Wirtschaft | Automotive

„Die Karten werden gerade neu gemischt“

Universitätsprofessor Erwin Rauch über die Zukunft der Automotivebranche, den rasanten Aufstieg chinesischer Autoproduzenten und die Zollpolitik von Donald Trump.
Erwin Rauch
Foto: Privat
  • SALTO: Herr Rauch, Sie sind Professor für „Sustainable Manufacturing“. Wie nachhaltig ist Südtirols Automotivesektor sowohl auf Klimaschutzebene als auch in Sachen Wettbewerbsfähigkeit?

    Erwin Rauch: Zunächst ist zu sagen, dass sich der gesamte Sektor, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft, sehr stark neuen Antriebstechnologien, allen voran der Elektromobilität, zugewandt hat. Und das ist langfristig gesehen auch der richtige Weg. Obwohl insgesamt weniger Fahrzeuge in Europa zugelassen wurden, stieg die Anzahl der zugelassenen E-Autos im Frühjahr 2025 um über 25 Prozent. Damit haben sie nun einen Marktanteil von 15 Prozent bei neu zugelassenen Autos erreicht. Es geht zwar nicht so schnell, wie sich die EU die Zulassung von emissionsfreien Autos wünschen würde, aber die Richtung stimmt. Dem gegenüber brachen die Verkaufszahlen von Verbrennermotoren mit Benzin oder Diesel um fast 30 Prozent ein. Somit stimmt die Produktstrategie, die die meisten Zulieferer in unserem Land in den letzten Jahren eingeschlagen haben. Der Wandel wird allerdings wohl weniger schnell eintreten. Was die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb dieser neuen Automobilwelt anbelangt, welche von Elektroautos dominiert sein wird, werden die Karten gerade globaler Ebene neu gemischt. Unsere Zulieferer in Südtirol beliefern hauptsächlich europäische Hersteller mit Teilen für deutsche Premiummarken oder Stellantis. Bisher konnte neben den europäischen OEMs vor allem Tesla in Europa viele Elektroautos verkaufen, wobei jetzt nach und nach auch lokale Zulieferer Teile für Tesla produzieren konnten. Mit dem politischen Engagement von Elon Musk haben nun viele potenzielle Kunden der Marke wohl langfristig den Rücken gekehrt, was in Europa zu knapp 50 Prozent weniger verkauften Autos als im Vorjahr geführt hat. Dem gegenüber wächst der Anteil an asiatischen Fahrzeugen, allen voran China, mit starken Wachstumsraten auf dem europäischen Automarkt. Die EU hat zwar Ausgleichszölle von 17 bis 35 Prozent verhängt, allerdings werden diese teils von den chinesischen Anbietern absorbiert oder sie bauen – wie BYD – lokale Produktionswerke in Europa auf. Dies sowie der wachsende Automarkt in China bietet durchaus Chancen für unsere lokalen Automotive Unternehmen, jedoch auch große Herausforderungen hinsichtlich Geschwindigkeit und Kosten.

     

    „Auf Klimaschutzebene arbeiten die Unternehmen des Sektors auf Hochtouren.“

     

    Ich würde sagen, dass der Südtiroler Automotivesektor die Zeichen der Zeit bereits vor Jahren richtig erkannt hat, dass sich die Automobilbranche drastisch verändert. Neben klassischen Themen wie der Automatisierung und Effizienzsteigerung hat man sich bereits frühzeitig mit dem Wandel in Richtung Elektromobilität beschäftigt und auch in puncto Nachhaltigkeit und Klimaschutz bereits große Schritte gesetzt. Auch die Einrichtung des Lehrstuhls für nachhaltige Fertigung in Bruneck ist ein Zeichen dafür. Mitunter dank der Zusammenarbeit mit dem AES konnte innerhalb von nur 2 Jahren ein Team von 15 wissenschaftlichen Mitarbeitern und Doktoranden aufgebaut werden, die an verschiedenen Themen zur Nachhaltigkeit arbeiten. Auf Klimaschutzebene arbeiten die Unternehmen des Sektors auf Hochtouren. Neben klassischen Maßnahmen wie dem Einkauf von 100 Prozent grünem Strom oder der Herstellung von eigener grüner Energie durch Photovoltaik auf den Dächern wurden in den letzten Jahren viele weitere Projekte zur Energieeinsparung in der Produktion durchgeführt. Bereits durch das Abschalten des Stand-by-Betriebs von Maschinen und Anlagen lässt sich der Energiebedarf um einige Prozentpunkte reduzieren. Durch Wärmerückgewinnung wurde ebenso viel an Energie eingespart. Maschinen wurden durch Smartmeter sensorisiert, die Daten werden in einem zentralen Energiemonitorgangsystem zusammengeführt werden. Die Unternehmen erzielen Top-Bewertungen und Preise zur Nachhaltigkeit seitens Kunden sowie in Rating-Plattformen wie Ecovadis. Sie sind Vorreiter in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und verfassen bereits seit einigen Jahren einen Nachhaltigkeitsbericht. Dabei unterstützt unser Lehrstuhl die Unternehmen in unterschiedlichen Fragestellungen.

