Politik | Rentenrekurse

Distanzierte Parteigenossen

Kein Rausschmiss, keine persönliche Verurteilung einzelner Altmandatare, sondern größtmögliche Distanz: Reicht das, um eine gespaltene Partei zu retten?

Oswald Schiefer sagt’s wie immer frei von der Leber weg: „Mir hängt das Ganze schon bald beim Hals heraus“, meint der ehemalige Kurtatscher Bürgermeister, langjährige SVP-Funktionär und nunmehriger Landtagsabgeordnete. „Das kann doch nicht sein, dass diese Rentenzahlungen für Wochen und Monate das politische Geschehen beherrschen, da muss man doch endlich mal einen Punkt und eine Schlussstrich ziehen können.“ Gedanken, die dem Obmann der Südtiroler Volkspartei nicht fremd sein werden. Doch der Text, den Philipp Achammer am Montag Nachmittag nach mehr als einwöchiger Zurückhaltung zu den Rekursen der Altmandatare bereit hatte, machte klar, dass der Schlussstrich des Rentenskandals zumindest ähnlich weit weg scheint wie die kommenden Landtagswahlen. So entschlossen der junge Parteiobmann die klare Distanzierung von der Vorgehensweise seiner Vorgänger in der Partei unterstreichen mag, so überzeugend er versucht anzuregen, „dass man sich sehr gut überlegt, wie mit diesen Rekursen umgegangen wird“: Was bleibt, ist das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht, das Bild, einer tief gespaltenen Partei, die nur mehr aus Alt- und Jungmandataren zu bestehen scheint, aus gegenseitigem Unverständnis und Anschuldigungen.

Auf diese lässt sich ein Philipp Achammer freilich nur sehr beschränkt ein, in dieser heiklen Phase. Kein Kommentar zum Rekurs von Ex-Regionalratspräsidentin Rosa Thaler, kein Kommentar überhaupt zu einzelnen Rekursen. „Die können wir jetzt nicht brauchen, schon gar nicht zu aktuellen politischen Themen wie sie in den vergangenen Tagen gemacht worden sind“, lautet die Vorgabe des Parteiobmanns. Daran hält sich selbst ein Parteigrande wie Karl Zeller. „Wir haben vereinbart, dass nur der Obmann redet“, lässt er nach Ende des Präsidiums brav per Sms wissen. Schön geredet wird in dieser Phase auch von diesem nichts mehr. „Ich sage es ganz offen“, meinte Philipp Achammer im Foyer des Südtiroler Landtags. „so schwierige Diskussionen habe ich selten erlebt in der Partei.“

„Wir haben noch einmal deutlich gemacht, dass nicht Parteiausschlüsse, sondern eine klare Distanzierung die Lösung sind.“

Gerade eine halbe Stunde hatte der Parteiobmann an der hitzigen Diskussion im Parteipräsidium teilgenommen, danach hetzte er in den Südtiroler Landtag, wo bereits der Landesschulrat auf seinen Landesrat wartet. Drinnen die umstrittene Anrechnung der Wahlpflichtfächer, draußen die wartenden JournalistInnen, die endlich starke Worte hören wollen. „Schmeißt die Altmandatare raus“, fordert nicht nur Paul Köllensperger. „Ja, es hat auch in der Partei solche Stimmen gegeben“, bestätigt Philipp Achammer. Doch kann eine Partei jene Menschen ausschließen, die sie die vergangenen Jahrzehnte geprägt haben? Und kann es überhaupt ein Grund, für einen Parteiausschluss sein, wenn jemand ein rechtsstaatliches Instrument anwendet, um seine Rechte zu verteidigen? „Wir haben noch einmal deutlich gemacht, dass nicht Parteiausschlüsse, sondern eine klare Distanzierung die Lösung sind“, lautet die Antwort des Parteiobmanns. „Wir sind eine Partei, die auch schätzt, was ihre ehemaligen Mandatare geleistet haben. Doch in dieser Frage sind wir einfach konträr anderer Meinung.“

