Gesellschaft | Gesundheit

Gemeinschaftshaus statt Hausarzt?

Franz Ploner stellt zehn kritische Fragen zur Gesundheitsreform – und warnt vor dem Rückbau der Hausarztversorgung zugunsten zentraler Gemeinschaftshäuser.
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Foto: Online Marketing/Unsplash
  • Es klingt nach einem Ausweg aus der Krise: zehn Gemeinschaftshäuser, fünf wohnortnahe Einsatzzentralen und drei Gemeinschaftskrankenhäuser, die den Bürgern eine moderne, wohnortnahe Gesundheitsversorgung garantieren sollen. Geht es nach dem Willen von Gesundheitslandesrat Hubert Messner soll Südtirols Gesundheitswesen neu gedacht, neu gebaut und neu geordnet werden. Am vergangenen Dienstag (10. Juni) hat die Landesregierung die entsprechenden Richtlinien verabschiedet. In der anschließenden Pressekonferenz stellte Landesrat Messner das Konzept vor, das mehr Qualität, eine bessere Betreuung sowie „weniger Wege“ – sprich einen geringeren Aufwand für die Patienten – bringen soll. Doch mit dem Umbau tauchen auch Fragen auf – vor allem eine: Wer verliert hier eigentlich etwas, und wer gewinnt?

  • Von Bozen bis Innichen

    In zehn Südtiroler Gemeinden sollen die Gemeinschaftshäuser entstehen oder befinden sich bereits im Bau. In Brixen, Klausen, Naturns und Innichen sind die Bauarbeiten abgeschlossen, Leifers steht kurz vor der Fertigstellung, Bruneck und Meran befinden sich mitten in der Realisierungsphase. In Bozen, Neumarkt und Sterzing steht der Baustart bevor.

  • Chronisch krank, strukturell gesund?

    Laut Messner soll die wohnortnahe Betreuung ausgebaut werden – unter anderem mit Geldern aus dem nationalen Wiederaufbaufonds PNRR. Mit diesen Mitteln soll die Versorgung im Territorium gestärkt und chronisch kranke Menschen künftig besser betreut werden. Im Zentrum der neuen Gesundheitsarchitektur stehen die sogenannten Gemeinschaftshäuser: moderne Nachfolger der altgedienten Sprengel, die künftig verschiedenste Dienste unter einem Dach bündeln sollen – vom Hausarzt über den Kinderarzt bis hin zu Diabetologie und Physiotherapie. Alles vernetzt, alles zentralisiert, um die Gesundheitsversorgung effizienter zu machen.

  • Franz Ploner, Landtagsabgeordneter des Team K und ehemaliger ärztlicher Leiter am KH Sterzing: „Angesichts der bestehenden Strukturen stellt sich die Frage, welche konkreten Vorteile die millionenschweren Investitionen aus Landes- und EU-Mitteln für die Patientinnen und Patienten bringen sollen?“ Foto: Team K

    Doch was passiert mit den alten Strukturen – den Sprengeln, die jahrzehntelang das Rückgrat der dezentralen Versorgung bildeten? Wird hier modernisiert oder still beerdigt? Der Landtagsabgeordnete und ehemalige ärztliche Leiter des Krankenhauses Sterzing, Franz Ploner (Team K), zeigt sich besorgt. Er richtet zehn konkrete – und wohl auch „unbequeme“ – Fragen an die Landesregierung. Themen sind unter anderem die künftige Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte, Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern sowie mögliche neue Verpflichtungen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Denn: Was in der Theorie nach Vernetzung klingt, fühlt sich in der Praxis für viele wie Zentralisierung an – so der Tenor seines Fragenkatalogs. „Angesichts der bestehenden Strukturen stellt sich die Frage, welche konkreten Vorteile die millionenschweren Investitionen aus Landes- und EU-Mitteln für die Patientinnen und Patienten bringen sollen – insbesondere für chronisch Kranke, die künftig möglicherweise gezwungen sind, sich in einem Gemeinschaftshaus behandeln zu lassen, anstatt bei ihrem vertrauten Hausarzt“, schreibt Ploner im Vorwort seiner Anfrage. 

    Ein weiteres zentrales Anliegen des Team K-Abgeordneten ist die Zukunft der Sprengel. Laut Ministerialdekret sollte es einen Sprengel pro 100.000 Einwohner und ein Gemeinschaftshaus pro 40.000 bis 50.000 Einwohner geben. In Südtirol soll laut Ministerialdekret Nr. 77/2022 die Rolle des Sprengels jedoch künftig vom Gesundheitsbezirk übernommen werden. Landesrat Messner versteht die Gemeinschaftshäuser, wie er in der Pressekonferenz betonte, als „Weiterentwicklung“, ergänzt durch moderne Technik und neue Angebote. Doch für Ploner gibt es noch weitere offene Fragen: Wenn künftig chronisch kranke Patientinnen und Patienten zur Behandlung in die Gemeinschaftshäuser gehen müssen, was geschieht mit der vertrauten Hausarztpraxis ums Eck? Können Ärztinnen und Ärzte weiterhin frei entscheiden, wo sie tätig sind? Oder wird es bald zur Pflicht, einen Teil der Tätigkeit ins Gemeinschaftshaus zu verlagern? Und was passiert, wenn sich Patienten gegen das neue System entscheiden?