  • Zur Person

    Erwin Rauch ist Professor für nachhaltige Fertigung an der Fakultät für Ingenieurwesen der Freien Universität Bozen. Mit seinen 15 Mitarbeitern im „Sustainable Manufacturing“ Labor am NOI Techpark in Bruneck forscht er im Bereich der nachhaltigen Transformation von Produktionsbetrieben und unterstützt dabei Unternehmen in ihrem Wandel.

  • Die Automobilbranche: Jedes dritte Auto in Europa fährt mit Südtiroler Technologie. Foto: usertrmk - Freepik
  • Welche Technologien werden in Südtirol produziert? Gibt es Technologien, die nur hier hergestellt werden?

    In Südtirol werden Produkte mit unterschiedlichsten Technologien produziert: Von elektrifizierten Antrieben und Allradsystemen, Hochvolt-Batterieverbindungstechnologie, Sinterteilen und Aluminium-Druckgussteilen für Steuergeräte über Pumpen oder Bremsen, Kunststoffteilen für Thermomanagement und zur Gewichtsreduzierung bis hin zu Ladesäulen für die Elektromobilitätsinfrastruktur. Es wäre aber vermessen zu sagen, dass diese Produkte nur hier und von diesen Unternehmen produziert werden können. Ansonsten würde es sich um eine Monopolstellung handeln, was in einem Sektor wie Automotive nur äußerst selten und meist nicht lange der Fall wäre. Bisweilen konnten sich die lokalen Produzenten vor allem durch die hohe Qualität und eine – trotz Hochlohnland im Vergleich zu anderen Herstellungsländern, die teils günstiger produzieren – äußerst effiziente und automatisierte Produktion behaupten. Dies liegt vor allem auch daran, dass sehr viel in Produktinnovation und -verbesserung sowie in Prozessinnovation investiert wurde. Viele der Unternehmen bauen ihre Werkzeuge oder ihre Produktionsanlagen selbst und können dadurch einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

     

    „Die USA schotten sich zunehmend ab, was dazu führt, dass sich die Märkte anderweitig umschauen und Europa beispielsweise mit Kanada liebäugelt.“

     

    China investiert massiv in die Automobilbranche. Können sich hier angesichts des Zollstreits mit den USA Partnerschaften mit Europa ergeben?

    Aktuell ist es insgesamt sehr schwierig, hier Vorhersagen zu treffen. Die neue Regierung in den USA hat ein derartiges Maß an Unsicherheit und Unberechenbarkeit mit sich gebracht, dass globale Märkte dadurch sehr rasch und stark beeinflusst werden. Es ist aber davon auszugehen, dass dies niemandem – und vor allem nicht den Amerikanern – helfen wird. Die USA schotten sich zunehmend ab, was dazu führt, dass sich die Märkte anderweitig umschauen und Europa beispielsweise mit Kanada liebäugelt. Verlässliche Handelspartner sind wichtiger denn je. Bereits 2018 – also noch vor dem Zollstreit – hatte die kanadische Regierung angekündigt, die Nicht-US-Ausfuhren bis 2025 um 50 Prozent steigern zu wollen. Dies sei bereits übertroffen worden und wird nun aufgrund des Handelsstreits mit den USA weiter intensiviert. Durch die hohen Strafzölle der USA auf China werden jetzt auch für chinesische Hersteller andere Märkte weitaus interessanter. Darunter auch die EU. Allerdings wird das vor allem Billigprodukte betreffen. Aber China investiert bereits in den europäischen Automarkt. BYD zum Beispiel baut derzeit zwei Produktionswerke, eines in Ungarn, das noch im Jahr 2025 fertig wird und eines in der Türkei, das 2026 eröffnen wird. Bei wachsenden Verkaufszahlen würde auch ein drittes Werk geprüft werden. Ähnlich wie in den 80er Jahren japanische Hersteller auf den US-Markt drängten und durch Zölle Autos von den Japanern in den USA gebaut wurden, könnte dies also auch zwischen Europa und China geschehen. Dies würde zumindest Wertschöpfung und Beschäftigung im eigenen Land sowie Potenzial für Aufträge und Technologietransfer für europäische Zulieferer bedeuten.

