Politik | Sonderlandtag

Nordkorea, Kindergarten oder Theater?

Kräftemessen im Landtag: Die Opposition durfte nicht abstimmen – und verließ aus Protest den Sitzungssaal. Die SVP spricht von kindischem Verhalten.
Sven Knoll Sonderlandtag
Foto: Seehauserfoto
  • Eigentlich hätte heute (22. April) im Rahmen eines Sonderlandtags die Autonomiereform diskutiert werden sollen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen entwickelte sich ein politisches Kräftemessen zwischen Regierungsmehrheit und Opposition, das letztlich mit dem demonstrativen Abgang der Minderheit endete.

  • Fraktionssprechersitzung im Landtag: Eine Sitzung jagte heute die nächste. Foto: Seehauserfoto

    Bereits zu Beginn kam es zur ersten Unterbrechung für eine Fraktionssprechersitzung – angekündigt für eine halbe Stunde, am Ende dauerte sie rund eine Stunde. Es folgten weitere interne Beratungen: zuerst die Opposition, dann erneut die Fraktionssprecher, das Präsidium – und wieder die Opposition. So zog sich das Prozedere bis etwa 11.30 Uhr. Hintergrund der Blockade: Die 17-köpfige Opposition hatte auf Initiative des freien Abgeordneten Andreas Leiter Reber den Sonderlandtag einberufen und pochte nun vehement auf die Abstimmung zu einzelnen Punkten der Autonomiereform. Besonders in die Kritik geraten wären wohl jene Teile, für die Alessandro Urzì, Präsident der Sechserkommission, maßgeblich verantwortlich ist. Urzì war an diesem Tag ebenfalls im Landhaus anwesend – und präsentierte sich demonstrativ vor den Medien, um die Reform als großen Wurf auch für die italienischsprachige Bevölkerung Südtirols zu loben.

  • Alessandro Urzì: Der Präsident der Sechserkommission sonnte sich im Blitzlichtgewitter. Foto: Seehauserfoto
  • Die Mehrheit, der es ohnehin lieber gewesen wäre, wenn dieser Landtag nicht einberufen worden wäre, beharrte allerdings auf der Position, dass zwar darüber diskutiert werden könne – aber nicht abgestimmt werden sollte. Bereits im Vorfeld hatte Landtagspräsident Arnold Schuler ein Rechtsgutachten angefordert, das diese Vorgehensweise untermauert. Die Abstimmung sollte nämlich erst in der Landtagssitzung am 6. Mai erfolgen, nachdem morgen (23. April) der Sonderausschuss, an dem übrigens auch alle Fraktionssprecher der Opposition teilnehmen werden, seine Stellungnahme ausarbeiten wird. Dabei stehen mehrere Optionen offen: „positiv“, „negativ“, „positiv mit Bemerkungen“ oder „positiv mit der Auflage, die vom Landtag vorgeschlagenen Änderungen aufzunehmen“.

  • Opposition spricht von undemokratischem Verhalten

    Andreas Leiter Reber hatte einen Ersetzungsantrag eingebracht, um doch noch eine Abstimmung zu ermöglichen – vergeblich. Vertreter wie Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Paul Köllensperger (Team K) und Thomas Widmann (Für Südtirol mit Widmann) warfen der Regierung ein intransparentes und undemokratisches Vorgehen vor. Die Koalition wiederum konterte umgehend. „Abgestimmt wird üblicherweise über das Gesamtpaket“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher gegenüber den Medien. Ein teilweises Ablehnen der Punkte könne nach außen hin – vor allem gegenüber Rom – ein fatales Signal senden. Der Eindruck einer internen Zerstrittenheit wäre kaum hilfreich, so der Tenor. Auch SVP-Fraktionssprecher Harald Stauder verwies auf das Autonomiestatut. Seine rhetorische Frage: „Wenn wir heute abstimmen, was machen wir dann im Mai?“ Die Drohung der Opposition, den Saal zu verlassen, beeindruckte ihn wenig.

     

    „Abgestimmt wird üblicherweise über das Gesamtpaket.“

     

    Laut Sven Knoll habe Kompatscher in der Fraktionssprechersitzung sogar selbst angedeutet, dass er einer Abstimmung nicht grundsätzlich im Wege stünde – allerdings unter Verweis auf das Rechtsgutachten. Knoll vermutete dahinter ein Manöver: Der Landtagspräsident habe auf Anweisung des Landeshauptmanns gehandelt und stehe nun alleine in der Verantwortung – während Kompatscher als Verteidiger demokratischer Prinzipien dastehe. „Unsinn“, sagt Schuler dazu. Man habe bis zuletzt versucht, einen Konsens zu erzielen und angeboten, dass Forderungen aus dem Sonderlandtag in die Stellungnahme des Ausschusses aufgenommen werden. Doch das sei der Opposition offenbar nicht genug gewesen.

