Ben venga lo speed check
Man sollte nicht über Dinge schreiben, von denen man persönlich betroffen ist, besagt eine alte Journalistenregel. Ab und zu kann diese Regel gebrochen werden, finde ich. Deshalb gleich einmal vorweg: Ich bin von Bozens Verkehrsproblematik betroffen. Nicht nur, weil ich wie alle knapp über 100.000 EinwohnerInnen dieser Stadt die Luft einatme, die Tag für Tag von gut 150.000 Fahrzeugen in der Stadt und dem Transitverkehr auf der A22 belastet wird. Sondern weil ich wie viele meiner MitbürgerInnen in einem jener Wohnviertel lebe, die stark vom Durchzugsverkehr belastet sind, wie es im Mobilitätsplan der Stadt so treffend heißt. Konkret: Zwischen Venediger- und Quireinerstaße, zwei wunderbaren Straßen, die fast alles haben, was ein qualitativ hochwertiges städtisches Wohnviertel braucht. Fast, weil sie von vielen Stadtbewohnern und noch mehr der 90.000 Nicht-Bozner, die tagtäglich mit ihrem Auto in die Stadt ein- und ausfahren, als Schleichweg bei ihrer motorisierten Durchquerung der Stadt benutzt werden.
Deshalb schockieren mich die am Donnerstag bekannt gegeben „dati shock“ zu den Geschwindigkeitsübertretungen in der Stadt auch nicht sonderlich: 85 Prozent der Verkehrsteilnehmer fährt auf der Eisackuferstraße über 50 km/h? In der Cadornastraße fuhren in der Woche von 17. bis 23. September 48 Prozent der Verkehrsteilenehmer zu schnell? Und auf der Drusustraße wurden bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 40 km/h in einer Woche 233 Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von mehr als 90 bzw. 81 über mit über 100 Kilometer pro Stunde gezählt?
Mich wundert das nicht, weil ich tagtäglich vor meiner Haustür „Speed Check“ spiele. Einer verkehrstechnisch unübersichtlichen Einbahnstraße, auf beiden Seiten so zugeparkt, dass sich SchülerInnen, AnrainerInnen oder KundInnen der hier ansässigen kleinen Geschäfte und Bars auf den schmalen Gehsteigen aneinander vorbeidrücken müssen. Das hindert viel zu viele der Auto- und MotorradfahrerInnen, die den größten Teil der Straße für sich beanspruchen, nicht daran, trotzdem voll aufs Gaspedal zu steigen, wenn die Bahn gerade frei ist. All jene, die das tun, während ich geduldig am Straßenrand darauf warte, meine Straße endlich überqueren zu dürfen, werden klarerweise mit meinem bösesten Blick bedacht. Was das bringt, liegt auf der Hand: Genau nichts. Deshalb schaffe ich es auch noch immer nicht, mir bei fast jeder Verabschiedung meines mittlerweile 10-jährigen Sohnes ein „Schau gut, bevor du über die Straße gehst“ zu verkneifen.
Gefahr für wen?
Ob das für Mitte November geplante Aufstellen von acht orangefarbenen Speed-Check-Säulen an kritischen Punkten der Stadt an meinem persönlichen Problem etwas ändert, bezweifle ich. Noch weit mehr zweifle ich aber an, wie man angesichts der nun vorliegenden Daten die geplanten Geschwindigkeitsmessungen – wie beispieslweise die Neue Südtiroler Tageszeitung – als „Orange Gefahr“ bezeichnen kann. Oder, wie es Kritiker der Maßnahme tun, der Gemeinde Gelüste am Abkassieren vorwerfen kann.
Auch ich bin manchmal Autofahrerin und kenne alle Gründe, zu schnell zu fahren: Meist zu spät, gestresst vom vorherigen Warten an einer Kreuzung, mit den Gedanken woanders, von der Musik beschwingt oder eben von dieser Kraft und vermeintlichen Sicherheit, die Autos nun einmal verleihen. Menschlich, aber deshalb nicht einfach hinzunehmen. Schon allein nicht wegen der größeren Luft- und Lärmbelastung erhöhter Geschwindigkeiten, und erst recht nicht angesichts all der Toten und Verletzten, die bereits auf den Straßen der Landeshauptstadt überführt wurden. Von einem Auto mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h überfahren zu werden, entspricht einem Sturz aus dem dritten Stock eines Gebäudes, erinnert der Bozner Gemeinderat Guido Margheri am Freitag. Überlebenswahrscheinlichkeit: 50 Prozent. Von einem Auto mit 30 km/h erwischt zu werden, verdoppelt die Überlebenswahrscheinlichkeit dagegen beinahe.
Ich bin dafür, dass wir die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Lebensqualität der FußgängerInnen und RadlerInnen, der Kinder und SeniorInnen dieser Stadt erhöhen. Und nachdem ich mit meinem bösen Blick auf verlorenem Posten stehe, erwarte ich mir von meiner Stadtverwaltung, dass sie die Sache stärker als bisher in die Hand nimmt. Deshalb: Ben venga lo speed check – aber damit ist noch lange nicht alles getan.
Ich als nicht Bozner muss
Ich als nicht Bozner muss zugeben diese Straßen selbst oft zu benutzen, mich verblüffen überhaupt in der Venediger Straße, immer wieder die komischen Blicke der Passanten wenn man beim Zebrastreifen stehen bleibt. Ein bisschen mehr gutes Benehmen hinter den Lenkrad tut uns allen sicher nicht schlecht, dann sollen es von mir auch die fixen Blitzer sein die es in Deutschland schon seit Jahren gibt...
Unsere Gesellschaft sollte
Unsere Gesellschaft sollte hauptsächlich auf Erziehung zu einer angemessenen Vorsicht hinarbeiten; wenn ich weiss, welchen Schaden mein Fahrzeug anrichten kann, wird mein Fuss automatisch vom Gas gehen.
Lieber als Bestrafung wäre mir der freiwillige Einbau eines automatischen, vor Zugriff geschützten Geschwindigkeitsbegrenzers, der via GPS oder per Funkstelle nur bis zur jeweiligen Höchstgeschwindigkeit beschleunigen lässt (Bremsen werden bergabwärts betätigt, falls nicht Gang gewechselt wird). Auch ein zu hochtouriger Motor könnte gedrosselt werden, um die Geräuschbelastung zu reduzieren.
Es gäbe ausreichend Technologien, um unserer aller Lebensraum Stadt wieder menschlicher zu gestalten.
Die Verwalter lassen sich leider von ganz anderen, oberflächlichen Lösungsvorschlägen leiten, die aber nur in geringem Maße die Ursachen der Probleme angehen.
Ein wirklich Guter und meines
Ein wirklich Guter und meines Erachtens notwendiger Artikel!
Ich möchte Sie nur auf einen kleinen Fehler hinweisen:
Einer Tat kann man überführt werden, vom Auto allerdings wird man überfahren ;)
Beste Grüße
Antwort auf Ein wirklich Guter und meines von Stefan T
Shame on me ;-) danke!
Shame on me ;-) danke!
Und guter schreibt man klein.
Und guter schreibt man klein...shame on me ^^