    Ist die voranschreitende Entwicklung von Elektroautos eine Gefahr für den klassischen Automotivesektor?

    Den klassischen Automotivesektor mit Verbrennermotoren wird es ab 2035 sowieso nicht mehr geben. Außer, die EU lenkt um und verschiebt das Verbrenner-Aus. Mittel- bis langfristig gesehen ist der Sektor aber bereits seit geraumer Zeit in einer Umstrukturierung. Bestimmte Bereiche aus der Verbrennertechnik wird es so nicht mehr geben und der Fokus wird sich vor allem auf Batteriemanagement, Leistungselektronik sowie Software verlagern.

  • E-Mobilität: Erwin Rauch zufolge die Zukunft der Automotivebranche. Foto: Zaptec / Unsplash
  • Wie steht es um die Zukunft der Südtiroler Automotiveunternehmen? Wie kann Südtirol langfristig wettbewerbsfähig bleiben?

    Die Zukunft der Südtiroler Automotiveunternehmen hängt von mehreren entscheidenden Faktoren ab. Der Sektor steht vor tiefgreifenden Veränderungen wie der Digitalisierung, dem Wandel zur Elektromobilität, der Nachhaltigkeit und der internationalen Konkurrenz. Den Wandel hin in Richtung Elektromobilität haben die Unternehmen bereits frühzeitig eingeläutet und sind hier gut aufgestellt. Grundlegend muss weiterhin in Forschung und Entwicklung investiert werden, um der steigenden Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. Dies erfordert sowohl interne Ressourcen als auch eine enge Vernetzung und Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen und Universitäten. Auch hier arbeiten die lokalen Zulieferer bereits eng mit der Freien Universität Bozen zusammen. In Bezug auf die Nachhaltigkeit zeichnet es sich ab, dass Europa auch weiterhin die Vorreiterrolle haben wird und diese ausbauen kann. In dieser Hinsicht haben die europäischen Zulieferer gute Chancen, ein Alleinstellungsmerkmal aufzubauen, indem sie Autos und Teile mit den nachhaltigsten Technologien produzieren. Dennoch müssen die Kosten aufgrund der internationalen Konkurrenz deutlich gesenkt werden. Wir sind zu langsam und tendieren häufig dazu, alles perfektionieren zu wollen. Dies wird vor allem den europäischen OEMs vorgeworfen, wenn sie für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs 5-6 Jahre benötigen, während in China dies in nur 1-2 Jahren möglich ist. Um diese Herausforderung zu meistern, gilt es, effizienter zu werden. Das gilt vor allem für die indirekten Prozesse und Bereiche, während die Produktion selber, bereits sehr stark automatisiert ist. Die Zulieferer müssen mithilfe von Digitalisierung und insbesondere KI-Lösungen schneller werden und ihre Entwicklungs- und Geschäftsprozesse automatisieren.

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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Do., 17.04.2025 - 20:04

Die eigensinnig an ihren Verbrennern fest-haltenden Auto-Firmen in Europa, mit ihren über-motorisierten SUV-Abgas-Schwindel-Tümmern, haben vor 10 Jahren die Zukunft verschlafen.

Do., 17.04.2025 - 20:04 Permalink
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Profil für Benutzer Stefan S
Stefan S Fr., 18.04.2025 - 15:18

