Politik | Gastbeitrag

Quorum oder Referendum abschaffen?

Das Referendum wurde von der Politik beinahe in die Bedeutungslosigkeit geführt. Es ist Zeit, das Quorum in seine Schranken zu weisen.
Referendum Quorum 2025 Lausch
Foto: DALL-E
  • Mit nichts können die Bürgerinnen und Bürger ihre Souveränität wirksamer ausüben als mit dem Referendum. Nicht nur, weil sie damit von ihnen abgelehnte Gesetze abschaffen können, sondern zuallererst, weil der Gesetzgeber das Referendum wie ein drohendes Damoklesschwert über sich weiß, das ihn daran erinnert, dass das Volk das letzte Wort hat und er also gut daran tut, Dinge zu beschließen, mit denen er nicht ständig am Volk scheitert. 

     

    Referenden gegen Selbstherrlichkeit und autoritäres Verhalten

     

    Mit einem Referendum können sich die Bürgerinnen und Bürger gegen selbstherrliches und autoritäres Verhalten der politischen Vertretung wehren – eine gute Regelung des Referendums natürlich vorausgesetzt! Wie nötig das ist, war mit den Erfahrungen aus Faschismus und Nationalsozialismus offensichtlich geworden. Sie sollten auch mithilfe dieses Instruments in Hinkunft nicht mehr entstehen können. 

    So steht im deutschen Grundgesetz, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht und vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. So sieht die italienische Verfassung das abschaffende Referendum für einfache Gesetze und das Verfassungsreferendum im Falle von Verfassungsänderungen vor. Und so sieht auch die Südtiroler „Verfassung“, das Autonomiestatut, die autonome Regelung des Wahlrechtes und der einführenden, abschaffenden und beratenden Volksabstimmung sowie Volksbegehren vor. 

     

    In Italien wird das Quorum missbraucht, um das Referendum auszuhebeln.

     

    Bezeichnend für das Wesen der politischen Vertretung und ihr Verständnis von „Demokratie“ ist die Tatsache, dass es entgegen der Formulierung des Grundgesetzes in Deutschland auf Bundesebene keine Volksabstimmungen gibt, in Italien das Quorum missbraucht wird, um das Referendum auszuhebeln, und in Südtirol direkte Demokratie per Gesetz so geregelt wird, dass sie nicht anwendbar ist. Das Referendum, die Macht des Volkes, das letzte Wort zu haben, ist allem autoritärem Gehabe ein Dorn im Auge. Die SVP wollte es 2022 sogar wieder abschaffen, nachdem sie es „aus Versehen“ 2018 beschlossen hatte. 

    In Italien geht man subtiler vor und lässt sich das Referendum mit dem Quorum von selbst abschaffen. So war es zu Beginn in der Costituente natürlich nicht gedacht und sollte es ursprünglich auch für Wahlen oder parallel zur Wahlpflicht gelten. Die Wahl- und Stimmbeteiligung lag damals bei 80–90 %. Wen wundert es also, wenn auf den Vorschlag, das Quorum abzuschaffen, um dem Referendum wieder seine Wirkkraft zu geben, von den regierenden Rechtsparteien so reagiert wird, als wäre das Referendum selbst das Problem und als würden alle ihre Vorschläge darauf abzielen, seine Anwendung weiter zu erschweren? Das reicht vom Vorschlag, die Online-Unterschriftensammlung wieder abzuschaffen, eine strengere Zulässigkeitsprüfung vorzusehen, dem Referendum weitere Anwendungsbereiche zu entziehen, bis – natürlich – hin zur Erhöhung der nötigen Unterschriftenzahl, um ein Referendum zu erwirken. 

    Das kennen wir alles aus der Leidensgeschichte der direkten Demokratie in unserem Land. Inzwischen macht die „so bewährte“ parlamentarische Demokratie munter weiter, so als ob nichts wäre.

  • Stephan Lausch ist Koordinator der Initiative für mehr Demokratie. Die Iniziative hat für die Abschaffung des Beteiligungsquorums bei Referenden hat die notwendige Anzahl an Unterschriften gesammelt, um eine Volksabstimmung einzuberufen.
    Lausch studierte Philosophie, Psychologie und Germanistik in Salzburg und Heidelberg. Lausch gilt als der Vater der direkten Demokratie in Südtirol. 2009 wurde er von Politika zur Politischen Persönlichkeit des Jahres gewählt.  In der Laudatio über ihn heißt es: „Stephan Lausch ist kein Volkstribun, der die Massen mit seinen Reden mobilisiert, sondern eher ein sanfter Verschwörer, der leise und überlegt spricht.“

    Foto: Stephan Lausch
  • Das Ergebnis – ein rettender Kompromiss

    Was kann also das nunmehr vorzeitig abgeschlossene Volksbegehren zur Abschaffung des Quorums bewirken, weshalb ist es unter solchen Bedingungen überhaupt lanciert worden?

    1. Die Problematik des Quorums ist in der Bevölkerung zum Thema gemacht worden und hat im besten Fall einen Bewusstwerdungsprozess eingeleitet. Dies vor allem unter den jungen Menschen, die über die sozialen Medien informiert werden konnten und in großer Mehrzahl gegenüber älteren unterschrieben haben – über 60 % der Unterstützungsunterschriften sind von bis zu 32-Jährigen abgegeben worden. Allerdings hat sich gezeigt, dass es auch für eine erfolgreiche Online-Unterschriftensammlung eines trainierten und lebendigen Netzes in den Sozialen Medien bedarf, das nur langsam und mit kontinuierlicher Arbeit zustande kommt. Wir waren mit 70.000 schon am Limit, die 500.000 für ein Referendum sind schon eine andere Dimension.
    2. Es war den Schritt wert, die Gelegenheit der Entrüstung über das erneut vergebliche Referendum zu nutzen, um die Sensibilität in der Bevölkerung für das Problem zu testen, in der Hoffnung, damit einen ersten Schritt zu tun hin zu einer nicht nur in Italien so notwendigen Demokratiebewegung.
    3. Der Senat, in dem das Volksbegehren jetzt mit den in wenigen Tagen gesammelten 71.000 Unterschriften eingebracht wird, ist mit einer strengen Geschäftsordnung angehalten, innerhalb von kurzen Fristen das Volksbegehren zu behandeln, das mit Beteiligung der Promotoren im Parlament zum Thema gemacht wird und eine Debatte auslösen wird. Vorzeitig abgebrochen wurde die Sammlung der Unterschriften, weil der Gesetzentwurf auf diese Weise noch vor dem Herbst behandelt werden muss, da es dann nur noch um das Haushaltsgesetz gehen wird.
    4. Immerhin besteht die Möglichkeit eines Kompromisses, mit dem das Referendum vorerst vor der Bedeutungslosigkeit gerettet werden kann. Es würde zumindest auch im Sinne der Doktrinäre Sinn machen, die Höhe des Quorums an die Wahlbeteiligung zu koppeln. Bei einem Quorum von 32 %, entsprechend der Wahlbeteiligung von 64 % bei den letzten Wahlen, wäre es zumindest gewagt, zum Boykott aufzurufen, um die Abstimmung mit Nichtbeteiligung gewinnen zu wollen. Damit würde dann eher wieder eine Debatte über den Gegenstand eines Referendums stattfinden und wäre deshalb auch wieder eine höhere Beteiligung zu erwarten.