Umwelt | Pestizide

"Von wegen Vorreiter"

Mit Koen Hertoge mischt in Südtirol ein Vertreter des Netzwerks PAN Italia im Kampf gegen Pestizide mit. Er beklagt ein Nachhinken des Landes gegenüber nationalen Normen.

Südtirol geht beim Schutz vor Pestiziden weiter als die nationale Gesetzgebung, sagt Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler. Genau das Gegenteil ist der Fall, widerspricht der gebürtige Belgier Koen Hertoge von PAN Italia, dem 2013 in Bologna gegründeten Ableger des internationalen Pesticide Action Networks. Nach einem Beleg dafür muss Hertoge nicht lange suchen. Erst Mitte der Woche fiel in der 2. Gesetzgebungskommission des Landtags ein Antrag durch, den PAN Italia laut Hertoge gemeinsam mit den Grünen ausgearbeitet hat.

Nein zu regelmäßigen Pestizid-Untersuchungen des Landes,  Nein zu weiteren legislativen Kompetenzen für Gemeinden mit besonderen lokalen Gegebenheiten wie Windverhältnissen, aber auch Nein auch zu einer Angleichung der Geldstrafen an das Legislativdekret 2012/150, dem nationalen Aktionsplan im Bereich Pestizide hieß es am Mittwoch „Darin wird bei Verstößen gegen Pestizid-Vorschriften eine Strafe von 1000 Euro vorgesehen“, sagt Hertoge, „laut einem Antrag des ehemaligen Malser Bürgermeisters Josef Noggler sollen es in Südtirol nur 250 Euro sein.“

Doch auch in den Anfang Juli verabschiedeten Richtlinien des Landes weiche man bei Vorschriften zu Abstandsregelungen,  sensiblen Zonen oder der Definition gefährdeter Personen von den nationalen Vorschriften ab – und zwar zugunsten der konventionellen Obstbauern, sagt der in Mals wohnhafte Belgier. So sehe der nationale Aktionsplan viel mehr sensible Zonen vor als die Südtiroler Richtlinien; enthalten seien dort unter anderem auch historische Gebäude. „Mit den nationalen Bestimmungen könnten wir zum Beispiel in einer Stadt wie Glurns etwas dagegen tun, dass die Obstwiesen bis an die Türen der Stadtmauer gehen“, so Koen Hertoge.

"Der Schuler richtet es für die Landwirte"

Seine Schlussfolgerung: „Von wegen Vorreiter, der Schuler richtet es für die Landwirte.“ Dass der Landwirtschaftslandesrat davon auch selbst als Bauer mit 12 Hektar Fläche profitiere, stelle darüber hinaus einen Rollenkonflikt dar, findet das für Südtirol zuständige Mitglied des siebenköpfigen PAN Italia-Vorstandes.Dort sitzt der ausgebildete Wirtschaftler übrigens zwischen Biologen, Chemikern, Umweltmedizinern oder Botanikern, die vielfach an der Universität von Bologna tätig sind. Die interessieren sich vor allem dank des Referendums in Mals zuletzt vermehrt für die Provinz im Norden. Dasselbe gilt laut Hertoge auch für Mitglieder von Schwesternnetzwerken wie PAN Europa oder PAN Germany, die bereits eine wesentlich längere Geschichte haben.

Der Austausch innerhalb des Netzwerks hat laut Koen Hertoge auch dazu beigetragen, dass Mals mittlerweile europaweite Bekanntheit erlangt habe. „Bei PAN Europe fiel die schöne Aussage, dass sie sicher einen Schritt weiter wären, wenn sie in den vergangenen 30 Jahren nur zehn solcher Mitarbeiter gehabt hätten wie sie in den Aktionsgruppen in Mals aktiv sind.“ Doch selbst ohne Malser sei vor allem in den vergangenen Jahren auch in Brüssel ein langsamer Mentalitätswandel in Sachen Pestizide zu beobachten, meint Hertoge. Auch dank finanzieller Unterstützungen aus Brüssel gebe es Projekte wie Organic Cities, also pestizidfreie Städte , zu denen beispielsweise Rotterdam zähle. „Und in Dänemark wurde, ebenfalls in Zusammenarbeit von Umweltschutzgruppen und PAN Europe, eine Steuer auf Pestizide eingeführt.“ Viele kleine Schritte, zu denen bald auch Mals zählen könnte, hofft der Belgier. Doch das wird sich erst nach dem 5. September zeigen.