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„Ein regelrechter Hype“

Immer mehr Europäer investieren in ETFs. Wealth Management Experte, Kurt Seeber erklärt, woher der Hype um die Fonds kommt, warum vor allem Jugendliche diese Anlageform für sich entdecken und welche Vorteile diese Art des Investments hat.
Kurt Seeber
Foto: Volksbank
  • SALTO: Herr Seeber, nach einer neuen Studie des Investorenportals „extraETF“ im Auftrag von BlackRock ist die Zahl der monatlich ausgeführten ETF-Sparpläne in Kontinentaleuropa bis Ende September 2024 um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. Wie kommt dieser Trend der Investitionen in ETFs zustande?

    Kurt Seeber: Meines Erachtens gibt es hierfür drei ganze und einen halben Grund. Zunächst ist festzuhalten, dass junge Generationen, wie die Generation Z, sehr digital affin sind, sich zunehmend von den klassischen Beratungssystemen der Investmentbranche loslösen und auf digitale und schnelle Varianten setzen. Das Investieren in ETFs ist derzeit ein regelrechter Trend, getrieben durch die Digitalisierung, die Vernetzung und Soziale Medien. Der zweite große Grund für diese Entwicklung sind sogenannte Financial Technologies wie Revolut. Bei diesen digitalen Anbietern kann man in Eigeninitiative sehr clevere und kostengünstige Investmentangebote finden und ganz einfach online oder per APP kaufen. Der dritte große Treiber der ETF-Investitionen ist der Fakt, dass wir seit zweieinhalb bis drei Jahren ein sehr großes Momentum auf den Finanzmärkten haben. Derzeit nehmen so viele Menschen an Investments teil, wie noch nie. Zurückzuführen ist das auf extrem positive Ergebnisse an der Börse durch zum Beispiel Kryptowährungen. Zudem sind die Einstiegsbarrieren in den Finanzmarkt heute sehr tief. Es stehen Produkte zur Verfügung, die sehr wenig kosten, man kann auch Investments von beispielsweise zehn Euro regelmäßig tätigen und das in ein sehr diversifiziertes Portfolio. Der angesprochene halbe Grund für den Hype sind die ETFs selbst. Sie sind geboren, indem sie einen Index günstig nachzeichnen und mehrere Aktien zusammenfassen. Wer zum Beispiel in alle Aktien des bekannten ETFs MSCI World investieren möchte, müsste dafür um die 1.700 Anteile kaufen. Mit ETFs sind sehr ausgewogene Investments zu kleinen Beträgen möglich. 

  • Was ist ein ETF?

    Ein Exchange Traded Fund (ETF) ist ein börsengehandelter Fonds, der die Entwicklung eines bestimmten Indexes wie zum Beispiel des DAX, S&P 500 oder MSCI World abbildet. Der Fonds sammelt das Geld vieler Anleger und investiert es in die Wertpapiere, die in diesem Index enthalten sind. Dadurch ermöglicht ein ETF, mit einem einzigen Investment automatisch in eine Vielzahl von Unternehmen oder anderen Vermögenswerten zu investieren und so das Anlagerisiko zu streuen.
    Im Gegensatz zu aktiv gemanagten Fonds versucht ein ETF nicht, den Markt zu schlagen, sondern ihn nachzubilden, was die Verwaltungskosten niedrig hält. Zudem können ETFs wie Aktien flexibel an der Börse gehandelt werden. Allerdings bleibt das Risiko von Kursverlusten bestehen, insbesondere bei allgemeinen Marktrückgängen.

  • Welche Vorteile bieten ETFs im Vergleich zu herkömmlichen Aktienfonds?

    ETFs sind passiv gemanagt, was die Verwaltungsgebühren sehr gering hält. Demnach würde sich ein aktiv gemanagter Fond mit viel höheren Verwaltungsspesen nur dann lohnen, wenn sich das Management auch in den Dividenden widerspiegelt. In der Angebotspalette der Investmentfonds schaffen das aber leider nur weit unter 50 Prozent der angebotenen Produkte. Weiters sind ETFs sehr bequeme Instrumente für Investitionen, da man sich auch ohne große Finanzkompetenzen leicht zugänglich einen tollen Index kaufen kann. Der dritte große Vorteil ist, dass man bereits mit geringem Kapital investieren kann. 

     

    „Der Megatrend der Luxusbranche darf nicht unterschätzt werden.“

     

    Sind ETFs für langfristige Anlagen geeignet?

    Ja, sind sie, weil die passive Nachbildung eines Index dem Kunden, der zum Beispiel in den MSCI World investiert, zu einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nach einer bestimmten Anzahl an Jahren eine kapitalisierte jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent liefert. Dieser Index ist so breit aufgestellt, dass auf längere Zeit sehr wahrscheinlich exzellente Ergebnisse geliefert werden. 

  • Der Kurs des MSCI World: Seit Ende 2022 kennt der Index nur eine Richtung, aufwärts. Foto: finanzen.net
  • Welche sind die vielversprechendsten ETFs derzeit?

