Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

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Im Bozner Duell der Brillen hat sich der Exzentriker durchgesetzt. Corraratis blaue Designerbrille schlägt Andriollos schwarzes Nerd-Gestell.
Das Ergebnis überrascht nicht. Corrarati war in die Stichwahl als Favorit gegangen. Gewonnen hat er dann mit nur knapp über 700 Stimmen Vorsprung.
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Neoliberal, aber politisch unverbraucht
Vielleicht kam ihm zugute, dass er mehr als Handwerkerpräsident denn als Politiker wahrgenommen wurde. Corrarati überzeugte als Neoliberaler, der moderate Wählerinnen und Wähler nicht verschreckt und so gut Dialekt spricht, dass ihm auch ein deutschsprachiger Südtiroler zugestehen muss: „Bärig!“.
Andriollo wirkt dagegen wie ein Staubsaugervertreter, der ein Produkt verkaufen muss, von dem er weiß, dass es kaputt gehen wird, sobald die Garantie abgelaufen ist. Es ist ihm nicht gelungen aus dem Schatten seines Mentors Renzo Caramaschi herauszutreten. Gegen den alten Hasen Caramaschi wirkt Andriollo wie der Kleine, der jetzt auch mal mit den Großen spielen will. Der Wähler hat ihm das verwehrt und Corrarati ins Amt gebracht. Corrarati: politisch unverbraucht, von den Handwerkern geliebt und den Boznern bestens bekannt, weil er oft im Fernsehen und schon immer der mit der lustigen Brille war.
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Schweigen ist Gold
Und Katharina Zeller? Die hatte schon gewonnen, als Dario Dal Medico den verbalen Vorschlaghammer ausgepackt hat. Dal Medico bezichtigte Zeller einer „Dynastie“ anzugehören.
Zeller war klug genug - und von den Politprofis in der eigenen Familie sicher auch bestens beraten – nichts zu entgegnen. Auch weil sie schweigen konnte, ist sie Bürgermeisterin geworden. Sie ließ sich Dal Medico selbst demontieren. Sie musste ihn nur bläffen lassen, er konnte es für sich nur noch schlimmer machen. Sah es anfangs nach einer Selbstläuferwahl für Dal Medico aus, war es das seit dem 4. Mai für Zeller. Weibliche Solidarität selbst aus dem SVP-unfreundlichen Lager besorgte wohl den Rest.
Und die Moral von der Geschicht‘: Bozen rückt nach rechts, Meran eher nicht.
Sehr professioneller…
Sehr professioneller Journalismus, empfinde ich jedenfalls!
Es war ein geschicktes…
Es war ein geschicktes Täuschungsmanöver der Rechten, den nicht vorbelasteten Corrarati ins Rennen zu schicken. Dass auch üble Neofaschisten in seiner Mannschaft mitliefen,, wurde dabei gerne übersehen. Die SVP, entweder von den Rechten erpresst oder vielleicht wirklich so naiv oder gar schon endgültig in das Lager der italienischen Nationalisten übergelaufen, hat das üble Spiel mitgespielt, wobei die Verantwortungslosigkeit von LVH und HGV, für die ausschließlich materielle Werte zählen, besonders zu bedauern ist. Das knappe Wahlergebnis hat gezeigt, dass die Wähler doch nicht so dumm sind, wie SVP, LVH und HGV angenommen haben.