„Aufwerten, nicht abschaffen“

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Heute sind die fünf Bozner Stadtviertelräte als „Dezentralisierungsgremien“ der Institution Gemeinde konzipiert. Die einzelnen Stadtviertel sind einwohnermäßig groß (zwischen 15.000 EW Oberau/Haslach und 31.000 EW Gries/Quirein), geografisch heterogen, die Räte selbst haben minimale Kompetenzen und noch weniger eigene Finanzen. In ihrer politischen Zusammensetzung sind die heutigen Stadtviertelräte in der Regel ein Spiegelbild des Gemeinderates, sowohl was Parteien als auch Mehrheitslage anlangt. Das führt dazu, dass sie als von den Stadtparteien gelenkte periphere Gremien empfunden werden – und vielfach tatsächlich als solche fungieren...
Die Stadtviertelräte sollten hingegen zu einer Einrichtung werden, die in einem konstruktiven, kreativen und basisdemokratischen Austausch mit den BürgerInnen steht, auf Augenhöhe mit jenen, die im Viertel wohnen, sie zum Mitgestalten anregen und in die Verantwortung für ihre Wohnumgebung einbindet, die Nachbarschaftshilfe fördern, kreative Initiativen setzt, welche die Lebensqualität im Viertel fördern. Grundsätzlich sollten die Räte politisch unabhängig von Stadtrat und Gemeinderat werden, dafür aber einen direkteren Zugang zu den Ämtern der Gemeindeverwaltung haben. Ein Reformvorschlag in 6 Punkten:
1. Geografische Neudefinition
Anstelle der heutigen 5 Stadtviertel, 12 kleinere, geografisch homogenere Einheiten: Zentrum = Altstadt |Bozner Boden | Rentsch | Haslach Oberau- Pfarrhof | Quirein | Gries-Stadt | Gries /Berg: Hänge (Guntschna, St. Georgen, Rafenstein) | Europa | Don Bosco-Casanova | „Westend“: Firmian - Grieser Auen | Sigmundskron
2. Zusammensetzung der Räte
Die Anzahl der Ratsmitglieder sollte reduziert werden von 11 auf neun. Parteiübergreifende Personenwahl ( „Panaschieren“); die Wahl der Räte - und damit deren Amtsperiode - muss nicht bindend an den Termin der Gemeinderatswahl gekoppelt sein.
3. Instrumente
- Initiativrecht für alle Angelegenheiten, die ausschließlich das Stadtviertel betreffen: d.h. sowohl gegenüber Stadtrat und Gemeinderat, als auch im direkten Zugriff auf die Gemeindeämter. „Initiativrecht“ heißt: Nur der Gemeinderat kann die StVR-Initiative mit eigenem begründetem Beschluss ev. stoppen oder ändern... Dazu: Bindende Gutachten in Fällen, die ausschließlich das Stadtviertel betreffen.
- Beratungsrecht bei stadtviertelübergreifenden Themen/Projekten der Gemeinde
- Referendums-Recht (dzt. Art. 55-57 der Dezentralisierungsverordnung).
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4. Kompetenzen – formuliert als „Initiativrecht“ in folgenden Bereichen (Beispiele):
Öffentliches Grün | Nachbarschaftseinrichtungen | soziale Einrichtungen | verkehrstechnische Maßnahmen (z.B. Rad- und Fußwege, Autobushaltestellen) | Kulturinitiativen | Anlaufstelle als Bezirks-„Stadtsensor“: Erste Prüfungsebene der Bürgeranliegen
5. Finanzen
Derzeit beträgt das eigenverwaltete Jahresbudget eines Bozner Stadtviertels zw. 60.000 und 100.000 €. In Zukunft sollte das jährliche, eigenverwaltete Budget auf jeden Fall den genau zu bestimmenden „primären“ Kompetenzen des Stadtviertelrates angepasst sein, (d.h. je nach Größe des neuen Stadtviertels unter Umständen auch verzehnfacht sein). Dazu: Projektbezogene Beiträge seitens des Gemeindehaushaltes für einzelne Initiativen.