    Mittlerweile gibt es fast für jeden Index der Welt ein ETF. Indexe in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsbranche, Technologie und Biotechnologie, Pharmazie, Mobilität und Lebensmittel werden in Zukunft bestimmt interessante Performances bieten. Wenn man hingegen in Länder investiert, sollte man auf einen Mix aus aufstrebenden und hoch technologisierten Ländern setzen und nicht nur in Europa investieren. Letztlich darf auch der Megatrend der Luxusbranche nicht unterschätzt werden. Es gibt immer mehr reiche Menschen auf der Welt, die ihr Geld für Luxus-Konsumartikel ausgeben. Ich denke dabei an Gucci oder Louis Vuitton, aber auch an hochpreisige Lebensmittel wie zum Beispiel Wein. Ein sehr interessanter Schritt ist jener, den Warren Buffett macht. Er verkauft nämlich seine Apple-Aktien und investiert in eine Pizzakette. Grund hierfür ist, dass er der Meinung ist, dass sich die Menschen immer schneller und unkomplizierter ernähren, womit solche Lebensmittelvertriebsketten ein enormes Wachstumspotenzial haben.

    Haben ETFs auch Nachteile?

    Ja, die gibt es, auch wenn es nicht viele sind. Grundsätzlich darf man nie vergessen, dass eine klassische, gute Finanzberatung die ETF-Logik bei Weitem übertreffen kann. Ein aktiv gemanagter Fond kann besser arbeiten als ein ETF. Letzteres hängt nämlich am Index, egal wie gut oder schlecht er performt. Ein aktiv gemanagter Fonds hingegen kann einschreiten und falls nötig Teile des Index außen vor lassen.

  • Warren Buffet (links) und Ex-US-Präsident Barack Obama: Der Investor setzt auf den Erfolg einer Pizzakette. Foto: Wikipedia/White House/Pete Souza
  • Wie schätzen Sie die aktuelle weltpolitische Lage, wie zum Beispiel die Wiederwahl Trumps oder die Konflikte vor Europas Toren, als Einfluss auf den Finanzmarkt ein? 

    Es klingt zwar brutal, aber der Krieg ist einer der besten Geschäftsleute. Wenn Krieg herrscht, braucht es, abgesehen von direktem Material für den Konflikt, Hilfsorganisationen, Baufirmen und so weiter. Während eines Krieges wird viel zerstört, weshalb auch wieder viel produziert werden muss. In den meisten Fällen treiben Kriege die Börse nach oben, sofern sie ein gewisses Maß nicht überschreiten. Auch Trump scheint nicht hinderlich für den Finanzmarkt zu sein. Er möchte die Regulierungen des Staates zurückfahren, bedeutet, er will der Finanz freien Lauf lassen, die Umweltauflagen reduzieren und den Handel fördern. Das beflügelt die Börsen, denn je weniger Barrieren die Banken bei Finanzierungen haben und je weniger Umweltauflagen es gibt, desto günstiger ist es zu produzieren und die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Was hingegen sehr wohl Einfluss auf die Märkte nehmen wird, ist, wenn die Zahlen irgendwann nicht mehr stimmen, weil Betriebe ihre Gewinne zurückfahren müssen. 

     

    „Die Treue zu alten, traditionellen Banken nimmt ab.“

     

    In Deutschland setzt mehr als jeder dritte Anleger unter 40 Jahren, wenn er investiert, auf ETFs. Warum ist diese Investmentvariante vor allem bei jüngeren Anlegern in Europa beliebt?

    Junge Menschen wissen, dass sie sich Ersparnisse zulegen müssen, um sich künftige Lebensziele finanzieren zu können. In Deutschland kommen noch zwei weitere Faktoren dazu. Erstens haben sich die deutschen Banken mit Vorliebe den reichen Menschen zugewandt. Die Mittel- und Unterschicht wurde hingegen jahrelang vernachlässigt und mit zu hohen Kosten bedient. Aufgrund dessen suchen sich die Menschen Alternativen mit einfachen Zugängen zu offenen Märkten, niedrigen Einstiegsbarrieren und geringen Kosten. Hinzukommt auch noch der Technologiefaktor. Die heutige Jugend ist in diesem Bereich sehr agil, die Treue zu alten, traditionellen Banken nimmt ab. In Ländern wie Italien sind die Wachstumszahlen sogar noch größer als in Deutschland, Grund hierfür ist aber, dass man von einer niedrigeren Basis ausgeht. Der ETF-Trend betrifft die ganze Jugend in Europa, weil sie perfekt vernetzt ist. Italien muss sich beeilen und ein entsprechendes lokales Angebot etablieren, damit die Kapitale nicht abwandern. 

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Josef Ruffa Di., 26.11.2024 - 14:00

"Ein aktiv gemanagter Fond kann besser arbeiten als ein ETF. Letzteres hängt nämlich am Index, egal wie gut oder schlecht er performt. Ein aktiv gemanagter Fonds hingegen kann einschreiten und falls nötig Teile des Index außen vor lassen."

Leider gibt es sehr sehr wenige Portfoliomanager, welche besser sind und den Index schlagen.
Daher stellt sich die Frage ob es besser ist einen Ferrari zu fahren (und man kommt hinterher drauf, dass es eben kein Ferrari war und die Leistung nicht brachte), oder man fährt einen GTI und ist in der Gesamtleistung besser dran, um es einmal automobiltechnisch zu erklören.
Beide kommen ans Ziel.

Di., 26.11.2024 - 14:00 Permalink