Gesellschaft | Bewusster Konsum

„Esst weniger Fleisch!“

Hauptsache billig, Qualität egal – das scheint das Lebensmotto der westlichen Gesellschaft zu sein, wenn es um Lebensmittel geht. Hier ist ein Umdenken ist notwendig, sagt Tom Mair, Inhaber der Metzgerei „Meatery“, und fordert einen bewussten Fleischkonsum.
Tom Mair
Foto: Meatery OHG
  • Ende September haben die Markennutzer des Qualitätszeichens Südtirol in Meran ihre Vollversammlung abgehalten. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Agrarabteilung der IDM. Neben einigen spannenden Vorträgen zu den Themen Kreislaufwirtschaft und Social Media Kompetenz kam auch Tom Mair zu Wort, der selbst unter dem Qualitätszeichen Südtirol produziert und einen mitreißenden und spannenden Vortrag darüber gehalten hat, wie man sich als Produzent auf dem Südtiroler Markt behaupten kann. 

  • Tom Mair: Der Produzent lokaler Spezialitäten begeisterte mit seiner „Hands-on-Mentalität“. Foto: SALTO

    Tom begeisterte nicht nur durch seine Authentizität, sondern auch durch seine Überzeugungskraft und die Philosophie, die hinter seinem Tun steckt. Dazu gehört unter anderem ein achtsamer Lebensmittelkonsum und das Motto „Qualität vor Quantität“. Tom Mair ist Inhaber der Metzgerei „Meatary“ in Olang - ein nicht gerade typischer Name für einen Südtiroler Traditionsbetrieb im ländlichen Raum, der allerdings aus der „Not geboren“ wurde. Mair ist in Südtirol ein recht häufiger Name, und auch Metzgereien gibt es mehrere, deren Inhaber Mair, Mayr oder so ähnlich heißen. Wie Tom erzählt, ist es einige Male zu „versehentlichen“ Bestellungen gekommen - eine Namensänderung, dazu noch eine, die modern und „in“ klingt, lag daher auf der Hand. 

  • „Brav sein! Schau, wie bös der Metzger schaut!“

    Im Jahr 2018 hat Tom den Betrieb seiner Eltern übernommen, wobei der Weg für ihn nicht unbedingt so vorgezeichnet war. Wie seine beiden Geschwister hat auch er als jüngstes von drei Kindern Wirtschaft an der Universität Innsbruck studiert und nicht das Metzger-Handwerk gelernt. Nichtsdestotrotz setzte er sich, als die Frage im Raum stand, wer den Betrieb übernehmen sollte, mit seinen Eltern zusammen und gemeinsam wurde entschieden, dass er diese Aufgabe übernehmen sollte. Große Veränderungen hat er dabei nicht angepeilt, und die Metzgerei, auch wenn sie nun Meatery heißt, ist in der Tradition treu geblieben. Nach wie vor werden nur einige wenige Rinder und Kälber pro Woche geschlachtet. Die Tiere stammen von Bauern der Umgebung, mit denen bereits eine langjährige Zusammenarbeit besteht. Als Absolvent der Wirtschaftswissenschaften brachte er allerdings einige neue Ansätze hinsichtlich des Vertriebes, der Vermarktung und der Kommunikation mit ein. 

     

    „Ich lache grundsätzlich immer hinter der Theke und ich will auch nicht, dass sich Kinder vor mir fürchten.“

     

    Insbesondere Letzteres betreibt er inzwischen auf einem Level, wie nur wenige in Südtirol. Die Ursache dafür reicht noch in seine Kindheit zurück, als Tom im Geschäft mitgeholfen hat. Besonders negativ in Erinnerung geblieben sind ihm nämlich Mütter, die mit ihren Kindern das Geschäft betreten haben und Sätze wie „Brav sein! Schau, wie bös der Metzger schaut!“ zu ihnen sagten. „Ich lache grundsätzlich immer hinter der Theke und ich will auch nicht, dass sich Kinder vor mir fürchten. Ich will mit dem, was und wie ich es tue, gegen diese Vorurteile antreten“, sagt Tom, der mit dem negativen Image vom Beil und Messer schwingenden Metzger aufräumen möchte. Gemeinsam mit einem Kollegen betreut er eine Imagekampagne, die von den Südtiroler Metzgern ins Leben gerufen worden war. Ziel ist es, die Leute darüber aufzuklären, was die Metzger tun und wie sie es tun, sprich wie Tiere getötet werden und wie das Fleisch verarbeitet wird. 

