Das lange Warten verkürzen
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Die Voraussetzungen, um die italienische Staatsbürgerschaft zu erhalten, sind „knallhart“ – so Leon Pergjoka, Vorsitzender des Migrations- und Integrationsbeirats der Gemeinde Bruneck. Besonders für jene Menschen, die nicht über eine enge familiäre Bindung oder eine Ehe mit italienischen Staatsangehörigen Zugang erhalten können, sondern die sich das Recht auf Staatsbürgerschaft durch jahrelange Ansässigkeit und Erwerbstätigkeit erst erkämpfen müssen.
Am 8. und 9. Juni wird im Rahmen eines italienweiten Referendums unter anderem darüber abgestimmt, ob die Mindestdauer der Ansässigkeit auf fünf Jahre verkürzt werden soll: von derzeit zehn auf künftig fünf Jahre. Für Pergjoka, der selbst viele Jahre auf die italienische Staatsbürgerschaft warten musste, ist die Antwort ein klares „Ja“.
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Die Staatsbürgerschaft wird einem nicht geschenkt
Menschen aus Nicht-EU-Ländern müssen in der Regel zehn Jahre regulär in Italien gelebt haben, um die italienische Staatsbürgerschaft beantragen zu dürfen. Für EU-Bürgerinnen und Bürger gilt eine verkürzte Frist von vier Jahren.
Doch selbst eine reguläre Ansässigkeit – in Italien meist an ein bestehendes Arbeitsverhältnis geknüpft – reicht dafür nicht aus: Zusätzlich erforderlich sind ein Mindesteinkommen (je nach Familiengröße angepasst), zertifizierte Italienischkenntnisse auf dem Niveau B1 sowie ein einwandfreies Strafregister – sowohl in Italien als auch im Herkunftsland.
„Viele glauben, man bekomme die Staatsbürgerschaft einfach so geschenkt.“
Kinder ausländischer Eltern, die in Italien leben, können die Staatsbürgerschaft entweder über ihre Eltern erlangen (wenn diese sie vor dem 18. Geburtstag der Kinder erhalten) oder nach dem 18. Geburtstag selbst beantragen – vorausgesetzt, sie erfüllen die oben genannten Voraussetzungen. Wer als ausländischer Staatsbürger in Italien geboren wurde und dort durchgehend wohnhaft war, kann zudem ab dem 18. Lebensjahr (und innerhalb von zwei Jahren) unabhängig von Eltern und Einkommen einen Antrag stellen.
„Viele glauben, man bekomme die Staatsbürgerschaft einfach so geschenkt“, sagt Pergjoka, „aber das stimmt nicht. Die Voraussetzungen sind streng: Einkommensnachweis, Sprachnachweis, Strafregisterauszug hier, Strafregisterauszug dort...“. Hinzu kommt: Aufgrund der langwierigen bürokratischen Abläufe vergehen nach Antragstellung weitere zwei bis vier Jahre, bis man tatsächlich die italienische Staatsangehörigkeit erhält. „Insgesamt dauert der Prozess derzeit also rund 15 Jahre“, so Pergjoka.
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Viele gute Gründe für eine Verkürzung
In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden beträgt die Mindestansässigkeit für einen Antrag auf Staatsbürgerschaft bereits jetzt nur fünf Jahre. Warum aber soll die Frist auch in Italien entsprechend verkürzt werden?
Die Reform betrifft ausschließlich Menschen, die bereits in Italien leben und ihren Beitrag leisten.
Für Pergjoka gibt es dafür viele gute Gründe. Vor allem gehe es darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in Italien ein Leben aufzubauen und sich als vollwertiger Teil der Gesellschaft zu fühlen. Denn, so der Lehrer und Vorsitzende des Brunecker Migrations- und Integrationsbeirats, die Reform betrifft ausschließlich jene Menschen, „die ohnehin bereits in Italien leben, arbeiten, zur Schule gehen und ihren Beitrag leisten“.
Eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung gewährt in Italien ähnliche Grund- und Sozialrechte wie die Staatsbürgerschaft: „Das heißt, Menschen mit langfristiger Aufenthaltsgenehmigung können arbeiten, Schulbildung oder Familienbeihilfen in Anspruch nehmen“, erklärt Pergjoka. Dennoch sind diese Rechte, anders als bei italienischen Staatsangehörigen, mit vielen bürokratischen Hürden verbunden: „Für finanzielle Unterstützungsleistungen braucht es zusätzliche Nachweise, Schulausflüge – selbst ins nahegelegene Lienz oder nach Innsbruck – sind teilweise schwierig, und die Aufenthaltsgenehmigung muss regelmäßig durch aufwendige Verfahren erneuert werden.“
„Die vielen bürokratischen Prozesse überlasten das System.“
Diese Belastung liegt nicht nur auf den Schultern der Betroffenen, die häufig hier geboren oder aufgewachsen sind und perfekt eine oder zwei Landessprachen sprechen, sondern auch auf denen von Staat und Gesellschaft: „Die Vielzahl an bürokratischen Prozessen überlastet das System“, sagt Pergjoka, „und führt dazu, dass sich Menschen wie Bürger zweiter Klasse fühlen – was den Willen, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen, schwächen kann.“
Wer ständig das Gefühl hat, nicht dazuzugehören oder dass alles komplizierter ist als für andere, verändere mit der Zeit auch seine Haltung zur Gesellschaft. Menschen mit Migrationsgeschichte sind laut Pergjoka grundsätzlich offen für Veränderungen – „diese Offenheit bringt jeder mit“, sagt er, der selbst mit zehn Jahren aus dem Kosovo nach Südtirol kam. Doch die Vielzahl an Hürden wirke sich negativ auf das Zusammenleben aus: „Die meisten machen trotzdem mit, arbeiten, leben konstruktiv – aber man muss viel einstecken.“
Dass sich seit 1999 kaum etwas an der Gesetzeslage zur Staatsbürgerschaft geändert hat, liegt auch daran, dass die Betroffenen keine politischen Rechte – und damit keine Stimme – haben. „Gerade deshalb“, sagt Pergjoka, „ist es höchste Zeit, diesen Menschen eine Stimme zu geben – denn sie leben hier, arbeiten hier und tragen längst zur Gesellschaft bei.“
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