Nichts deutet derzeit darauf hin, dass sich die Überzeugungen auf beiden Seiten einander so bald wieder annähern könnten, dass dieser Generationkonflikt ein glückliches Ende finden wird. Erst vergangene Woche hat es ein erfolgloses Treffen des SVP-Obmanns mit Franz Pahl gegeben. Am Dienstag Abend sollen die beiden in Pro & Contra von RAI Südtirol aufeinander treffen, sagte der Parteiobmann gestern ohne große Begeisterung im Landtagsfoyer zu. Was hat man jemandem zu sagen, der sich kriminalisiert und entrechtet fühlt, wenn man selbst davon überzeugt ist, das einzig Richtige, das einzig Mögliche zur Rettung der eigenen Partei zu tun? „Man müsste schon endlich zur Kenntnis nehmen, dass diese Korrektur mehr als notwendig war, dass die Reform von 2012 ein Fehler war, dass wir hier korrigiert haben, um auch Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen“, sagt Achammer. Doch das Ringen um Kompromisse vom vergangenen Sommer, innerhalb der eigenen Partei, mit dem PATT und dem Trentiner PD, hat an der Front der Altmandatare ganz offensichtlich wenig Effekt gezeigt.  „Man hätte viel härter durchgreifen müssen“, sind heute noch viele SVP-Mandatare überzeugt. „Und wenn man schaut, wie vieles verwässert worden ist, ist der ganze Auflauf, der jetzt passiert, völlig umsonst.“

„Ich sage es ganz offen, so schwierige Diskussionen habe ich selten erlebt in der Partei.“

Beim Parteiobmann selbst klingt das alles natürlich anders. Da ist viel vom Solidarsystem die Rede, das man mit der Rentenreform von 2012 verlassen habe. „Die Abgeltungszahlungen waren der große und schwerwiegende Fehler“, rekapituliert Achammer, „es geht einfach nicht, dass sich jemand bei Rentenantritt oder gar davor einfach schon eine gewisse Summe ausbezahlen lässt.“ Dennoch weiß auch Achammer, dass Südtirol und Trentino italienweit die einzigen Provinzen sind, die rückwirkend in die Rentenansprüche ihrer Mandatare eingreift. Es geht bei der Rentenaffäre nicht mehr nur um Solidarität um Gerechtigkeit. Es geht mittlerweile auch um derzeit 64 Rechtsfälle, über die vor dem Arbeitsgericht, vor dem Verwaltungsgericht, ja voraussichtlich auch vor dem Verfassungsgericht, gerichtet wird. Und unabhängig davon, wer am Ende siegt oder verliert – klar ist, dass die Partei bis dahin leiden wird.  

So wie auch die Neue Südtiroler Tageszeitung unter dem Rekurs ihrer Herausgebers Schaden zu nehmen drohte. Arnold Tribus hat auf die empörten Reaktionen seiner Leserschaft umgehend mit einem Rückzug des Rekurses reagiert. „Ich will von Renten nichts mehr wissen“,, erklärte er nach dem mehr als eintägigen Shitstorm, der auf das Bekanntwerden seines Rekurses gefolgt war. Auf solche Läuterungen scheint der Parteiobmann der Südtiroler Volkspartei bei seinen Vorgängern nicht mehr zu hoffen. „Im Moment können wir nichts anderes tun, als zu versuchen, einen vollkommen neuen Weg zu gehen“, sagt er. „Und uns sehr klar von dem zu distanzieren, was zu distanzieren ist.“

 

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Sebastian Felderer Fr., 28.11.2014 - 09:21