  • Fleisch als Luxusprodukt: Nicht die Masse zählt, sondern die Qualität. Foto: Meatery OHG

    „Ich sehe unsere ganze Ernährungsweise selbst sehr kritisch, und ich bin der Erste, der den Leuten sagt: Esst weniger Fleisch!“, so Tom. Kommt dieser Satz aus dem Mund eines Metzgers, dann denken die Leute noch gründlicher nach. Was eher als Widerspruch zu seinem Beruf scheint, ist für Tom selbst ein „relativ normaler Gedanke“, wenn man das Thema nicht nur einseitig betrachtet. Die Kritik an der Massenproduktion von Fleisch, die global gesehen ein Problem aufgrund des Ressourcenverbrauchs darstellt, sei nachvollziehbar, dem hält Tom jedoch entgegen, dass die Produktionsweise in Südtirol sehr schonend sei bzw. dass man mit den Ressourcen sehr vernünftig umgehe. Das beinhalte natürlich auch einen maßvollen Fleischkonsum. Noch vor ein, zwei Generationen gehörte Fleisch auf dem Teller zu den Ausnahmen bzw. war der Konsum auf Festtage und Feiern beschränkt. „Fleisch wurde höchstens einmal pro Woche gegessen, und wenn, dann war es von einer hohen Qualität. Würden sich die Menschen auch heute noch danach richten, dann wären bereits viele Probleme in der Welt gelöst“, ist Tom überzeugt und plädiert dafür, dass Fleisch wieder zu einem „Luxusgut“ werden soll. 

     

    „Würden sich die Menschen auch heute noch danach richten, dann wären bereits viele Probleme in der Welt gelöst.“

     

    Der Begriff „Luxus“ soll dabei nicht missverstanden und an die soziale Frage gekoppelt werden. Nicht damit gemeint ist nämlich, dass sich nur die Reichen Fleisch leisten können, sondern es gehe darum, den Fleischkonsum zu überdenken und zu verändern: von der Massenware hin zu Qualität. Letztendlich sei es nämlich weniger eine Frage des Geldbeutels als vielmehr eine Frage des Konsumverhaltens, sprich: Jemand, der täglich Billigfleisch konsumiert, gibt in Summe gleich viel Geld aus wie jemand, der nur einmal pro Woche Fleisch isst, das dann aber von besserer Qualität ist. „Gewohnheiten zu ändern, ist unbequem“, nennt Tom diese Überwindungsarbeit, die einem auf die Nerven geht, wenn man vor der Herausforderung steht, an sich selbst arbeiten zu müssen. 

     

  • Richtung Nachhaltigkeit

    Kühe auf der Alm: In Südtirol wird im Vergleich zu anderen Regionen der Welt noch relativ schonend mit der Natur umgegangen. Foto: Seehauserfoto

    Soll sich etwas Richtung Nachhaltigkeit verändern, sind allerdings nicht nur die einzelnen Konsumenten gefragt, sondern auch die Gastronomie, wo lokale Produkte promotet werden. „Gut und recht – aber der aktuelle Bedarf kann aus der regionalen Produktion nicht gedeckt werden“, weiß Tom. Dazu müsste auch in der Gastronomie ein Umdenken stattfinden, insofern die Gäste dabei mitgenommen werden. Dafür müsse man das Rad nicht neu erfinden, sondern die gute alte Tradition wiederbeleben. Das heißt zum einen weniger und zum anderen eine ganzheitliche Verwertung des Rindes, das eben nicht nur aus einem Filet und Roastbeef besteht. „Früher wurde von einem Tier alles verwertet – nichts wurde weggeworfen und dahin müssen wir wieder zurück“, ist Tom überzeugt. 

     

    „Früher wurde von einem Tier alles verwertet – nichts wurde weggeworfen und dahin müssen wir wieder zurück.“

     

    Als diplomierter Fleisch-Sommelier bietet er Grill-Kurse an und veranstaltet verschiedene Events wie das sogenannte Steak-Tasting, wo im Detail die verschiedenen Geschmacksnuancen ausgekostet werden und die Sensorik erforscht wird. Tom zeigt den Interessierten dabei beispielsweise, wie man die als „Special Cuts“ bezeichneten unedlen Teile eines Rindes, wie Zwerchfell oder Nierenzapfen, geschmackvoll zubereitet. „Filet und Roastbeef machen nicht einmal ein Prozent eines ganzen Rindes aus. Wenn man, so wie wir, das ganze Tier verwertet, dann muss man auch Kunden für die nicht so edlen Teile finden“, erklärt Tom und ergänzt: „Ich darf die Kunden im Zubereitungsprozess alleine lassen, ansonsten wird etwas schiefgehen.“ Schiefgehen kann dabei einiges, wie Tom erklärt, denn die unedlen Teile sind zwar billiger, aber auch schwieriger in der Zubereitung sie sind nicht butterzart wie ein Filet, sondern man muss sie kauen. 

