden einer kontrollierenden öffentlichen Instanz opfert und sich selbst auf einen weichgespülten und reduzierten Alltag einlässt. Als Beispiel untersucht Pfaller das Rauchverbot, das das Ende einer Gasthaus- und Debattierkultur einführt, die Bologna-Reform an den Universitäten, die die Studenten zu Effizienz und schnellstmöglichem Abschluss hinerziehe, er geht ausführlich auf die Spielphilosophie eines Johan Huizinga oder Georges Batailles ein. Denn das Spiel hebe den "Nützlichkeitsbegriff" vollkommen auf, das Prinzip, dass alles zu etwas "dienen" müsse. 

"Wenn Menschen aufhören, sich spielerisch und großzügig zu verhalten, dann verlernen sie souverän zu sein."

Das Spiel sei der Schlüssel zur Lebensfreude, dort wo es nicht vorkommt, gerät das Leben zur "knechtischen Instanz." Wir Bürger nehmen Vorschriften ohne jedes Murren hin, lassen uns gängeln und uns unserer Würde berauben. Die Sicherheitsvorkehrungen auf Flughäfen seien ein gutes Beispiel dafür: Mit den Schuhen in der Hand, die andere hält den gürtellosen Hosenbund, lassen wir die oberflächliche Kontrolle am Check-In passieren und suchen dann in aller Eile unsere sieben Sachen zusammen. Eine typische Prozedur unserer Gegenwart, die das Leben höher schätze als die Würde. Was lassen wir uns eigentlich alles gefallen? Deshalb fragt Pfaller provokant, „ob es nicht besser sei, einmal gebombt als tausendmal erniedrigt zu werden“. 

Ein ausführliches Interview über "das wofür es sich zu leben lohnt", lesen Sie hier im Link zum "Kölner Stadtanzeiger".