Politik | Bundestagswahl 2025

Deutschland rückt nach rechts

Linksliberal abgestraft, Merz wird Kanzler, AfD verdoppelt.
Friedrich Merz
Foto: Facebook/CDU
  • Mit der Verdoppelung der Wählerstimmen für die ultrarechte, teils rechtsextreme AfD hat bei dieser Bundestagswahl ein politisches Erdbeben stattgefunden. Und trotzdem hat der Wahlausgang insgesamt für keine großen Überraschungen gesorgt. Denn die so oft gescholtenen Umfrageinstitute hatten die Ergebnisse bis auf die übliche ein bis zwei Prozent-Fehlermarge seit Wochen genau prognostiziert. 

  • Drei Gewinner, vier Verlierer

    Die Union aus CDU und CSU haben die Wahl mit 28,6% eindeutig gewonnen und werden mit Friedrich Merz als Bundeskanzler das Land regieren. Aber der Zugewinn von 4,4% gegenüber 2021 stellt keinen Erdrutschsieg dar – erhofft hatte die Union ja „starke 30+%“

    Selbst bei der AfD murmelten viele der versammelten Aktivisten trotz Freude über den 2. Platz, dass sie eigentlich weit mehr als die Verdoppelung auf 20,5% erwartet hatten. Sensationell ist hingegen das Ergebnis für Die Linke, die selbst die vorhergesagte Aufholjagd von 3 auf 7% noch auf 8,7% steigern konnte.

  • Die Linke in Feierlaune: Die selbst vorhergesagte Aufholjagd von 3 auf 7% konnte noch auf 8,7% gesteigert werden. Foto: Facebook/Die Linke
  • Geradezu katastrophal lief es hingegen für die SPD. Auch wenn sie die prognostizierten 15% auf 16,5% steigern konnte – mit fast minus 10% bleibt es trotzdem das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die 2,8%-Verluste der Grünen auf knapp 12% sind schmerzhaft, wenn auch nicht so dramatisch wie jene der FDP, die mit minus 6,9% die 5%-Prozenthürde nicht geschafft hat und aus dem Bundestag fliegt. Und trotz der jüngsten Erfolge in drei ostdeutschen Bundesländern hat auch Sahra Wagenknechts BSW nach einem angespannten Stimmenzähl-Thriller die 5% doch nicht geschafft. Ihren Verbleib in der Politik ließ sie offen.

  • Wie weit kann Merz das Land nach rechts führen?

    Im kurzen aber heftigen Wahlkampf versprachen Friedrich Merz und sein bayrischer Verbündeter Markus Söder landauf landab eine radikale politische Wende. Schluss mit Woke, Gender und unrealistischen Klimamaßnahmen, das deutsche Lieferkettengesetz und Belastungen durch das Energieeffizienzgesetz sollen fallen; weniger Bürgergeld, dafür mehr und länger arbeiten, als Anreiz Überstundenzuschläge steuerfrei. Auch wer als Pensionist freiwillig weiter arbeitet soll bis zu 2.000 Euro steuerfrei dazuverdienen können. Zwecks Flexibilisierung der Arbeit soll es keine tägliche Höchstarbeitszeit mehr geben, sondern eine wöchentliche. Insgesamt muss die Steuerlast für Unternehmen gesenkt werden, um durch Investitionen und Innovation die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

  • Drastische Einschränkung der Migration

    Nicht weit entfernt von jenen der AfD sind die von der Union geforderten Maßnahmen in Sachen Zuwanderung, Asyl und Abschiebung illegaler Migranten. Ausweitung der Grenzkontrollen mit dem Ziel keinen Geflüchteten ins Land zu lassen, der schon durch ein EU-Land gereist ist, Einführung einer Aufnahmebegrenzung, Einschränkung des Familiennachzugs, radikale Abschiebung Illegaler, Ausweitung der Polizeibefugnisse usw. 

    Inwieweit die Union diese Maßnahmen in dieser Radikalität umsetzen kann, hängt nicht unwesentlich von der Zusammensetzung der Regierung und vor allem von der Neuaufstellung der SPD ab. Denn schon im Vorfeld gab es bei den Sozialdemokraten namhafte Basisvertreter, die einer Koalition mit dem nicht selten überheblich bis arrogant wirkenden ehemaligen Black-Rock-Millionär mehr als skeptisch gegenüberstanden. Und schließlich erfordert ein eventuelles Koalitionsabkommen die Zustimmung der aller SPD-Mitglieder.