  • Hühnermast in Bodenhaltung: Je weniger Freilauf die Tiere haben, desto zarter ist das Fleisch. Foto: Pixabay/Thomas Quinn
  • Als Fleisch-Sommelier setzt sich Tom sehr eingehend mit dem gesamten Thema Fleischkonsum auseinander, die Kritik sei manchmal gerechtfertigt, oft sei er aber auch mit blanker Unwissenheit konfrontiert. Vor Jahren stürmten beispielsweise Kunden sein Geschäft, die unbedingt „weißes“ Kalbfleisch wollten. Die zartrosa Färbung ist das Resultat einer Mangelernährung, sprich die Kälber werden überwiegend mit sogenannten Milchaustauschern gefüttert, die kein Eisen enthalten, und zwar auch noch in einem Alter, in dem sie bereits Gras und Heu fressen. „Anfangs musste ich mich mit den Kunden intensiv auseinandersetzen“, berichtet Tom. Mittlerweile hätten sie aber vollkommen akzeptiert, dass die Tiere natürlich gehalten werden und das Fleisch deshalb eine rote Färbung hat. Ein weiteres Beispiel betrifft das Südtiroler Bio-Huhn. „Ich hatte erst vor Kurzem einen Kunden im Geschäft, der sich darüber beschwert hat, dass das Fleisch zu zäh gewesen sei“, so Tom, der betont, dass aber genau diese „Bissfestigkeit“ das Typische am Südtiroler Bio-Huhn sei. Es kann sich in der Weite bewegen und dadurch Muskelmasse aufbauen, dadurch verliert das Fleisch wiederum an Zartheit. „Das Fleisch von Tieren, die sich frei bewegen können und frei herumlaufen, wird immer bissfester sein, als jenes von in Ställen oder Käfigen gehaltenen Tieren“, erklärt Tom. Auch in dieser Hinsicht sieht er sich in der Pflicht, Aufklärung zu betreiben. 

Bild
Salto User
hanso.sarntal@… Sa., 26.10.2024 - 14:16

Komplimente Tom Mair von der Metzgerei „Meatary“ in Olang, genau diese jungen (jungen unterstrichen) Menschen geben Hoffnung und müssen gestützt werden! Ganz einfach, indem man sich hin und wieder etwas gutes gönnt, den Produzenten(Bauer) und Metzger das auch bezahlt, von dem sie anständig leben können!

Sa., 26.10.2024 - 14:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mo., 28.10.2024 - 06:34

Tom Mair hat einen sehr guten Ansatz für seinen Metzgerei-Betrieb getroffen.
Mit dem Aufruf: "Esst weniger aber besseres Fleisch + seinen VERTRAUENs-würdigen Lieferanten + den Kursen, wie man mit den nicht so edlen Teile sehr gute Fleischgerichte bereiten kann, ist er auf dem richtigen Weg.
Ein Brathuhn "dem man das Sättigungs-Gefühl weg-gezüchtet hat, um es in 36 Tagen von den wenigen Gramm zur Schlachtreife zu füttern ... + die armen Schweine + Rinder aus den Massen-Mästereien, die auf engstem Raum gezwungen werden, möglichst schnell mit ... ... ihre KILOs an zu fressen," können wohl nicht als VERTRAUENs-würdige Nahrungsmittel gelten!

Mo., 28.10.2024 - 06:34 Permalink
Bild
Salto User
Oliver Hopfgartner Mo., 28.10.2024 - 07:07

Der Witz ist ja, dass die sogenannten "unedlen" Teile oft viel gesünder wären. Leber und Herz haben beispielsweise eine deutlich höhere Dichte an Mikronährstoffen als herkömmliches Muskelfleisch. Der Gehalt an Eisen und Vitaminen in Leber ist deutlich höher. Für wenige Euro bekommt man Bioleber für mehrere Personen.

Auch Knochen bekommt man förmlich nachgeschmissen. Erst letzte Woche habe ich 3 kg knochen beim biometzger geholt und meiner Erinnerung nach unter 10€ gezahlt, auf alle fälle so wenig, dass ich mich nicht an den genauen Betrag erinnere. Wenn man knochen stundenlang kocht, lösen sich sehr viele mikronährsoffe wie Mineralien, kollagenbestandteile und aminosäuren in die Brühe. Portionsweise eingefroren , muss man auch überhaupt keine sog. "Suppenwürfel" als minderwertige Geschmacksstoffe in der küche verwenden.

Ein weiterer Punkt, zu dem mich die Meinung des Metzgers interessiert: in Südtirol bekommt man im Gegensatz zu Österreich de facto keine Würste ohne "Pökelsalz". Pökelsalz ist ein Konservierungsmittel, das dem fleisch die rosa farbe gibt. Ein schinken ohne pökelsalz ist graulich, schmeckt aber viel besser/natürlicher. Wo kriegt man sowas in Südtiol?

Mo., 28.10.2024 - 07:07 Permalink