6. Zusammenspiel Stadtviertelrat und Stadtrat
Ein/e “Stadtviertelassessor/in“: Als hauptamtliches und kontinuierliches Bindeglied zwischen den beiden Ebenen der Kommunalpolitik – Gemeinderat/Stadtrat „oben“ , Stadtviertelräte „unten“ - soll ein Mitglied des Stadtrates fungieren: Er/sie ist für die formellen Verfahrensabläufe zwischen Stadtviertel-Initiativen und GR/Stadtrat verantwortlich, koordiniert stadtviertelübergreifende Projekte und hat in seinem Amt auch eine Person in der Rolle des „Kümmerers“.
endlich ein positiver…
endlich ein positiver Vorschlag: nur wenn die Stadtviertelräte nicht mehr die Verlängerung der politischen Macht in der Gemeinde sind, die auch weder Kompetenzen noch Gelder haben, sondern in direkter Verbindung mit den BürgerInnen stehen, mit jenen, die im Viertel wohnen, sie zum Mitgestalten anregen und sie in die Verantwortung für ihre Wohnumgebung einbinden, die Nachbarschaftshilfe fördern und kreative Initiativen umsetzen, welche die Lebensqualität im Viertel fördern, wird es auch die Kümmerer geben, welche für die Umsetzung und Betreuung von positiven Projekten notwendig sind. Dann können die Stadtviertelräte zu den "urban spaces" werden, die wir seit vielen Jahren fordern!
Als ehemaliger…
Als ehemaliger Stadtviertelrat (eine Legislatur) kann ich der Idee von Rudi Benedikter einiges abgewinnen. Eine Überarbeitung des Systems ist längst überfällig, da die ursprüngliche Idee - und auch eine gewisse Hoffnung - nicht gefruchtet hat. Die Stadtviertelräte waren zur Spielwiese für Zwerg-Krieger, Mini-Faschisten und Möchtegern-Politiker mutiert. Anstatt als Bezugs- oder Kontaktinstitution zwischen Bürgern und Gemeinde zu fungieren, wurde in den Sitzungen "Welt- und Landespolitik" gemacht. Konkret Sinnvolles gab es eigentlich nur in den Räten die mehrheitlich den gleichen Parteien wie jenen im Stadtrat angehörten. Oppositionsgeführte Stadtviertelräte tobten und probten sich eher im Aufstand gegen die Gemeinde aus. DAS ist der ehrliche und eigentliche Grund warum der Gemeinderat die Stadtviertelräte schon seit vielen Jahren abschaffen will.
Die große Frustration war übrigens die 100%ige Inkompetenz ... im Sinne von Keine Kompetenz, kein Budget und Null Einfluss. Wobei der direkte Draht zum Stadtrat dann doch beim einen oder anderen Problemchen weiterhelfen konnte.
Ein neues Konzept (ohne Parteipolitik), wie von Benedikter vorgeschlagen, welches die kleinen und mittelgroßen Sorgen der Bürger in den Fokus nimmt würde ich als äußerst sinnvoll betrachten. Und für engagierte Politikneulinge wäre es das erste Treppchen ... die Schule für das Mehr ... Sinnvolles, das heute selbst gewissen Landtagsabgeordneten fehlt.
P.s. In jedem Stadtviertel von Bozen wohnen & leben mehr Menschen als in den meisten Gemeinden Südtirols. So gesehen hätte eigentlich jede/r Stadtviertelbewohner/in Anrecht auf eine/n eigene/n -Stadtviertel-Bürgermeister/in ... und eine/n Oberbürgermeister/in im Rathaus. :-)
... anders herum wäre es wohl höchst an der Zeit diverse Gemeinden im Land zusammenzulegen. In der Gemeinde Kurtatasch (mit Bürgermeister und Gemeinderat) leben weniger Leute als in den jedem einzelnen Konduminium zwischen Europaviertel und Ortlerstraße. Emoji!