Antwort auf von Josef Fulterer

Das natürlich Quatsch weil die Lobby der Autoindustrie mit der EU festgelegt hat aus dem Verbrenner auszusteigen. Ebenso wenig hat man auch nicht die Innovation verschlafen sondern ist den Vertriebsweg weiter gegangen welcher sich die letzten 20-30 Jahre bewährt hatte, indem man erst die hochpreisigen Fahrzeuge in den Markt gebracht hat. Jetzt musste man leider feststellen, dass dies bei der E-Mobilität nicht 1:1 umsetzbar ist weil die Kernkompetenzen sich verschoben haben. War es bisher die Antriebs- und Fahrwerkstechnik sind jetzt Konnektivität und Bedienbarkeit (Assistenzsysteme)gefragt. Mittlerweile dreht sich wieder die zwischenzeitliche Skepsis gegenüber der E-Mobilität u.a. weil die Batterietechnik in der Praxis sich doch als stabil und langlebig erweist. Mittelfristig werden sich die Hersteller durchsetzen welche ausgewogene und stabil funktionierende Assistenzsystem kombiniert mit einem guten Batteriemanagment anzubieten haben. Und ja, der Verbrenner wird auch die nächsten 10 Jahre noch eine große Rolle spielen alleine schon wegen dem hohen Altbestand und weil die Technologie und Effizienz sehr ausgereift ist. Mit einer Tankfüllung von 60 l über 1000 Km zu fahren wird für das E-Auto noch lange unerreicht bleiben. Weit über 50 % der Autonutzer sind aber im Kurzstreckenverkehr unterwegs und brauchen weder Supercharger oder eine dichte Infrastruktur der Ladesäulen. 1x die Woche an der eigenen Photovoltaikanlage anschließen und Batterie schonend langsam laden ist völlig ausreichend. Gleichzeitig dient die Autobatterie dann noch als Hausstromspeicher. So wird dann ein Schuh daraus....

Fr., 18.04.2025 - 15:18 Permalink
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Salto User
hanso.sarntal@… Fr., 18.04.2025 - 09:21

Danke Thomas(Landsmann), für den sehr informativen Beitrag, genau so sehe auch ich die Situation! Zur E-Mobilität: Seit geraumer Zeit fahre ich ohne großen Probleme ein E-Fahrzeug. Man muss das halt wollen, auch etwas planen und vielleicht noch das Wichtigste: Etwas weniger durch die Gegend fahren und CO² aus stoßen(z.B. gibt es auch ein gutes Öffis-Netz, oder ein Fahrrad)!! In letzter Zeit habe ich den Eindruck, die Leute sind noch Verbrenner verrückter geworden, nach dem Motto: "Jetzt erst recht, noch einmal richtig Gas geben. . ., sel war no schianar!!"

Fr., 18.04.2025 - 09:21 Permalink
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Profil für Benutzer Robert Rieder Thum
Robert Rieder Thum Sa., 19.04.2025 - 07:40

Wenn man den ganzen Herstellungsprozess und die Verschrottung eines Elektro-Autos in Betracht zieht, dann ist es zumindest genauso umweltschädlich wie ein Verbrenner. Die einzelnen Aspekte aufzuzählen, würde zu weit führen, aber es hält wieder so wie mit dem Erdöl, - die meiste Belastung wird auf die wirtschaftlich schwächeren Länder abgewälzt. Wenn man bedenkt, dass Elon Musk in Bolivien vor ein paar Jahren einen Volksaufstand finanziert hat, um sich die dortigen Lithium Vorkommen unter den Nagel zu reißen, ist das nur ein Beispiel. Sein Vorhaben gelang nicht. Als eine Journalistin ihn fragte, ob er wegen der vielen Toten kein schlechtes Gewissen habe, antwortete er: "Überhaupt nicht. Die Leute in diesen Ländern sollten endlich lernen, wer in der Welt das Sagen hat."
Um die Elektromobilität zu fördern, wurden keine Kosten gespart, die Staaten haben riesige Subventionen dafür freigegeben. Da ist es logisch, dass jede Alternative bekämpft wird. Die Presse wird gleichgeschaltet, damit das Volk nur ja nicht anfange zu zweifeln, dass der Elektromotor das einzig richtige ist.
Dabei gibt es Alternativen. Wenn diese genauso gefördert würden, dann hätten wir wahrscheinlich jetzt schon Fahrzeuge, welche die Umwelt viel weniger belasten, als Verbrennerautos oder elektrische.

Sa., 19.04.2025 - 07:40 Permalink
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Salto User
hanso.sarntal@… Sa., 19.04.2025 - 17:15

@Robert Rieder: Haben Sie schon einmal überlegt, wieviel CO²-Ausstoss Sie generieren, um 1 Liter herkömmlich Treibstoff zu tanken. Ich z.B. nutze groß teils die Sonnenenergie, um mich von A nach B zu bewegen!

Sa., 19.04.2025 - 17:15 Permalink