Gesellschaft | Willkommen? Jein.

Südtirol sucht den Supergast.

Südtirol: Wo Knödel und Traditionen heilig sind, Fremde aber nur willkommen, solange sie wieder gehen. Zwischen offenen Armen und verschlossenen Türen zeigt sich ein Spagat: Weltoffenheit wird großgeschrieben, doch die Angst vor Veränderung bleibt.
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  • Ein Land ringt mit sich selbst

    Südtirol, das Land der Berge, des Wohlstands und der heiligen Traditionen. Hier, wo jeder dritte Vorname entweder Josef, Maria oder Franz lautet und das Sonntagsmenü seit Generationen aus Knödeln, Schweinsbraten und einem Schuss Heimatgefühl besteht, steht das Miteinander neuerdings vor Herausforderungen. Nicht, weil es an Platz oder Ressourcen fehlt, sondern an etwas weitaus Wertvollerem: Verständnis.

    Ich erinnere mich an meine Kindheit, als ich als "Griech" in einer Welt aufwuchs, die fest in südtirolerischer Homogenität verankert war. Mein Name – ein Zungenbrecher auf jedem Fußballplatz, ein Running Gag bei jeder Siegerehrung. Es war keine bewusste Bösartigkeit, aber das ständige Gelächter ließ keinen Zweifel: Anderssein war in Südtirol so willkommen wie Sand in den Skischuhen oder ein String in der Ritze. Also tat ich, was jeder in meinem Alter tun würde: Ich kämpfte zurück, fand meine „coolen Kids“-Nische – auf Kosten anderer. Heute weiß ich, wie falsch das war. Aber damals war das Motto klar: Fressen oder gefressen werden. Und „fressen“ bedeutete, Teil der Masse zu sein, koste es, was es wolle.

    Fast 30 Jahre später hat sich einiges verändert – zumindest oberflächlich. Namen wie „Mohammad“ oder „Ahmed“ sind heute nicht mehr die absolute Ausnahme. Dennoch, während Südtirol stolz behauptet, weltoffen zu sein, schaut man in die Realität und fragt sich: Offen für was? Für Menschen? Oder nur für Urlauber mit prall gefüllten Brieftaschen? Denn die neuen „Fremden“, die sich im Land niederlassen, stoßen auf ein altes Problem: Angst. Nicht die Angst vor dem Unbekannten, sondern die vor dem Verlust. Verlust der Kultur, der Kontrolle, vielleicht auch des Traums, dass man in einem kleinen Paradies lebt, das unberührt bleibt.

    Die Aggressionen, die einst subtil in Hänseleien steckten, sind inzwischen unverblümt und hässlich geworden. Vor allem in Städten wie Bozen, wo der Bahnhofpark sinnbildlich für den vermeintlichen Untergang steht. Er ist der neue Schauplatz, auf dem alte Vorurteile zu neuer Realität werden. Die Tatsache, dass dort auch tatsächlich Kriminalität stattfindet, macht die Sache nicht besser. Es bestätigt die Ängste und schürt den Hass – auf alle. Plötzlich wird jeder Mensch mit ausländischem Akzent oder dunkler Hautfarbe zum Feind. Und das, obwohl 94 % dieser Menschen nichts anderes wollen, als hier friedlich zu leben. Aber wer schaut schon auf die 94 %, wenn die anderen 6 % für Schlagzeilen sorgen?

    Das eigentliche Problem ist nicht die Kriminalität, sondern die Verallgemeinerung. Sie ist der wahre Brandbeschleuniger in einer ohnehin angespannten Gesellschaft. Aus Hänseleien wird Misstrauen, aus Misstrauen Hass, und irgendwann sind wir wieder dort, wo wir nie sein wollten: in einer Zeit, in der Herkunft wichtiger ist als Charakter.

    Was ist die Lösung? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber vielleicht liegt der erste Schritt darin, sich an eine simple Wahrheit zu erinnern: Wir sind alle Menschen. Und während wir uns gegenseitig aufteilen, in Südtiroler und Ausländer, Täter und Opfer, gibt es etwas, das uns alle eint. Nicht das Essen, nicht die Sprache, sondern die Hoffnung, dass die Welt, in der wir leben, für uns alle ein Zuhause sein kann – egal, welchen Namen wir tragen.