Es kann nicht anders kommen und es ist auch gut so. Der Rentenskandal ist ein Schuss nach hinten und stellt nun die SVP vor unlösbare Probleme. Die Partei wird von der eigenen Macht- und Habgier aufgefressen. Es ist das Ende der Volkspartei. Nun wird sich der Wirtschaftsflügel verselbstständigen und für die Arbeitnehmer kommt der historische Augenblick, endlich Farbe zu bekennen und eine Sozialdemokratie in Südtirol aufzubauen. Die Südtiroler Politik steht vor dem totalen Neubeginn. Besseres hätte dem Land nicht passieren können. Kritiker des Systems wurden bisher immer an die Wand gestellt und abgeschossen. Nun hat sich die Partei selbst das Grab geschaufelt und kommt um eine totale Neuordnung nicht mehr herum. Distanzieren ist zuwenig, das bedeutet Duldung. Alle rekurierenden Altmandatare haben gegen das Parteistatut verstoßen. Sie klagen gegen ein Gesetz, das von der SVP beschlossen wurde. Deshalb kann sich die Parteileitung nicht distanzieren, sonder muss handeln, so wie es Paul Köllensperger gefordert hat. Im Mai sind Gemeindewahlen. Dort wird abgerechnet, umsomehr als der letzte Funke Hoffnung und Vertrauen, der bei den letzten Landtagsweahlen noch vom Volk gewährt wurde, kläglich missbraucht wurde. Es ist endgültig vorbei.

Fr., 28.11.2014 - 09:21 Permalink
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Martin Schwienbacher So., 30.11.2014 - 17:22