  • Olaf Scholz: Der Kanzler der SPD wurde abgewählt. Foto: spd.de
  • Ukraine, Russland und Trump

    Einig sind sich Union und SPD in der Beurteilung der Ursachen des russischen Aggressionskrieges gegen die Ukraine und in der Verurteilung Putins. Dasselbe gilt für den Schock und die Entrüstung über die solcherart von niemanden erwartete antieuropäische und Putin-freundliche Politik Donald Trumps. Im Unterschied zu AfD, BSW und in geringerem Maße der Linken sind sich die potentiellen Koalitionspartner darin einig, dass ein der Ukraine aufgezwungener russisch-amerikanischer Diktatfrieden unbedingt verhindert werden müsse. Ebenso, dass das nur ein geeintes und militärisch gestärktes Europa verhindern kann. 

    Allerdings gibt es auch da Unterschiede bei den Vorstellungen darüber, wie Europa gestärkt werden muss. Friedrich Merz war im Unterschied zu Olaf Scholz schon lange dafür, der Ukraine die berühmten Taurus-Raketen zu liefern. Beide setzen sich hingegen für weitere Geld- und Waffenhilfe für die Ukraine und für weitere Sanktionen gegen Russland ein. Aber während beide Parteien eine rasche Aufrüstung Deutschlands und Europas für nötig halten, geht Merz zwei Schritte weiter. Er fordert die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland – in einer TV-Wahlarena-Befragung sprach er gar von einer zweijährigen Wehrpflicht. Zudem setzen sich CDU/CSU für eine „nukleare Teilhabe und die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland“ (DF) ein.

    Die SPD fordert aber sowohl zur Bewältigung der wirtschaftlichen-sozialen Herausforderungen in Deutschland als auch zur Aufrüstung und zur Stärkung der Unabhängigkeit gegenüber den USA eine Lockerung der verfassungsmäßig verankerten Schuldenbremse. Die Union weigerte sich bisher dazu und zieht bestenfalls gewisse Ausnahmen zwecks militärischer Ausgaben in Betracht. Ansonsten pocht sie auf eine strengere Sparpolitik bei Staatsausgaben und Förderungen. Ob angesichts dieser doch ernsten Differenzen und das durch den aggressiv geführten Wahlkampf angespannte Verhältnis zwischen den Personen und Parteien die neue Regierung bis Ostern zustande kommen kann, scheint fraglich.

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Cicero Mo., 24.02.2025 - 07:23

In der gestrigen Bundestagswahl spiegelt sich die (neue) Realität in Europa nun auch in Deutschland wieder. Italien, Österreich, Schweden, Niederlande, Ungarn, in Teilen auch Frankreich sind über die letzten Jahre, teilweise sogar stark, nach rechts gerückt und auch in Polen steht mit Tusk ein Konservativer an der Spitze der Regierung. Der Zeitgeist hat sich in den letzten Jahren nun mal nach rechts gedreht.

Mo., 24.02.2025 - 07:23 Permalink
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Cicero Mo., 24.02.2025 - 12:16

Antwort auf von Arne Saknussemm

Was wäre die Lösung? Knallhartes Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien? Dann säße die CDU/CSU mit 60 - 65 % im Bundestag, die AFD mit gut 25 % und daneben wären noch ein paar versprengte SPDler und Linke. Weiß nicht ob das so wünschenswert wäre...

Mo., 24.02.2025 - 12:16 Permalink
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Milo Tschurtsch Mo., 24.02.2025 - 09:00

Tatsächlich ist Merz mit einem blauen Auge davongekommen, denn wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht 13.000 Stimmen mehr bekommen hätte, wäre sich eine Zweierkoalition mit der SPD nicht ausgegangen und es hätte einen dritten Partner , wahrscheinlich die Grünen gebraucht was das Erstellen eines Programms im Sinne der Wähler nahezu unmöglich gemacht hätte.
Nur mit der SPD, die wenn sie mitregieren will, sich der CDU/ CSU wird gewaltig annähern müssen, ist es wesentlich einfacher.

Mo., 24.02.2025 - 09:00 Permalink