Es ist die Kapitulation der Politik vor der eigenen Ohnmacht. Die Bankrotterklärung eines Parteiensystems, das stets vor allem auf sich selbst bedacht war: Ein Land fleht einen 88-jährigen an, nicht in den verdienten Ruhestand zu treten. Eindrücklicher könnten die Anomalien der italienischen Gerontokratie kaum demonstriert werden. Die Linke begeht in einem politischen Amoklauf Selbstmord. Pier Luigi Bersani, der um jeden Preis in den römischen Chigi-Palast einziehen wollte, stürzt über seinen Weigerung, das Wahlergebnis zur Kenntnis zu nehmen. Und über die Unfähigkeit, eine Krise zu meistern.
Der Partito Democratico war längst zu einem Gewirr verfeindeter Seilschaften verkommen. Die Partei schien außerstande, auch nur ein einleuchtendes Konzept, eine glaubwürdige Zukunftsvision, eine klare Lösung anzubieten. Gefangen in einem institutionellen Korsett, das in jeder Krisensituation nur politische Dinosaurier aus dem Zylinder zaubert - von Franco Marini bis zu Romano Prodi. Nun hat sich Giorgio Napolitano erweichen lassen, erneut zu bleiben. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik tritt ein Präsident in Italien eine zweite Amtszeit an. Es ist anzunehmen, dass Napolitanos Schritt an Bedingungen geknüpft ist. Das Programm der Weisen wird wohl zum Regierungsprogramm werden und einige von ihnen zu Ministern. Stefano Rodotá könnte als Trostpreis ein Regierungsamt angeboten werden (das er ablehnen dürfte). Möglicherweise kehrt Giuliano Amato ins höchste Regierungsamt zurück. Die Folgen des politischen Erdbebens sind in ihrer Tragweite noch nicht abzusehen.
Politisch dürften sie morgen am Wahlergebnis in Friaul-Julisch Venetien ablesbar sein. Doch es besteht kein Zweifel, dass aus dieser Krise die zwei großen Populisten Italiens als eindeutige Sieger hervorgehen: Silvio Berlusconi und Beppe Grillo.