Arrogant und unverschämt war er schon immer, der „ehrenwerte“ Franz Pahl, und wann immer es um Prinzipien geht, dann läuft er zur Höchstform auf. Dabei steht er auch nicht einmal alleine da, denn mehr als die Hälfte der Altmandatare hat keine anderes Argument als sich auf das erworbene Recht zu beziehen. Diese „ehrenwerte Gesellschaft“ verfügt heute, wo das Fußvolk = Mob – Pahl Aussage in der Sendung Pro&Contra – kaum Arbeit hat oder nach 40-50 Jahren harter Arbeit eine Mindestrente von 400-600 Euro bekommt, von der er weder leben noch sterben kann, oder in Zeiten wie diesen, wo viele mit Recht um ihre eigene Rente fürchten müssen, über den Mut und Schamlosigkeit, immer noch auf Prinzipien und erworbene Recht zu bestehen. Dass diese Leibrenten und Vorschusszahlungen aber vom Mob bezahlt wurden, ist ihnen angeblich entgangen und interessiert sie überhaupt nicht mehr.
Anstatt sich um die wirklichen Bedürfnisse des Volkes zu sorgen, haben sich diese Herrn & Damen Jahrzehnte lang um nichts anderes als um ihre eigenen Interessen gekümmert.
Es ist besorgniserregend und gleichzeitig bedauerlich, dass fast die gesamte Führungsriege der vergangen 20 Jahre Einspruch gegen die Kürzung ihrer goldenen Renten eingereicht hat.
Wenn es ums liebe Geld geht, sind sie im Prinzip, mit wenigen Ausnahmen, alle gleich. Angefangen vom ehemaligen „allmächtigen Kaiser Luis“, den „Systemprofiteuren Munters & Laimers“, den beiden „flotten und unersättlichen“ ehemaligen Präsidenten des Regionalrates Pahl und Peterlini, dem „Genossen Schorsch“, dem „arroganten Pahl“, der „heiligen Eva“, dem „heiligen Pius“, dem „scheinheiligen Pöder“ und wie sie alle heißen. Sie scheuen, aus reiner Geldgier, keine Mittel - die sie ja über Jahrzehnte hinweg bezogen und vom Mob bezahlt wurden – und beharren mit unfassbarer Anstandslosigkeit und fadenscheinigen Argumenten auf ihre erworbenen Rechte.
Der „bedauernswerte und jetzt auch noch verfolgte Luis“, der jede „Lira“ von seinem Gehalt - welches höher als jenes von Obama und der Frau Merkel war – über 25 Jahre horten konnte und jetzt auch noch einen „mickrigen“ sechsstelligen Abfertigungsvorschuss einsteichen durfte, oder der „soziale“ Genosse „Schorsch“, der über den Mob in den Landtag gewählt wurde und unmittelbar danach die Stimme verloren hat, besitzt jetzt die Dreistigkeit, gegen diese erworbenen „Privilegien“ zu rekurrieren. Moralisch und politisch gesehen sind diese Rekurse verantwortungslos und unverschämt.
Cristina Kury, die angeblich als erste das Geld zurückgezahlt hat, hat in einem FF-Interview 47/2014 die Sache der Rechtssicherheit, auf die die meisten Altmandatare ja so verbittert pochen, auf den Punkt gebracht: „Es ist völlig fadenscheinig, wenn sich plötzlich Durnwalder für Rechtssicherheit einsetzt, möchte ich ihn daran erinnern, dass er in Südtirol über Jahrzehnte Gesetze rückwirkend hat machen lassen, um Einzelfälle zu sanieren. Sogar in laufende Gerichtsverfahren ha man mit Gesetzesänderungen eingegriffen. Das sagt wohl alles über den Wert des Begriffs Rechtssicherheit in Südtirol“.
Wenn die Politik und deren Volksvertreter in nächster Zukunft dem Mob etwas Gutes tun bzw. irgendwie glaubhaft Entscheidungen für das Volk treffen will, dann soll sie den Mut aufbringen, die üppigen Politikerrenten und –Gehälter auf ein Mindestmaß zu reduzieren und an jene der „normalen Bürger“ anzupassen, die Altpolitiker, die sich an ihren Privilegien festklammern und denen die Leute über Jahrzehnte hinweg das Vertrauen geschenkt haben und sie jetzt mit ihrer Starrköpfigkeit so maßlos enttäuschen, ohne Rücksicht auf Verdienste von der Partei hinaus zu werfen.
Das Geld dafür wäre reichlich vorhanden. Man bräuchte nur einige Millionen- ja Milliardengräber und Wahnsinnsprojekte, wie Flughafen, Protzbauten, unzählige unnütze Landesgesellschaften, untragbare und unverschämte Politikergehälter und Pensionen, Steuergeldverschwendungen sowie Sel Skandale und sonstige Pleiten & Pannen, ESF Gelder usw. usw. stopfen. Mit all diesen Geldern könnte man sogar auch noch leicht und locker die Krankenhäuser in der Peripherie, die ja effizienter als das große in Bozen arbeitet, am Leben halten.
Am Ende werden die Altmandatare sicherlich Recht bekommen, denn an diesen sogenannten erworben Rechten hängen ja tausende Politiker und ranghohe staatliche Beamte von Ministerien und Institutionen (Richter, Parlaments-Questori und Präfekte usw.), die auch auf keinen Cent verzichten werden und wollen. Und so zahlt der Mob auch weiterhin seinen Tribut.
Nochmals zurück zum Herrn Pahl. Es ist beschämend einem Menschen wie diesem zuzuhorchen. Einer der die „Normalbürger“ öffentlich und mit Verachtung als Fußvolk = Mob bezeichnet, sollte eigentlich wegen Volksbeleidigung verklagt werden. Das Geld zu seiner Verteidigung hat er vom Mob ja schon erhalten. Und dann wundert er sich noch, wenn man ihn auf der Straße anspucken möchte. Er sollte sich mal näher mit dem Begriff Mob auseinander setzen. Der Ausdruck steht für:(englisch „mob“ aufgewiegelte Volksmenge, kurz für lat. mōbile vulgus, etwa „das wankelmütige gemeine Volk“[) bezeichnet pejorativ eine Masse aus Personen des einfachen Volkes bzw. eine sich zusammenrottende Menschenmenge mit überwiegend niedrigem Bildungs- und Sozialniveau (abwertend auch gemeines Volk, Pöbel, Plebs, Gesindel, Pulk, Schar genannt).
In der englischen Sprache hingegen wird diese Originalbezeichnung Mob auch für eine Bande bzw. für die Bandenkriminalität verwendet; in den USA auch für die Mafia. Er soll sich mal hinterfragen, ob diese Bezeichnung nicht auf die privilegierte Politikerkaste passen könnte, zu der er ja gehört? Eine Umfrage beim normalen Bürger würde mir mit Sicherheit Recht geben.

So., 30.11.2014 - 17:22 Permalink