  • Geheime Sitzung statt öffentliche Debatte

    Andreas Leiter Reber, Landtagsabgeordneter der Freien Fraktion: „Vor allem geht es um Transparenz.“ Foto: Seehauserfoto

    Laut Reber und Knoll hätte eine offene Debatte im Plenum deutlich gemacht, welche Reformpunkte Zustimmung finden – und welche nicht. „Vor allem geht es um Transparenz“, betonte Reber. Morgen werde hinter verschlossenen Türen getagt – das sei nicht im Sinne einer breiten öffentlichen Diskussion. Gerade bei den Streitpunkten wie Einvernehmens- und Ansässigkeitsklausel, der Besetzung von Gemeindeausschüssen und der Landesregierung kochen die Emotionen hoch – besonders bei konservativen deutschsprachigen Politikern. Nach der Reform soll künftig eine zweijährige Ansässigkeit (statt bisher vier Jahre) ausreichen, um an Gemeinderatswahlen teilnehmen zu können. Zudem kann ein Gemeindeausschuss künftig auch mit einem italienischsprachigen Gemeinderat besetzt werden, auch wenn er der einzige Vertreter seiner Sprachgruppe im Gemeinderat ist – bislang war dies nicht möglich. Die Zusammensetzung der Landesregierung kann künftig gemäß dem Proporz besetzt werden – und nicht zwangsläufig laut Wahlergebnis. Unklarheiten in diesem Fall führten bei der letzten Regierungsbildung zum leidigen Streit über die Vertretung der Italiener in der Landesregierung.

  • Streitpunkt Mitbestimmung

    Die Opposition fordert nicht nur eine öffentliche Diskussion, sondern auch echte Mitsprache – zu einem Zeitpunkt, an dem laut Kompatscher keine Änderungen mehr verhandelt werden können. Leiter Reber und Knoll fordern dennoch: Die Regierung dürfe nicht alleine entscheiden. Knoll kritisiert dabei auch einzelne Verhandlungsführer der Südtiroler Seite, etwa Karl Zeller – „den die SVP noch vor Kurzem aus der Partei werfen wollte“. „Was hat das mit dem Landtag zu tun?“, die rhetorische Frage von Knoll. Die Opposition sehe sich gezwungen, das Gesamtpaket nach dem Motto „Friss oder stirb“ entweder abzulehnen oder zu akzeptieren. Die Reaktionen der Oppositionspolitiker beim Verlassen des Saals fielen entsprechend scharf aus: Von „Nordkorea in Südtirol“ über „Theater“ bis zu „verpasster Chance“ war die Rede. Einen „Betriebsunfall“ hingegen nannte es Landeshauptmann Arno Kompatscher, der die Meinung vertrat, dass die Autonomiereform die Debatte durchaus ausgehalten hätte.

     

    „Es ist absolut schade, wie das heute abgelaufen ist.“

     

    „Es ist absolut schade, wie das heute abgelaufen ist“, sagte SVP-Fraktionssprecher Stauder im halbleeren Saal – die Opposition hatte sich der Replik verweigert „Niemandem wird der Mund verboten“, hielt Stauder fest, allerdings sehe das Prozedere keine Abstimmung vor. Wie ein beleidigtes Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen konnte, habe die Opposition, die wohl auch etwas Glanz vom Verhandlungserfolg abhaben wollte, den Saal verlassen. „Schade, ich hätte mich über eine angeregte Debatte gefreut“, erklärte auch Landeshauptmann Kompatscher. Das hätte durchaus die Möglichkeit eröffnet, auf einige Kritikpunkte einzugehen. Auch den Vorwurf der Intransparenz ließ der Landeshauptmann nicht auf sich sitzen und verwies darauf, dass man nicht nur das Maximal-Ziel bzw. den ursprünglichen Verhandlungsentwurf veröffentlicht hatte, sondern auch das Ergebnis, womit ein Vergleich möglich ist. „Heute hätte man auf die Forderungen und Wünsche eingehen können – auch für zukünftige Verhandlungen“, so der Landeshauptmann, der klarstellte, dass die Autonomiereform ein wichtiger und erfolgreicher Schritt sei, aber nicht der Weisheit letzter Schluss bzw. nicht das „endgültige Ziel“. 

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Evelin Grenier Mi., 23.04.2025 - 08:24

Es ist bei den Wahlen dass sich die Opposition zusammen schließen muss, wenn sie etwas konkretes erreichen will.

Sonnst scheint es so, als ob sie nur beim Theater spielen gut ist.

Mi., 23.04.2025 - 08:24 Permalink
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Herta Abram Mi., 23.04.2025 - 09:00

Könnte ein Grund für Konflikt/e sein:

Die svp, in ihrer selbstgeschaffenen Gruppenidentität verheddert, zelebriert Abgrenzung (die Macht des Stärkeren).

Allgemein:
- Starre Gruppenidentitäten und die gefühlte Respektlosigkeit (- gegenüber der Opposition, den Anderen,..)- , wirken als Brandbeschleuniger für jeden Konflikt!

Deswegen, gilt es auch zukünftig darauf zu
schauen:
Brenzlig wird es meist, wenn ein politisches System binäre Zuspitzungen begünstigt, wenn nur ein »Ja« oder ein »Nein« möglich ist.
- Das Denken in sich gegenseitig ausschließenden binären Kategorien befördert Gruppendenken – ein »Wir«-Gefühl in Abgrenzung zu »den Anderen«.
Und nun liebe Demokratie? - Die Zeit scheint reif für die ein oder andere Sanierung.

Mi., 23.04.2025 - 09:00 Permalink